Jörgen Dingler

Oskar trifft die Todesgöttin


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modernen Sessel.

      »Weswegen wolltest du, dass ich herkomme?«

      Die organisatorische Hälfte antwortete zunächst nicht, griff nach einem Whiskyglas und trank erstmal einen stärkenden Schluck.

      »Greif zu. Du wirst es brauchen.« Greg zeigte auf ein leeres Glas und die Flasche.

      »Ach so? Okay.«

      »Erstmal gratuliere, Alter. Feiner Job.«

      »Danke.«

      »Nicky hat die Kohle schon voll bezahlt. So lob ich‘s mir«, brabbelte Greg und starrte auf den Fernseher, war trotz der Anmerkung nicht ganz bei der Sache.

      »Hm, Nicky ist wirklich flott. Fein.«

      Oskar sah zum Flat-TV an der Wand und konnte Gregs Apathie nicht nachvollziehen. Der Fernseher zeigte eine der Nachmittagssendungen, für die angeblich Hausfrauen oder Langzeit-Arbeitslose eine Affinität hegen. Ein übergewichtiges Kind terrorisierte die Mutter, weil es auf Diät gesetzt wurde und ab sofort auf die übliche Tafel Schokolade zum Nachtisch verzichten musste.

      »Das ist echt der Hammer«, stammelte Greg.

      »Ja, da geb ich dir recht.«

      Oskar goss sich Whisky ein und hob sein Glas. Greg sah entgeistert in seine Richtung und stieß mit ihm an.

      »Welcome back!«, schien er wieder lebhafter.

      »Thanks. Sag, ähem«, räusperte sich Oskar, »adipöse Kinder in prekären Familienverhältnissen sind was Schlimmes, Greg, und ich bin positiv erstaunt, dass dich sowas auf einmal berührt…«

      Greg Norman sah ihn noch entgeisterter an als vor einigen Minuten.

      »Was?«, fragte er dann auch mit verblüffender Ahnungslosigkeit. »Was quatscht du für‘n Scheiß?«

      Daraufhin setzte Oskar einen ahnungslosen Blick auf.

      »Ich meine, was dich da gerade so schockiert…« Er deutete mit einem Daumen auf den Fernseher, indem der nun glücklicherweise per Stummtaste seines Kreischens beraubte kleine Dicke herumtobte. Kater Bruno kam derweil aus dem Garten und enterte sein Herrchen. »Ja, hallo! Wen haben wir denn da?« Der Kater wurde mit Kraulen bedacht und schnurrte zufrieden.

      »Sag mal, hast du im Auto kein Radio gehört?«

      »Nö. War die letzten zwei Stunden im Zug und hab mich da per iPod betäubt. Bin direkt vom Bahnhof hierher, weil irgendwas wichtig zu sein schien.«

      »Nicky hat dich nicht mit dem Auto nach Wien gebracht?«

      Der Blonde schüttelte den Kopf. Kartäuserkater Bruno lag mit halb zusammengekniffenen Augen rücklings auf dem Schoß seines Herrchens und strahlte größtmögliches Behagen aus.

      »Nur nach Graz zum Bahnhof. Er hat gesagt, dass er in Graz noch Freunde besuchen will. Der Gute hat wie‘s aussieht überall Freunde.«

      »Versteh.«

      »Aber ich nicht.« Oskar nippte an seinem Whisky. »Also, was ist los?« Sein Gegenüber antwortete zuerst nicht, also setzte er nach. »Ich möchte nach Hause, mich frischmachen, dann etwas pennen. Oder erst pennen und mich dann frischmachen. Kärnten war, naja, ein wenig anstrengend. Und damit meine ich nicht nur den Job…«

      »Versteh«, kam es wieder apathisch.

      Oskar schüttelte erneut den Kopf, sah Greg an, dann in sein Glas und trank.

      »Wie schön, dass wenigstens du verstehst, mein Bester.«

      Greg goss sich noch einen ein, drehte sich mit einem Mal ruckartig nach vorn und beugte sich in seinem Fernsehsessel vor, sodass das Fußteil wieder einklappte. Das war dem vierbeinigen Übernachtungsgast zu laut. Bruno sprang von Oskar hinunter und verzog sich wieder in den Garten.

      »Ich hab‘s aufgenommen. Digitales TV ist schon geil. Du kannst Sachen zurückholen und speichern, die grad schon gelaufen sind.«

      »Ich weiß.«

      »Das hier war auch ein feiner Job. Aber auf einem anderen Niveau als deiner. Damit meine ich nicht die Höhenmeter. In dem Fall hättest du gewonnen, hähä.«

      Der blonde Deutsche zog eine Schnute und starrte auf den Flatscreen. Sein Agent startete den Festplattenrekorder.

      »Wir unterbrechen unser Programm für eine Sondernachrichtensendung«, eröffnete eine Nachrichtensprecherin. »Erst letzten Monat trat er sein Amt an, heute ist er tot. Giancarlo Lucchese, der neue Präsident der Vatikanbank wurde am mittag in Rom während eines vertraulichen Essens ermordet. Lucchese folgte auf den zurückgetretenen Ettore Tedeschi. Seine Bestimmung zum Chef der Vatikanbank war umstritten. Nicht wenige hielten Lucchese für das Gegenteil eines Neuanfangs in der Vatikanbank, weil sie ihn wegen angeblicher Verwicklungen in dubiose Geldgeschäfte noch kritischer als seinen Vorgänger beurteilten.«

      Das Bild blendete in Hubschrauberaufnahmen der römischen Innenstadt über. Der ganze Häuserblock war von Einsatzwagen umstellt.

      »Bei diesem Anschlag vor zwei Stunden kamen auch zwei Leibwächter Luccheses ums Leben. Die italienische Polizei hält sich mit Angaben über Verdächtige zur Stunde noch bedeckt. Es sickerte aber durch, dass es sich um einen Einzeltäter handelte. Die Polizei bestätigte das bislang nicht. Es gab keine Festnahme. Das Geschäftsessen galt nach ersten Informationen als geheim und gut bewacht.«

      Die Moderatorin wurde wieder eingeblendet.

      »Vom Papst wurde verlautbart, dass er schockiert sei. Er sei bestürzt, dass eine ihm nahestehende Person einem menschenverachtenden Anschlag zum Opfer fiel. Seine Gebete gelten den Opfern und ihren Angehörigen. Soweit unsere ersten Informationen über die Geschehnisse in Rom. Wir werden Sie weiterhin auf dem Laufenden halten und uns zuschalten, sobald es neue Informationen gibt.«

      »Hammer, oder?« Greg drehte sich zu Oskar, schien mittlerweile euphorisch.

      »Ja, das ist wirklich Hammer. Das ist ja noch krasser als damals bei diesem Vierwochenpapst«, stimmte Oskar so dezent zu wie er nickte.

      »Vor allem auffälliger.«

      »Der Kurzzeitpapst soll wirklich eines natürlichen Todes gestorben sein.«

      »Papperlapapp. Das glaubst du vielleicht.«

      »Nicht nur ich. Gilt längst als bewiesen. Er hatte ein schwaches Herz.«

      »Und wenn schon«, wischte Greg den nüchternen Einwand vom Tisch. »Vergiss den Papst-Quickie aus unseren Kindertagen. Zurück zum Hier und Jetzt. Und hier und heute sind‘s keine Verschwörungstheorien. Der Kerl wurde sauber und superprofessionell abgeknipst.«

      »Stimmt.«

      Greg stierte Oskar an und wartete auf eine ganz bestimmte Einschätzung.

      »Und, was glaubst du? Was glaubst du?«, insistierte er gespannt wie ein Kind. Er setzte sich auf und wackelte in seinem Sessel hin und her. Oskar verdrehte die Augen, zog ein Gesicht, als wenn er Zahnschmerzen hätte. Er ahnte, worauf sein Agent hinauswollte. Oder eher: auf wen.

      »Mmm, Junge… komm mir nicht wieder mit Legenden«, seufzte er.

      Der wuschelköpfige Amerikaner schüttelte den Kopf und rollte mit den Augen, weil sein Gegenüber immer noch nicht an diese ‚Legende‘ glauben wollte. Oskar gehörte zur Fraktion der Zweifler, was die Existenz der sagenhaftesten Berufskollegin anging. Auf der anderen Seite standen Gläubige wie Greg.

      »Junge, was brauchst du noch? Ha!«

      »Es war auf jeden Fall einer der Besten, soviel ist sicher«, räumte Oskar ein.

      »Nix einer der, dude! Es war die Allerallerbeste von allen!!!