Klaus Melcher

Wolfskinder


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dann sprudelte es aus ihr heraus, ohne Unterbrechung, wie ein Wasserfall.

      Von der Anmeldung erzählte sie, wie nett der Direktor gewesen war, auch die Frau Rowisch und die anderen Lehrer, die sie am Vormittag noch gehabt hätte, wie die Mitschüler sie aufgenommen hätte, dass einige erst sehr zurückhaltend, fast aggressiv gewesen wären, dass es dann aber auf einmal mucksmäuschenstill geworden wäre. All das erzählte sie und fiel wieder und wieder Jose um den Hals.

      „Und was hast du gemacht?“, fragte sie plötzlich.

      „Och“, antworte Jose wie beiläufig, „erst war ich im Amt, dann habe ich ein bisschen eingekauft, na, und dann gekocht, bis du mich von der Arbeit abgehalten hast.“

      Wie das Gespräch im Amt gewesen wäre, ob Jose von ihr erzählt hätte, wie viel er erzählt hätte, was sein Chef gesagt hätte, wie er die Chancen für eine Heiratserlaubnis einschätzte, wollte sie wissen.

      „Nun sag doch! Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen!“

      Ungeduldig zappelte Carmen herum, boxte übermütig Jose, umarmte ihn und ließ ihn gleich wieder los, nur um ihn erneut zu boxen.

      Es hatte keinen Zweck. Jose ergab sich. Er stellte das Essen vom Herd, nahm eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank, zog sie auf und setzte sich mit Carmen auf den Balkon.

      „Du gibst ja doch keine Ruhe“, lachte er, „aber pass auf, trink nicht so viel, sonst bist du gleich beschwipst.“

      „Und meint er, wir schaffen das bis Weihnachten?“, fragte sie, als er Bericht erstattet hatte.

      Natürlich wollte auch Jose, dass sie noch vor Weihnachten heirateten, aber er wusste, dass die Chancen dafür schlecht standen.

      „Wäre es sehr schlimm, wenn es nicht mehr in diesem Jahr klappt?“

      „Natürlich nicht“, behauptete sie, aber sie fühlte sich elend bei diesem Gedanken.

       Alles würde sie dafür tun! Sie würde arbeiten wie ein Pferd. Sie würde, sie würde, ach, sie wüsste nicht, was sie alles dafür tun würde!

      Sie wollte ganz tapfer sein, und konnte doch nicht verhindern, dass sich ihre Augen wieder füllten.

      Jose zog sie an sich, nahm sie in den Arm, streichelte ihr Haar.

      „Carmencita“, sagte er leise, „meine Carmencita.“

      Und dann brach es los. Ihr kleiner Körper wurde geschüttelt, konnte sich nicht beruhigen. Die Tränen wollten nicht enden.

      Jose war ratlos.

      „Was ist, Carmencita? Was ist?“

      „Ich habe solche Angst“, schluchzte sie.

      Dann, ganz plötzlich, stand sie auf, ging in die Küche und kam mit einer Rolle Küchenpapier zurück, riss einigen Blätter ab und schnäuzte sich laut und lange die Nase.

      „Jetzt ist alles wieder gut. Sei mir nicht böse“, bat sie.

      Sie kuschelte sich an ihn, wurde richtig klein an seiner Brust, und er hielt sie in seinen Armen, wie ein Vögelchen, das aus dem Nest gefallen war und das er vorsichtig zu wärmen versuchte.

      Beruhigend strich er ihr über das Haar.

       Es würde noch lange dauern, bis er ihr unerschütterliches Vertrauen hätte. Die Narben waren zu tief.

      Jose dachte an das Abendessen, das noch auf dem Herd stand.

      „Ich habe keinen Hunger mehr“, sagte sie, „bist du mir böse?“

      Jose schüttelte den Kopf, machte sich vorsichtig frei und versorgte den Fisch.

      Aus dem Schrank holte er ein Stück Käse und ein Brötchen, stellte beides auf den Tisch und setzte sich zu Carmen.

      Lange saßen sie da, schweigend, hielten sich im Arm und betrachteten die Dächer der Stadt.

      „Du kennst doch auch ‚Kabale und Liebe’“, unterbrach sie das Schweigen.

      Es überraschte ihn nicht, dass sie jetzt daran dachte. Sie hatte ihm erzählt, dass sie es im Deutschkurs lasen, sie hatte es in einem wahren Eiltempo verschlungen, morgen sollten sie eine Arbeit darüber schreiben. Sie musste nicht, aber sie wollte mitschreiben.

      Der Grund aber war ein anderer, das spürte er. Noch bevor er etwas sagen könnte, fragte sie: „Warum bringt Ferdinand sich und Luise um? Er musste doch wissen, dass Luise nur ihn liebt. Warum hatte er kein Vertrauen?“

      „Vielleicht weil er es vorher nicht gelernt hat, nicht bei seinem Vater, nicht am Hofe. Erst Luise hat er vertraut, aber das reichte noch nicht aus, die Verleumdungen zu überstehen. Sieh mal“, fügte er nach einer Pause hinzu, „vorhin hattest du Angst, ganz fürchterliche Angst. Dein Vertrauen in mich reichte auch noch nicht aus.“

      Carmen sah ihn erschrocken an.

       Nein, das konnte nicht sein! Wem, wenn nicht ihm, vertraute sie?

      Sie wollte protestieren, aber Jose kam ihr zuvor.

      „Du musst darüber nicht traurig sein. Das ist ganz natürlich. Wo solltest du Vertrauen gelernt haben? Von deinem Vater, der ständig betrunken ist und dich schlägt, wenn er dich in die Finger bekommt? Oder von deiner Mutter, die nie da ist? Auch Vertrauen muss man lernen, Vertrauen ist Verlässlichkeit, ist die Gewissheit, sich auf einen anderen Menschen voll und ganz verlassen zu können. Das wächst nicht von selbst. Es braucht sehr viel, manchmal sogar aufopfernde Pflege, um gedeihen zu können.

      Stell dir vor, wir sind Gärtner, und das Vertrauen ist eine sehr empfindliche Pflanze. Gemeinsam werden wir sie hegen und pflegen. Und bald wird sie jedes Wetter überstehen.“

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