Elsbeth Weckerle

Tatort Kreuzfahrt


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Eßtisch in unserem Wohnzimmer, teil. Dies ist uns derzeit auch beinahe lieber, denn seinen neuen, angeblich „gesunden“ Frühstücksgewohnheiten kann man eigentlich nicht einmal zusehen, ohne daß einem dabei übel wird.

      Seit diesen, seinen wichtigen, eben neu erworbenen Schönheits- und Gesundheitsvorstellungen, geprägt durch sich gut bezahlen lassende Firmen aller Art, ernährt er sich morgens nur noch mit so was wie Joghurt, Ziegenmilch, Sojaartikeln, verschiedenen Körnern, getrockneten oder „frischen“ Früchten aus dem biologisch fernen Ausland, Haferflocken, Nüssen und natürlich den üblichen verschiedenen Frühstücksflocken. Das „natürliche Aroma“ lebe hoch!

      Dazu gibt es Kaffee, selbstgesammelten Alpentee, Honig und verschiedene Tabletten zu den unterschiedlichsten Verlust-Ergänzungen, welcher Art auch immer. Für den allerwichtigsten Verlust, es sei jedermann freigestellt zu beurteilen, was wohl darunter fallen könnte, gibt es aber leider derzeit noch keine probaten Aufbau-, Ersatz- oder Ergänzungsmittel weder im Handel noch in der freien Natur!

      Nach Auskunft vieler selbsternannter Gesundheitsgurus, deren Wissen sich Wecki angeeignet und verinnerlicht hat, sollen wenigstens bestimmte Lebensmittel, teure Kuren und Fastenveranstaltungen aller Art, den Körper bei der Entschlackung und Entgiftung unterstützen.

      Irgendwo mußte ich da wohl etwas in meinem ehemaligen Biologieunterricht versäumt haben oder ich habe wie üblich nicht aufgepaßt. Denn die einzige Form der Schlacke, von der ich weiß, entsteht beim Verbrennen sowohl in heimischen Öfen wie auch in industriellen Hochöfen und die entsorgt man entweder im Mülleimer, als Rohstoff im Garten oder sie dient als Grundlage für verschiedene Baustoffe, wie Hüttensand, Hochofenzement und vieles andere.

      Muß ich das Entsorgen eventuell mit Wecki oder seinen Überresten in Zukunft auch noch selbst erledigen? Höchstwahrscheinlich bleibt genau dies mir aber erspart, denn wenn er noch dünner und knochiger wird, zerfällt er ganz von alleine und wenn ich Glück habe, weht dann ein etwas stärkerer Wind!

      Auch beim Entgiften habe ich scheinbar enorme Wissenslücken, denn bei mir, in meinem Körper, sind im biologischen Normalgebrauch die Nieren, die Leber und weitere „innere Gänge“ dazu da. Der Körper entgiftet sich im Normalfall selbst und wenn nicht, ist man tot! Vielleicht irre ich mich auch wie üblich oder habe, wie sehr häufig behauptet wird, einfach keine Ahnung von Nichts und es gibt dazu doch vieles was man teuer kaufen kann und dann glücklich damit entgiftet!

      Schade ist nur, daß leider aber gar nichts davon den Körper tatsächlich verjüngt, verschönt oder nachweislich, wie häufig mit bloßem Auge zu erkennen, gesund und länger am Leben hält!

      Die Zubereitung und das angeblich optisch schöne Anrichten nicht nur von Weckis morgendlichen Mahlzeiten dauert ewig und wird auch noch bei Tisch, natürlich nur an unserem zu Hause, mit einer Anzahl an Salzen, Ölen, Pfeffern und zusätzlichen Ingredienzien aus dem weltweiten Pestizidanbau und der menschlichen Sklavenarbeit weiter „verfeinert“! Es ist wahrlich ein echter Genuß da zusehen zu dürfen!

      Nachdem Lausi und ich mehrmals einige, anscheinend unsittliche Bemerkungen dazu haben fallen lassen, hatte Wecki beleidigt, wenigstens sein Frühstück in sein Büro vor den PC verlegt und sieht sich nun dabei die diversen wichtigen und aufklärerisch informativen Sendungen des Morgens im deutschen Hausfrauenfernsehen an.

      Wir beide, Lausi und ich, können dagegen nun in aller Ruhe ein oder zwei Scheiben eines guten Körnerbrotes, mit Butter, Schinken und Käse belegt, zu uns nehmen und dabei so was wie unseren Tagesablauf festlegen.

      Lausi, heute bereits fertig gerichtet, auf neudeutsch durchgestylt, und bis auf seinen Sakko perfekt angezogen, will sich nicht lange zu mir an den Tisch setzen. Er hat mir aber bereits die Großregionale Zeitung aus dem Briefkasten geholt, damit ich mich in seiner Abwesenheit, neben dem Telefon, nicht gar so rentnermäßig und total überfordert langweile.

      Kurz legen wir noch etwaige Weitergaben von telefonischen Wichtigkeiten an sein Handy fest, genauso wichtig, wie ein vielleicht doch gemeinsames Mittagessen, das natürlich ich, wer auch sonst, zuzubereiten habe.

      Dumm ist nur, wenn ich derartigen Ersatztelefondienst zu tätigen habe, wie bringe ich etwas tatsächlich Eßbares auf den Tisch, wenn nichts im Hause ist, und ich aus obigen, also telefonischen Gründen nicht einkaufen gehen kann? Irgend etwas wird sich schon machen lassen und wenn ich die TK-Truhe im Keller auseinandernehmen muß!

      Wir genießen nun ungetrübt, wenn auch sehr kurz, gemeinsam unser Frühstück, bis sich Lausi, nach einem Blick auf die Kirchturmuhr gegenüber unserem Eßzimmerfenster, rasch fertigmacht und mit dem Minitablett-PC bewaffnet aus dem Haus Richtung S-Bahn stürmt. Er verzichtet aus vielerlei Gründen wenn es geht auf das Auto!

      Hoffentlich hat er außer seinem Gehirn auch noch so einige Dinge des täglichen Gebrauchs dabei, die er vielleicht doch dringend benötigt. Aber da hoffe ich, daß er in seinem jugendlichen Alter mehrere Dinge doch gleichzeitig auf die Reihe bekommt und bei ihm noch nicht der frühe Alzheimer, wie bereits bei mir, zugeschlagen hat.

      Irgendwie beruhigt lehne ich mich etwas zurück und schlage die Zeitung auf. Ein Blick auf die erste Seite hätte eigentlich genügt, um mir schon mal wieder den ganzen Tag zu verderben. Außer einem reizenden Bild unserer Oberpolitikerin, die gerade, laut Großüberschrift darüber, unser Geld weiterhin rundherum verteilt und dazu zusätzliche Sparmaßnahmen von uns normalen Bürgern fordert, fällt als weiterer Artikel nur das Drama um S-21 ins Auge.

      Dabei kann man sich nur noch fragen, wie sich vermeintlich halbwegs denkende Menschen so einen absoluten Murks wie diesen angeblichen Superbahnhof unter der seit ewigen Zeiten bekanntermaßen problematischen Stuttgarter Erde haben ausdenken können und diesen Schwachsinn mit aller Gewalt immer noch haben wollen, obwohl feststeht, daß er weder den Bahnreisenden Vorteile bringt, noch perfekt geplant ist und schon gar nicht in das Bild von Stuttgart paßt.

      Heute, in Zeiten absolut leerer Kassen und massenweiser mehr als irrer Katastrophenbauwerke, auch rund um und in Stuttgart werden es immer mehr, sollen sich nun viele andere, tatsächlich denkende Menschen eine derartige wirtschaftliche und geistige Fehlplanung gefallen lassen.

      Man bedenke, ein architektonisches Kulturbauwerk in Stuttgart, ein einwandfrei funktionierender Kopfbahnhof mit hervorragender Leistung, nur ewig lange nicht renoviert, deshalb auch nicht sehr schön anzusehen, wird einfach zerstört.

      Unter dem Deckmantel der weiteren Stadtentwicklung, die nur dem Geldbeutel einiger weniger Milliardärsfamilien dient, wird nicht nur das restliche Umfeld um den Bahnhof herum optisch total verschandelt werden, sondern ganz Stuttgart wird daran langsam aber sicher kaputtgehen.

      Wenn keinerlei Verkehr mehr nach Stuttgart kommt, schon jetzt ist das Stauaufkommen von allen deutschen Städten hier am höchsten, der Nah- und Fernverkehr ebenfalls im Stau versinkt oder weit herumgeleitet wird, ist der Niedergang vorprogrammiert!

      Dank einem zusätzlichen neuen ICE-Bahnhof an unserem Flughafen wird es Stuttgart bald so ergehen wie Frankfurt, denn es werden höchstens noch die Hälfte der ICEs an diesem neuen Hauptbahnhof der Innenstadt halten. Als Bahnfahrender muß man also, will man die gleiche Flexibilität wie zuvor haben, künftig zuerst einmal zum Flughafen fahren. Nur hat Stuttgart einen kleinen aber ganz klaren Nachteil zu Frankfurt:

      Die Fahrt mit der S-Bahn zum Flughafen dauert bei uns eben ewig!

      Dieser gesamte Schwachsinn soll großenteils hauptsächlich auch noch mit unseren Steuergeldern finanziert werden. Der nicht geplante und verplante und nicht überall genehmigte Bau, es handelt sich dabei nicht allein um das Bahnhofsgebäude selbst, wird vor allem auf dem Rücken der ihn finanzieren müssenden Bevölkerung ausgetragen, die auf die verschiedenen Bahnen im und unter dem Hauptbahnhof tagtäglich angewiesen ist.

      Ganz abartig ist nur, leider ist dies durch Falschinformation dem normalen Bürger vorenthalten worden, daß dieser Bahnverkehr bis zu den ersten sogenannten Baumaßnahmen auch hervorragend funktioniert hat.

      Am Ärgerlichsten ist jedoch, daß diejenigen, die noch nie mit irgendwelchen Bahnen gefahren oder auch nur einmal in Stuttgart gewesen sind, über dieses Projekt entscheiden und entschieden haben.

      Es