Elsbeth Weckerle

Tatort Kreuzfahrt


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      Im Bus setzte sich „Herr Bunny“ sofort ganz nach hinten und als Hugo darum bat, uns anzuschnallen sah Bunny, so nannte ich ihn bereits, nur recht abwesend zum Fenster hinaus.

      Da Hugo, wohl im Glauben alle sind angeschnallt losfuhr, so sah auch ich erst etwas später nach hinten und bemerkte, daß Bunny unangeschnallt irgendwie zwischen zwei Sitzen saß, vor sich hinmurmelte und scheinbar völlig „daneben“ war.

      Ich bat ihn, sich doch anzuschnallen, aber das was er dann machte, hätte bei einem kurzen scharfen Bremsen genügt, ihn zu erdrosseln. Er hatte es tatsächlich geschafft, sich sogar zwei Gurte irgendwie mehrfach um den Körper zu wickeln und dann auch noch um den Hals.

      Ich flüsterte Lausi, der vorne neben Hugo saß zu, diesen doch zu veranlassen, schnellstmöglich anzuhalten, damit ich den alten Herrn richtig anschnallen könne.

      Bunny schien nicht nur übernächtigt zu sein, sondern auch noch geistig sehr weit weg. Er wollte sich von mir zuerst gar nicht helfen lassen, sondern beharrte stur auf seiner Anschnallung! Mit viel gutem Zureden, wie bei einem widerspenstigen Kind, gelang es mir schließlich, ihn aus dem Gurt zu befreien, auf einen Sitz zu setzen und ihn richtig anzuschnallen.

      Im Hotel angekommen, bei der Zimmerverteilung, erfuhren wir dann den richtigen Namen von Bunny. Es handelte sich um einen Herrn Professor Doktor Hase, anscheinend einen ehemaligen Wissenschaftler.

      Hugo war nun auch wie wir der Meinung, daß der alte Herr unter der Anstrengung der langen Reise leide und überredete ihn, auf seinem Zimmer zu bleiben und sich auszuschlafen. An der Rezeption hinterließ er noch entsprechende Anweisungen und dann brachte er ihn selbst auf sein Zimmer.

      Lausi und ich gönnten uns noch kurz etwas zum Essen im Restaurant des Hotels bevor wir uns zu Bett begaben.

      Am nächsten Morgen beim gemeinsamen Frühstück erkannte Dr. Hase uns zuerst nicht. Im Verlauf des Frühstücks wurde er aufgeschlossener und begann sich dann zunehmend ganz angeregt mit Hugo und auch mit uns über so alles Mögliche zu unterhalten. Immer wieder erzählte er lebhaft und witzig von seinen vielen Reisen in der ganzen Welt.

      Anschließend gab es bei unserer ersten Ausfahrt zwar zuerst wieder das Anschnallproblem im Auto, aber ansonsten schien alles in Ordnung, bis wir auf einem Ausflugsboot, für eine längere Fahrt, zusätzliche warme, wasserdichte Jacken und Mäntel bekamen und diese anziehen sollten.

      Bunny weigerte sich stur und starr, etwas Warmes anzuziehen. Seine Begründung dazu lautete: „Wir sind hier doch im Süden und da ist es warm, wozu diese Jacke?“

      Erst jetzt fiel mir auf, daß er eigentlich nur eine dünne Sommerhose und ein leichtes Sommersakko trug, wobei auch ein Blick auf seine Schuhe mich Schlimmes erahnen ließ. Er trug offene Sandalen!

      Zu dieser Jahreszeit geht es jedoch in Tasmanien auf den Winter zu und in einigen Höhenlagen hatte es, laut Wetterbericht vom Vorabend, bereits den ersten Schneefall gegeben.

      Was tun? Während wir uns noch mit Hugo beratschlagten und erfuhren, daß Bunny nur Sommergarderobe in seinem Koffer hat, Hugo hatte ihm gestern noch beim Auspacken geholfen, versuchte der junge Schiffsführer Kontakt zu Bunny aufzubauen und ihm gelang es dann, daß er wenigstens einen der langen warmen Mäntel anzog. Er ließ sich von dem netten jungen Mann sogar auf einem Sitzplatz anschnallen, wo er recht geschützt saß und sich zudem in unser aller Blickfeld befand.

      Immer wieder versuchte er jedoch, sich während der Fahrt loszumachen und aufzustehen. Da wir ihn aber alle im Auge hatten, gelang es immer wieder ihn zum Sitzenbleiben zu motivieren. Es war ein hartes Stück Arbeit und als wir das Schiff verließen, wünschte uns der Schiffskapitän mit einem schiefen Grinsen im Gesicht noch viel Vergnügen.

      Bei Bunnys Verhalten ganz allgemein, gingen mir die Begriffe Ritalin und Hyperaktivität durch den Sinn, ein Gedanke an eine von mir sehr geschätzte ehemalige Mieterin!

      Viel Vergnügen mit Bunny hatten wir auch weiterhin, denn beim anschließenden Mittagessen merkten wir zunehmend deutlicher, daß der alte Herr doch immer mal wieder geistige Aussetzer hatte. Mal brach er mitten in einem Satz ab und sah uns mit leerem Blick an oder er starrte plötzlich auf seinen Teller und murmelte vor sich hin, daß er das doch gar nicht bestellt habe und sowas nie essen würde, wobei er dann den Teller Hugo oder Lausi, die neben ihm saßen, zuschob.

      Die beiden redeten dann beruhigend auf ihn ein und er aß weiter. Ganz bedenklich war dann vor allem seine Aussage auf dem Rückweg zum Minibus, wo er der Meinung war, eigentlich sähe es in der Südsee etwas anders aus, da gäbe es doch mehr Palmen!

      Unterwegs im Bus, Bunny schlief tief und fest, von mir gut angeschnallt ganz hinten im Bus, besprachen wir drei nochmals das doch sehr sonderbare Verhalten des alten Herrn und das weitere Vorgehen.

      Laut den Unterlagen von Hugo war er einiges über 85 Jahre alt, was aber nichts über die Fitneß eines Menschen heutzutage aussagt. Wir drei stimmten jedoch darin überein, daß sein Verhalten unserer Meinung nach eindeutig doch nicht auf die lange Reise zurückzuführen ist.

      Hugo setzte uns am Hotel ab, brachte Bunny eigenhändig noch auf sein Zimmer und wollte sich anschließend mit seinem Agenturchef besprechen, was zu tun wäre.

      Als er uns zum Abendessen abholte, erzählte er, daß zwischenzeitlich ein Arzt Bunny untersucht habe, der aber nichts Ungewöhnliches hatte entdecken können. Er selbst habe nun dafür gesorgt, daß man dem alten Herrn im Hotelrestaurant ein Abendessen serviere und ihn dann auf sein Zimmer bringen werde.

      Die Agentur hier vor Ort versuche noch im Laufe der Nacht, andere Ortszeit bei uns, etwas von dem Reisebüro, über das Bunny hierhergekommen war, zu erfahren und werde ihn notfalls zurückschicken, denn diese Reise durch Tasmanien sollte schließlich nicht nur eine bequeme Busfahrt sein. Die im Prospekt für diese Reise angebotenen und vorgesehenen Besichtigungen und Wanderungen könne Bunny auf keinen Fall mitmachen.

      Beim Frühstück am nächsten Morgen kam Hugo alleine auf uns zu und während er ebenfalls hungrig zugriff, erzählte er, daß ein Wachmann des Hotels Bunny während der Nacht gerade noch hatte festhalten können, als der mit seinem gepackten Koffer das Hotel verlassen wollte, um mit dem Schiff seine Reise fortzusetzen.

      Man hatte ihn dann doch dazu bewegen können, seine Weiterreise auf den nächsten Tag zu verschieben, da während der Nacht kein Schiff ablegen würde und er doch eigentlich mit dem Flugzeug weiterreisen wolle.

      Die Agentur würde sich jetzt darum kümmern, daß man Bunny nach Deutschland zurückschickt, wobei die Auskunft des Reisebüros, das Bunny diese Reise vermittelt hatte, leicht verworren geklungen habe.

      Mein ganz persönlicher Eindruck damals war, und den habe ich auch meinen beiden mitreisenden Männern mitgeteilt, daß wohl die Erben des vielleicht doch vermögenden Bunny ihn auf diese Reise geschickt hatten, in der Hoffnung, er geht dabei irgendwie verloren!

      Lausi und Hugo waren natürlich nicht nur leicht geschockt über eine derartige Vermutung meinerseits. So was paßt einfach nicht in die Denkweise von Männern im Allgemeinen!

      Damit war eigentlich für uns das Thema Bunny abgeschlossen und Lausi und ich genossen mit Hugo, unserem Fahrer und Führer, nun ungetrübte Tage in Tasmanien. Da sonst keine weiteren Touristen dabei waren, auf die wir Rücksicht hätten nehmen müssen, waren wir in unserer Reiseeinteilung ganz frei und Hugo konnte uns das eine und andere so ganz nach seinen persönlichen Vorlieben zeigen.

      Während der Reise kam zwischen uns nun ein recht freundschaftliches Verhältnis zustande, vor allem da auch noch klar war, daß wir doch eine Zeitlang in Melbourne wohnen werden und uns somit des öftern treffen können, weil Hugo auch noch eine Wohnung in unserer Nähe dort besitzt.

      Leider verlief der Kontakt dann doch irgendwann recht schleppend, da Hugo kurz danach wegen Krankheit längere Zeit im Krankenhaus verbringen mußte und wir wegen der Krankheit meiner Mutter leider doch früher wieder zurück nach Deutschland fliegen mußten. Wir tauschten nur noch spärlich E-Mails aus, weil Hugo nach unserer Rückreise nach Deutschland einfach sehr viel als Guide unterwegs war, um seine Krankheitszeit zu kompensieren. Typisch Mann!

      Ich