taten dies auch.
»Schnell wieder raus hier und lieber ein bisschen umherwandern!«
Je mehr Zeit verging, desto öfter häuften sich Begegnungen mit Leuten, die wir an anderen Plätzen schon einmal getroffen hatten. So auch hier. Auf dem kostenlosen The-Boulders-Campingplatz trafen wir Jean und Terry wieder, ein Ehepaar, das wir von irgendwoher kannten. Mit ihnen machten wir uns auf zum Bramston Beach, weil es sich dort laut Aussage von Terry gut leben ließe. Bramston Beach war letztendlich auch nur ein Stück durchschnittlicher Strand. Dreizehn Dollar kostete eine Nacht. Wir verbrachten die Zeit dort faul im Sand liegend. Eine Besonderheit gab es jedoch. Verstreut um unser Auto lagen runde grüne Früchte. Wir sammelten sie auf und untersuchten sie gründlich. Mit meinem Messer teilte ich eine Frucht in zwei saubere Hälften. Der saftig süße und gleichzeitig saure Inhalt schmeckte vorzüglich und stellte eine willkommene Erfrischung dar. Es handelte sich um wilde Passionsfrüchte. Ein köstlicher Fund. Wir sammelten alle auf und packten sie als Obstvorrat in den Ford.
Unser Aufenthalt am Bramston Beach dauerte nicht sehr lange. Wir wollten weiter. In Innisfail angekommen, tranken wir nur einen Kaffee. Hier war es langweilig. Es gab keinen Grund zu bleiben. Außerdem hörten wir bereits den Ruf der nächsten Wasserfälle, den Murray Falls. Dort machten wir Feuer, zelteten und reisten weiter zu den Wallamann Falls, den höchsten in Queensland. Auf unserem Zwei-Kilometer-Marsch zum Fuße der Fälle, trafen wir ein junges deutsches Pärchen aus Berlin. Die beiden wirkten etwas verzweifelt. Sie waren das beste Beispiel dafür, wie man ein Jahr in Australien nicht beginnen sollte. Beide lebten bereits ein halbes Jahr hier unten, hatten aber so gut wie nichts vom Land gesehen. Ihr bisheriger Aufenthalt bestand aus dem Kennenlernen des Arbeitsalltags auf diversen Plantagen. Sie hatten in Deutschland gerade das Abitur hinter sich gebracht, keine Ahnung, was Arbeit bedeutete und keine finanziellen Rückhalte, aber sie wollten gleich nach Australien. Hier lernten sie schnell, dass man komplett ohne Geld nicht auskommt und fingen an, auf Bananenplantagen zu arbeiten. Den dort verdienten Lohn verprassten sie allzu leichtsinnig in Hotels, Pubs und Discotheken. So mussten sie ständig schuften. Und nun, nach sechs Monaten Plantagenarbeit, hatten sie verständlicherweise die Schnauze voll. Sie wollten zurück nach Deutschland. Die beiden hätten etwas überlegter an die Sache herangehen sollen. Ihr Beispiel zeigt, dass man vorher gut darüber nachdenken sollte, ob, wann und warum man solch eine Reise machen will. Überhaupt stellten wir fest, dass viele junge Backpacker nur nach Australien kamen, um eine Party nach der anderen zu feiern. Allen voran die Engländer. Es soll ja jeder machen, wie er denkt, doch zum Saufen brauche ich nicht Tausende Kilometer zu fliegen.
Da es relativ spät war, als wir am Auto ankamen, entschieden wir uns, auf dem nächstgelegenen Campingplatz zu nächtigen. Das Berliner Pärchen folgte uns dorthin. Zu fortgeschrittener Stunde leistete uns eine junge Frau Gesellschaft - Alex aus Wien. Sie kannte sich mit Fire Twirling aus. Das kam mir sehr gelegen und ich fragte sie, ob sie mir ein paar Tricks zeigen könne. Bisher konnte ich mit meinem Feuerstock nämlich noch keine vorzeigbaren Erfolge feiern. Die Wienerin erklärte mir einige Grundtechniken, die mir weiterhalfen.
»Ach, so macht man das. Jetzt weiß ich endlich, wie man die Stange richtig dreht«, sagte ich zu ihr und Anne grinste.
Um Mitternacht fragte uns Alex: »Kommt ihr mit zum Fluss? Dort gibt es Platypus. Wenn wir Glück haben, sehen wir vielleicht eins.«
»Was gibt es da?« fragten wir, »Plattfuß?«
»Nein, Schnabeltiere, die sieht man, wenn überhaupt, nur selten.«
Da waren wir natürlich dabei. Wir schnappten unsere Taschenlampen und marschierten durch den Wald zum Fluss. Ein Camper warnte uns vor einem Monsterpython, der angeblich auf einem Baum lauerte. So stapften wir vorsichtig durch die Dunkelheit, immer auf der Hut vor der Würgeschlange. Doch es blieb ein Abenteuer ohne Lohn - keine Schnabeltiere in Sicht. Auch ein erneuter Gang am frühen Morgen brachte keinen Erfolg.
Die Suche nach den Schnabeltieren lag bereits einige Tage hinter uns, als wir in Townsville eintrafen. Nicht überwältigend schön, aber ein, zwei ansehnliche Ecken hatte die größte Stadt unserer bisherigen Reise durchaus zu bieten. Der erste Amtsweg führte uns zur Westpac Bank. Wir brauchten Geld. Danach ging es ans Surfen, nicht im Meer, sondern im Internet. Doch der Preis für eineinhalb Stunden E-Mail-Versenden haute uns fast vom Hocker - ganze 7,50 Dollar! In Cairns hatte eine Stunde gerade mal einen Dollar gekostet. Teurer Spaß. Das roch nach Ausbeute.
Nächster Halt: die Laundry - eine Wäschestube, in der man seine Kleidung waschen konnte. In Sachen Laundry waren wir Profis, nicht wegen unserer dreckigen Wäsche, vielmehr wegen Annes Digitalkamera. Die brauchte von Zeit zu Zeit eine Steckdose zum Aufladen der Akkus. War ein Akku leer, hielten wir an einer Laundry und stöpselten die Kamera ein. Wir betrieben praktisch Stromklau, taten aber immer so, als würden wir warten, dass unsere Klamotten aus der Maschine kommen. Zwei geschlagene Stunden Ladezeit benötigte der verdammte Akku. Die überbrückten wir mit Bücherlesen, passten jedoch gleichzeitig auf, dass niemand die Kamera entdeckt. Wahrscheinlich hätte niemand jemals was dagegen gesagt, doch sicher ist sicher. Ich hatte es mit meinem Fotoapparat nicht ganz so schwer, denn dem genügten normale Batterien. Hätten wir gewusst, dass wir in der folgenden Nacht in einem Caravan-Park haltmachen würden, der mit überbordendem Komfort ausgerüstet ist, hätten wir uns das Wäschewaschen und Akkuaufladen in der Laundry sparen können.
Gleich am nächsten Morgen ging ich zu einer Telefonzelle und versuchte, Bill Hunter zu erreichen. Ich wollte ihm sagen, dass wir bald in Charters Towers auftauchen würden und vorhätten, ihn zu besuchen. Doch leider war niemand zu erreichen.
Wir besichtigten das Reef Head Quarter in Townsville. Dort sahen wir uns die künstlich geschaffene Unterwasserwelt des Great Barrier Riffs an. Während Teile des Originals unter den Folgen des Massentauchtourismus extrem zu leiden hatten, beherbergten hier riesengroße Aquarien alles, was ein gesundes Riff ausmacht: bunte Fische, Haie, Seegurken, Korallen ...
Im Anschluss fuhren wir auf den Castle Hill, den Felsen mitten im Zentrum der Stadt. Vom Castle Hill hat man eine fantastische Aussicht über ganz Townsville und Umgebung. Wir warteten auf den Sonnenuntergang. Danach wollten Anne und ich richtig gut essen gehen. Doch es kam anders. Kurz vor `Abflug´ kamen wir ins Gespräch mit Danny und Claudi, die, so wie wir, auf einem Stein hockten und Fotos schossen. Danny holte Bier aus seinem Kleinbus und bot jedem eins an. Die Flaschen steckte er in sogenannte Stubby Holder. Stubby nennen die Australier ihre Bierflasche und die stecken sie in einen zur Kühlung gedachten, becherförmigen Neoprenüberzieher - den Stubby Holder - ein Muss für jeden echten Australier und Kult in Down Under. Während diese praktische Erfindung unsere Getränke wohltemperiert hielt, betrachteten wir die unzähligen Lichter der Stadt und erzählten. Danny und Claudi konnten sich gut vorstellen, für immer in Australien zu bleiben. Er war Tischler und hatte somit gute Chancen, einen Job zu finden. Handwerkliche Berufe sind im Land der Kängurus gefragt. Claudis Aussichten als Krankenschwester standen ebenso nicht schlecht. Die Zeit schritt voran. Erst spät trennten sich unsere Wege. Ich hatte einen Bärenhunger und wollte nun am liebsten irgendwo etwas Herzhaftes zu mir nehmen. Doch Anne machte mir einen Strich durch die Rechnung.
»Ach, ist doch schon so spät«, sagte sie leicht mürrisch. »Ich habe keinen Hunger mehr. Lass uns zum Caravan Park fahren.«
Die gegensätzliche Auffassung bezüglich der abendlichen Nahrungsbeschaffung führte zu einem kleinen Streit. Bei Hunger ist mit mir nicht gut Kirschen essen. Da kommt schnell schlechte Laune auf. Doch was nützte es, in der Stadt hatte nichts mehr offen. Also fuhren wir zurück zum Zelt und ich legte mir was auf den Grill.
Am Morgen hatte sich die schlechte Stimmung gelegt. Wir packten unsere sieben Sachen, checkten aus und steuerten den Hafen an. Hier ließen wir unseren Stationwagon stehen, nahmen unsere Rucksäcke und reservierten uns zwei Plätze auf einer Fähre der `Sunferries´. Unser Plan war, drei Tage auf Magnetic Island zu verbringen. Die Insel liegt wenige Kilometer vor Townsville und verfügt über besonders schöne Strände und Buchten.
Die Überfahrt dauerte nicht lange. Die Fähre machte fest. Wir stiegen in einen Bus und landeten in einem Hostel, in dem nur noch Mehrbettzimmer frei waren. Das gefiel uns nicht, doch es war ja nur für zwei Übernachtungen. Auf Magnetic Island gab es mehrere Möglichkeiten, sich