„Natürlich.“ Er räusperte sich. „Ich muss dich etwas fragen und möchte dich bitten, mir diese Frage nicht übel zu nehmen.“
Sie hob auffordernd eine Hand. „Nur zu.“
Eine Weile schwieg er, dann fragte er direkt: „Bist du dir ganz sicher, dass das Kind von mir ist?“
Ihr erster Impuls war der, ihm die Cola ins Gesicht zu schütten, doch sie hielt sich zurück, straffte nur die Schultern. „Ich bumse nicht wahllos in der Gegend herum“, sagte sie kalt. „Ja, ich bin mir sicher. Hundertprozentig.“
Seine linke Augenbraue hob sich missbilligend. Richtig, erinnerte sich Linda, eine solche Ausdrucksweise mag er nicht.
Er senkte wieder den Kopf, starrte auf den Fußboden und nickte, als hätte er mit dieser Antwort gerechnet. „Und bist du dir auch sicher, dass du das Kind behalten willst?“ Seine Stimme war leise geworden, fast brüchig.
Sie konnte nicht mehr stillsitzen, stand auf, stellte sich vor das Fenster und schaute nach draußen. Da es dort dunkel war sah sie wie in einem Spiegel sich und Steve im Wohnzimmer. Es war kein scharfes Bild, alles wirkte ein wenig verschwommen und diffus. Genauso kam ihr die ganze Situation vor.
Er saß noch immer auf der Couch und wirkte bedrückt. Die fröhliche Jazzmusik passte gar nicht zu dieser Situation. Er hätte lieber einen Blues auflegen sollen, dachte sie mit einem Anflug von Bitterkeit.
Sie fixierte ihn durch die Glasscheibe. „Willst du es denn nicht?“ fragte sie leise und legte schützend die Hände auf ihren Bauch, als wolle sie das Ungeborene vor Gefahr bewahren.
Er hob den Kopf, stellte sein Glas neben ihres und trat hinter sie. Ihr Anblick rührte ihn auf merkwürdige Weise. Er legte die Arme um ihren Leib und berührte ihre gefalteten Hände. „Ich weiß es wirklich nicht“, sagte er leise. „Ich finde den Gedanken, ein Kind zu haben - Vater zu werden - etwas beängstigend. Und ich will ganz ehrlich sein…“ Er zögerte. „Ich weiß nicht, ob du die Frau bist, mit der ich ein Kind aufziehen möchte.“
Sie sah ihn durch die sich spiegelnde Fensterscheibe an, traurig und verletzt. Er sprach weiter, in einem beschwichtigenden Ton.
„Versteh' mich nicht falsch, Linda. Du bist eine großartige Frau, wunderschön, ausgesprochen klug und sehr reizvoll, aber - ich glaube nicht, dass ich dich liebe. Es tut mir leid.“
Es tat weh. Schrecklich weh. Sie sollte jetzt gehen. Weggehen von ihm und nie, nie mehr wieder kommen. Doch stattdessen drehte sie sich langsam um, stand ganz nah bei ihm und sah ihm in die Augen. Seine Hände lagen auf ihren Schultern.
„Ich glaube schon, dass ich dich liebe und dass ich dich glücklich machen könnte“, flüsterte sie. „Vielleicht kommt es auf einen Versuch an.“ Mit großen, bittenden Augen sah sie ihn an.
Wieder fiel ihm auf, von welch einem schönen, intensiven Grün ihre schräg stehenden Augen waren. Sogar in diesem schwachen Licht war das deutlich zu erkennen. Doch ihr flehender Blick löste nur ein Gefühl des Ärgers in ihm aus.
„Wie soll denn das gehen?“ fragte er gereizt, ließ sie abrupt los und wandte sich ab
„Ich lebe und arbeite hier, du hast dein Leben und deine Firma in New York. Das hat doch keinen Sinn.“ Er fuhr sich durch das Haar und sah sie an, als wolle er ihre Zustimmung.
Doch Linda gab so schnell nicht auf. „Ich könnte die Wochenenden hier bei dir verbringen“, schlug sie vor. „Und wenn das Kind da ist, werde ich weniger arbeiten.“ Ihre Augen leuchteten auf, als ihr ein Gedanke kam.
„Ich könnte den Hauptsitz der Cooper Enterprises nach L.A. verlegen. Es wäre möglich, Steve.“
Sie hörte selbst, wie eindringlich sie klang und hasste sich dafür, dass sie um ihn und seine Zuneigung bettelte wie ein Hund um einen saftigen Knochen.
Er wandte sich wieder um, nahm sein Glas vom Tisch, trank einen großen Schluck und ging zur Bar, um sich nachzuschenken. „Ich brauche noch Zeit“, sagte er fast ein wenig grob. „Das geht alles so furchtbar schnell. Ich war ganz zufrieden mit meinem Leben, und auf einmal tauchst du auf und krempelst alles um.“ Mit dem gefüllten Glas in der Hand drehte er sich wieder zu ihr und sah sie vorwurfsvoll an.
„Nicht ich kremple alles um“, widersprach sie hitzig. „Unser Kind tut das. Auch für mich wird sich eine Menge ändern. Auch für mich ist das alles Neuland. Ich bin nicht weniger durcheinander als du.“
Er sah zu ihr. Sie hatte die Arme in die Seite gestemmt und sah ihn herausfordernd an. Steve seufzte. „Es ist schon spät und ich bin schrecklich müde“, sagte er beschwichtigend. „Lass uns morgen weiterreden. Du kannst gern hier bleiben und im Gästezimmer übernachten, wenn du möchtest. Ich lasse es dir herrichten.“
Er stellt das volle Glas auf der Bar ab und wandte sich zum Gehen. „Gute Nacht, Linda.“
Mit schnellen Schritten verließ er das Zimmer. Dann weckte er seine Haushälterin, bat sie mit wenigen Worten, das Gästezimmer herzurichten und eilte weiter, seinem eigenen Schlafzimmer entgegen. Er musste jetzt allein sein. Es schien ihm unmöglich, Lindas Gegenwart auch nur einen Augenblick länger zu ertragen.
Josefine kämpfte sich aus ihrem Bett, nachdem Steve sie so unverhofft geweckt hatte. Wäre es nicht er, der ihr mitten in der Nacht den Auftrag gab, das Gästezimmer herzurichten, sie hätte nach so einer Aktion unweigerlich gekündigt. Doch für Steve würde sie vieles tun, er war für sie der Sohn, den sie nie gehabt hatte.
Sie hatte vor fast drei Jahren auf seine Zeitungsannonce geantwortet und war inzwischen sehr viel mehr für ihn als nur eine Haushälterin. Sie war sein Mutterersatz, sein Beichtvater, seine Psychotherapeutin. Sie kannte ihn besser als jeder andere.
Schon viele Frauen waren in dieses Haus gekommen. Und sie waren alle wieder gegangen. Einige nach wenigen Stunden, andere nach ein paar Tagen. Wirklich verliebt hatte er sich, seit sie ihn kannte, noch nie. Und Josefine war sicher, dass es mit der Dame, die plötzlich mitten in der Nacht vor seiner Tür gestanden hatte, auch nicht anders sein würde. Neu war nur, dass ein Gästezimmer benötigt wurde.
Sie schlüpfte in ihren Morgenrock und machte sich seufzend auf den Weg.
Steve saß auf seinem Bett, hatte die Ellenbogen auf seine Knie gestützt und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Er war durcheinander, aufgewühlt und ausgesprochen ärgerlich.
Warum, um alles in der Welt, war Linda so plötzlich hier aufgetaucht?
Er hatte doch gesagt, er würde sich melden. Konnte sie ihm nicht noch ein wenig Zeit geben, um sich an den Gedanken, ein Kind mit ihr zu haben, zu gewöhnen?
Er ließ sich nach hinten fallen und fuhr sich erschöpft mit den Händen über das Gesicht. Als sie so unerwartet vor seiner Tür gestanden hatte, war er mit seinen Gedanken bei dem Gespräch gewesen, dass er mittags mit Jasmin geführt hatte. Er war noch nicht bereit für Diskussionen mit Linda. Und ihre konkreten Zukunftspläne gaben ihm das Gefühl, als würde sich ein Strick um seinen Hals legen. Sie zog am anderen Ende und ihm ging langsam die Luft aus.
Er glaubte ihr, dass sie durcheinander war, dennoch kam es ihm so vor, als würde ihr die Schwangerschaft gut in den Kram passen. Er fühlte sich wehrlos und ausmanövriert. Und dieses Gefühl machte ihn wütend. Es war besser, mit dieser Wut allein zu sein.
Wie versteinert stand Linda mitten im Raum, mit hängenden Schultern und unfähig, zu verstehen, was gerade geschehen war.
Er gibt mir das Gästezimmer. Mir! Der Mutter seines ungeborenen Kindes!
Sie konnte es nicht fassen. Noch nie war sie so abgefertigt, so beleidigt worden. Sie bekam sein Baby. Und er behandelte sie wie einen x-beliebigen Gast, der überraschend hereinschneite.
Wütend überlegte sie hin und her. Was sollte sie tun? Ins Hotel fahren? Oder in seinem - Gästezimmer schlafen? Allein der Gedanke war für sie unvorstellbar.
Nach einigen Minuten, in denen sie noch immer dastand wie vom Schlag getroffen, erschien in der Tür zum Wohnzimmer