Rainer Seuring

Utz wider die Alben


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mit hassverzerrtem Gesicht erbost. „Ihr wollt nur nicht zugeben, dass wir Recht haben und wir nur eure Kerkermeister sind für die gefangenen Seelen. Ihr …“

      In diesem Moment erhebt der riesenhafte Schatten, so groß, dass jeder Zwerg zur Größe einer Ameise schrumpft, seine Arme, wie es scheint. Eine mir bekannt vorkommende Stimme brüllt in ohrenbetäubender Lautstärke: „Schweigt, ihr Teufel, allesamt. Ihr seid aus dem Kreis der Elben ausgestoßen. Alben wird man euch nun nennen, zum Zeichen eurer Herkunft, doch das A stehe für Ausgestoßen.“

      Lähmendes Schweigen liegt über allem, als die beiden kleineren Schatten nun ihrerseits die Arme heben. Aus jedem Alb entweicht die Macht, bündelt sich über ihren Köpfen in rasantem Wirbel zu einem dicken Strahl und braust mit lautem Donner in die Wolken und gen Norden davon.

      „Von nun an,“, so spricht Kane, „ bis zu eurem Eintreffen auf der Insel lebt ihr nur noch aus der Anwesenheit von Loki. Wenn es ihm gefallen sollte, so mag er euch verlassen und allesamt werdet ihr auf ewig sterben. Eure unreinen Geister werden zerfallen und verwehen, wie die Asche eines Feuers im Winde. Bedeckt euer Haupt und euren Körper mit schwarzem Tuch, denn niemand mag eure hässlichen Fratzen sehen.

      Die Natur erfülle ihren Auftrag. Ein jeder Mann werde bereit den Samen zu geben. Jede Frau werde bereit, neues Leben zu geben. Dies gelte für jedwede Art nach dem Willen der Natur.“

      Zwischen den beiden Schatten entsteht ein zunehmend wachsender Ball von leuchtend grüner Farbe, der langsam auf den Boden sinkt und bei deren Berührung explodiert. Ich fühle mich in die Höhe gerissen und sehe dabei von ganz weit oben, wie die ganze Erde, soweit ich schauen kann und sicher noch weiter, mit diesem grünen Licht eingehüllt wird. Ich bin völlig in grün eingehüllt.

      Das Bild verschwindet und ich höre aus dem großen Nebel, der jeden Zwerg zur Größe einer Ameise schrumpfen lässt: „So also wurden Mann und Frau getrennt. Einen ganzen Sonnenumlauf lang verharrte alles wie und wo es war. Danach war alles vergessen, was vorher war, wie bei einem Kleinkind, das sich nicht an seine Geburt erinnern kann. Redlich mühten sich die verbliebenen Elben, ihrem Auftrag, Frieden zu bringen, gerecht zu werden. Allein es fehlte eben jene Zahl, die fortan als Alben ihr Leben fristen musste. Zwar wandern sie nach wie vor über die Erde, doch Friede wurde kein Dauerzustand mehr. Auch ist bis heute ihre Zahl nicht vollständig und nur das könnte eine neue Friedenszeit beginnen lassen.“

      „Verzeiht eine Frage, damit ich alles richtig schreiben kann.“, erdreiste ich mich. „Ihr spracht zu Beginn von Elb und Elbin. Demnach war doch schon Mann und Frau getrennt, oder nicht?“

      „Gut aufgepasst.“, lobt mich der Riese im Nebel. „Doch war die Trennung nur eine rein Äußerliche. Erst durch diesen Richterspruch wurde von der Natur dafür gesorgt, dass der Leib einer Frau Frucht bringen und der Leib des Mannes Samen spenden kann. Zuvor war dies nie möglich oder nötig. Wer muss sich vermehren, lebt er ewiglich? Und doch haben die Götter vorausbedacht, was kommen mag.“

      Dies soll für jetzt genügen. Erwache und schreibe und schweige.“

      * * * * *

      Ein aufgeregter Gilbret Steinschleifer begrüßt mich im Reich der Nebel. „Achte auf das, was du schreibst, Waltruda. Nur was du hörst und siehst und spürst ist dir erlaubt.“

      „Und eben dies hab ich getan.“, ist meine Antwort voller Unschuld.

      „Man weiß, dass du erkanntest, wer mit dir sprach die letzten Male. Dies ist mehr als dir erlaubt.“

      „Mitnichten, werter Gilbret. Ich schrieb einzig, dass mir die Stimme bekannt vorkam. Dies war etwas, was ich spürte. Ein Gefühl sagte mir dies, doch nannte ich weder Namen noch zog ich Schlüsse. Ich halte mich an die Regeln. Ich schrieb auch nicht, wie fürchterlich leid mir Sanmari tat, denn der Anblick der wunderbaren Elben ließ mich dies vergessen. Ihr müsst zugeben, dass ich korrekt handelte.“

      Gilbret lauscht nach hinten, nickt und wendet sich dann wieder mir zu. „Man ist mit deiner Erklärung zufrieden. Das Werk wird fort gesetzt.“

      Unvermittelt steht der riesige Schatten, der jeden Zwerg zur Ameise schrumpfen lässt zwischen uns. „Mir will scheinen, bei dir muss ich noch mehr auf meine Worte achten als bei Alamon damals.“, dröhnt er.

      „Nun, so geht es weiter:

      Innerhalb des Sonnenumlaufs, in dem die Natur Mann und Weib schied, brachte Loki die elf Alben zu der Halbinsel. Mit seinen mächtigen Armen zerschlug er das Band, das die Insel am Festland hielt, stieg in das Wasser und schob sie an ihren Bestimmungsort. Das Jammern und Klagen, Fluchen und Schimpfen der Verdammten übergehe ich. Wie es nun scheint, hat man sich mit dem Urteil abgefunden; alles schweigt.“

      Ab jetzt sehe ich auch wieder, was geschieht.

      Von der riesigen Gestalt des Vollstreckers ist nicht viel zu sehen. Ich habe den Eindruck, als würde die Insel vor einem Nebel davon schwimmen. Beim Anblick der inzwischen ganz in schwarz verhüllten Alben wird mir fast Übel vor Angst und es überläuft mich mit Eiseskälte. Jeglicher Glanz ist nun einem fast lichtverzehrenden Schwarz gewichen. Fast schwinden mir die Sinne und ich spüre, wie mich rücklings etwas stützt und ein wenig die Angst nimmt. Ich kann mich nicht umdrehen, denn hier bin ich nur Zuschauer und jeglicher Bewegung unfähig.

      „Die Götter haben Glück, dass wir nicht solche Riesen sind wie ihr, Loki.“, schreit Alamon.

      „Warum glauben die Kleinen immer, dass sie schreien müssen, wenn sie es mit Größeren zu tun haben. Mein Gehör ist vorzüglich und zudem steht ihr gerade direkt vor meiner Nase. Was also soll mich daran hindern zu verstehen, wenn ihr in vernünftig leisem Ton redet? Und weswegen wähnt ihr es als Vorteil, wäret ihr so riesenhaft wie ich?“

      „Wie ich sehe, schwimmt ihr ohne Probleme selbst bei stärkeren Wellen durch dies tiefe Meer. Wer wollte uns daran hindern, die Insel schwimmend zu verlassen?“

      „Nicht wer, sondern was hindert euch daran, gilt es zu bemerken und das ist die Kraft die euch genommen wurde. Was die Größe angeht, so wäret ihr durchaus in der Lage, diese zu erreichen. Auf aller Welt findet sich ein Kraut, das man nur richtig zubereiten muss, um daraus einen Wachstum spendenden Trank zu bereiten. Mein Volk nennt es das Riesenkraut.“

      „Schön, dass es auf der ganzen Welt zu finden ist, aber doch nicht hier. Auch kenne ich kein >Riesenkraut<. Wie wird es denn noch genannt? Und was unsere Kraft angeht, wo ist die eigentlich. Sollte die nicht mit uns kommen? Ich sehe aber nichts und spüren tue ich auch nichts. Also, wo ist sie abgeblieben?“

      „Sie wird erst kommen, wenn die Insel am Zielort ist und ich euch verlassen habe. Nicht dass ihr noch auf die Idee kommt, mich mit vereinten Kräften anzugreifen. Ich bin kein Gott und eure geballte Kraft könnte mir vielleicht gefährlich werden. Sie wird der Anker sein, der die Insel an ihrem Platz hält. Aber sie ist auch die Stütze der Insel. Wird eure Kraft von ihrem Platz genommen, wird dies Eiland unweigerlich versinken.“

      „Loki beantwortet die lästigen Fragen des Alben mit unsäglicher Geduld.“, bekomme ich erklärt, was ich nicht spüre. Zunächst herrscht Schweigen. „Loki erkennt, dass hinter der schwarzen Fratze Gedanken von mindestens gleicher Schwärze bewegt werden.“

      „Ihr seid mir noch eine Antwort schuldig, Loki. Wie lautet ein anderer Name eures Riesenkrauts?“

      Loki ist nicht dumm. „Mancherorts wird es auch Unkraut genannt.“ Dabei lacht er lauthals, weshalb ihm ein großer Schwall Meerwasser in den Mund schwappt und er zu Husten beginnt.

      „Das kommt davon, wenn man andere ärgern will. Doch gleich wie das Kraut heißt. Davon wird man wirklich riesig? Wie riesig?“

      „Reicht dir meine Größe nicht, du neugieriger Wicht?“

      Loki ist die Fragerei leid. Zudem ist man kurz vor dem Ziel. Es rumst enorm, als die Insel an eine Eiswand stößt, die am Ende eines engen Kanals innerhalb des ewiglichen Eises ist. Hier kann sich der Vollstrecker auf das ungeheuer dick