Tom Bleiring

Schattenwelten


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      Tom Bleiring

      Schattenwelten

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Schattenwelten

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Impressum neobooks

      Schattenwelten

      Tom

      Bleiring

      Kapitel 1

      Das Waisenhaus lag am Ende einer Sackgasse, wirkte marode und baufällig, überragte jedoch die umliegenden Wohnhäuser deutlich und hing wie ein düsterer Schatten über der Siedlung am Rande von Waltham Abbey, nördlich vom Londoner Stadtkern.Die einstmals Weiß getünchte Fassade war im Laufe der Jahre ergraut, hatte Risse bekommen und fiel in großen Brocken herab , wenn starker Wind an ihr vorüber strich .Das Gelände war von einem hohen Eisenzaun umgeben, der bereits Rost angesetzt hatte und von Efeu überwuchert wurde.Das Areal um das Waisenhaus wirkte ungepflegt, der Rasen war braun und zertreten und in dem kleinen Brunnen vor dem Haupteingang verrotteten die Blätter mehrerer Jahre.Schon seit langer Zeit sprudelte daraus schon kein Wasser mehr.Die Anwohner bemitleideten die Kinder, die hier lebten, denn in ihren Augen konnte es wohl kaum einen trostloseren Ort geben als das Waltham Orphanage.Gelegentlich sah man eines der Kinder über den Rasen laufen , doch Mrs. Carver , die strenge Leiterin des Heimes , war stets zur Stelle und rief es mit strenger Stimme zurück .

      Überhaupt gab es im Waisenhaus recht wenige Kinder, zumindest im Vergleich mit einigen Häusern im Süden der Metropole London.Nur sehr selten erschienen die Polizei oder das Jugendamt, um ein elternloses Kind hier unterzubringen.

      Wer sich jedoch hierher verirrte, betrat durch die schmale Vordertür einen kalten und leeren Hauptsaal, von dem aus mehrere Gänge und Treppen in die Tiefen des großen Hauses führten.

      Direkt am Eingang befand sich eine Pförtnerkabine, doch schon seit Jahren gab es niemanden mehr, der diese Funktion wahrnahm.Staub und Spinnenweben waren inzwischen dort eingekehrt, bedeckten alles mit einer grauen Patina und ließen jeden Putzwilligen angeekelt von seinem Vorhaben Abstand nehmen.

      Das Büro von Mrs. Carver lag gegenüber des Pförtnerkabuffs.

      Die Tür stand immer offen, damit die Heimleiterin stets ein Auge auf den Eingangsbereich haben konnte.

      Sie war Ende Fünfzig, groß und hager, trug ihr ergrautes Haar zu einem festen Knoten gebunden und kleidete sich stets in ein graues Kleid.

      Mrs. Carver hasste ihre Arbeit, wie sie auch Blumengärten, Lachen und fröhliche Feste hasste.

      Das Leben im Kinderheim hatte sie emotional verdorren lassen, was sie jedoch nie bedauert hatte.

      Sie behandelte die Menschen in ihrem Umfeld so , wie sie es verdienten , dachte sie .

      Und da niemand Anteil nahm an ihrer schweren Bürde, war es nur natürlich, dass niemand eine freundliche oder gar herzliche Behandlung verdiente.

      Nie hatte sie Zeit gefunden für Freunde oder Familie, hatte niemals Urlaub gemacht oder sich einen freien Tag gegönnt, und während sich ihre Kolleginnen genau solchen Dingen zuwandten und irgend wann das Heim verließen , war Mrs. Carver immer vor Ort, immer präsent.

      Sie war das Heim, denn sie schien das Haus auch nach Dienstschluss nie zu verlassen, übernahm alle wichtigen Aufgaben und wurde eines Tages zur Leiterin ernannt, weil sich sonst niemand um diesen Posten in diesem heruntergekommenen Heim beworben hatte. Derzeit hatte sie die Aufsicht über sechs Jugendliche, von denen Zwei kurz vor ihrer Volljährigkeit standen und das Heim dann verlassen mussten , wenn sich keine Adoptiveltern finden würden. Das Gesetz sah für solch einen Fall vor, dass die verbliebenen Kinder dann auf andere Heime umverteilt und das Heim dann geschlossen würde. Mrs. Carver machte sich deshalb keine Sorgen, denn solch ein Verhalten war ihrem Wesen völlig fremd, doch es regte sich schon ein gewisses Unbehagen in ihr, wenn sie an die Schließung des Waltham Abbey – Kinderheimes dachte. Sie saß in ihrem Büro und starrte auf ein paar Unterlagen, die vor ihr auf dem Schreibtisch lagen . Diese betrafen die Familie Miller, die sich an das Heim gewandt hatten und einen Jungen adoptieren wollten. Mister Miller war ein wohlhabender Industrieller aus London, seine Gattin arbeitete im Marketingbereich, und beide wünschten sich nun Familienzuwachs. Allerdings sollte der entsprechende Junge so nahe am Erwachsenenalter sein wie möglich, da die Miller’s sich nicht mit dem Gedanken anfreunden konnten , ein kleines Kind erziehen zu müssen. Und es gab nur einen Jungen in Waltham, auf den diese Wünsche zutrafen. Sein Name war Duncan Dafoe und er war ein Findelkind. Jemand hatte ihn vor die Tür des Heimes gelegt, zusammen mit einer Karte, auf der nur dieser Name zu lesen war. Wäre dies nicht in einer Silvesternacht geschehen, so wäre der Junge sicherlich erfroren, denn nur in der Neujahrsnacht war es den Kindern gestattet, nach Einbruch der Dunkelheit das Heim zu verlassen, um das Feuerwerk zu beobachten. Bei dem Gedanken an Duncan fröstelte sogar die kalte Mrs. Carver, denn irgendetwas an dem Jungen flößte ihr Angst ein. Dabei war Duncan ein absolut unauffälliges Kind gewesen, dass nie irgendwelche Schwierigkeiten gemacht hatte und auch nie krank gewesen war, was an sich schon Grund zur Besorgnis gab. Stattdessen war er ein eifriges, lernbegieriges, wissensdurstiges Kind, klug und höflich, aber nie vorlaut oder überheblich. Mrs. Carver hatte Ansichten, besonders in Hinsicht auf Eigenschaften und Vererbung. Ganz klar wurden ihrer Meinung nach Höflichkeit, Anstand und Etikette mit vererbt, denn gute Familien blieben gute Familien , auch wenn ab und an mal ein faules Ei dazwischen war. Doch dieser Grundsatz geriet ins Wanken, denn Duncan, der Findling einer Silvesternacht, wies all diese Eigenschaften auf, aber er bleib dennoch ein Findelkind. Welche gute Familie, welches gute Elternhaus aber setzte seine Kinder aus ? Sie bemerkte eine Bewegung an der Tür und blickte von den Unterlagen auf. Duncan stand dort und schien darauf zu warten, hereingebeten zu werden. Er war groß gewachsen, schlank und hatte glattes braunes Haar, welches lang genug war, um ihm bis vor die Augen zu reichen. Er hatte es sorgsam zu einem Rechtsscheitel gekämmt und seine blauen Augen sahen auf Mrs. Carver. Sie winkte den jungen Mann zu sich und hieß ihn Platz zu nehmen. Duncan gehorchte wortlos und setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. Die Heimleiterin lehnte sich etwas zurück und fixierte ihn mit einem strengen Blick. >>Duncan, << begann sie schließlich,>> wie du ja weißt, wirst du in knapp zwei Monaten achtzehn Jahre alt. Das Gesetz schreibt vor, dass du dann unser Heim verlassen musst. Du warst immer ein guter und gehorsamer Junge, daher möchte ich dir eine letzte Chance geben, doch noch in eine gute Familie zu kommen. Morgen Vormittag besuchen uns die Miller’s, ein Ehepaar aus London. Sie suchen schon eine ganze Weile nach einem Jungen wie dir. Trotz deiner natürlichen Qualifikationen ist es mir immer noch ein Rätsel, warum sich bisher nie jemand für dich entschieden hat. Ich möchte dich daher bitten, morgen ganz besonders nett zu diesen Leuten zu sein. Ich weiß