Das Laden ging gleich los. Geschütze, Fahrzeuge, Pferde, dann die Soldaten, in Sommeruniformen gekleidet. Man sagte uns: „Die haben Erlaubnis, durch Russland zu marschieren, um die Engländer aus dem Iran zu vertreiben. Die Toilettenreihen waren nur an Backbord (von Land abgewandte Seite). So sind wir dann am 25.05.1941 ausgelaufen - Bestimmungshafen Vaasa in Finnland. Die Fahrt verlief ruhig bis zu den Aaland-Inseln. Die waren ja seit 1939 den Finnen abgenommen und von den Russen besetzt. In Sichtweite der Geschütze haben wir die Inseln passiert. Kein Soldat durfte an Deck. Für die Russen sollte unser Schiff als ein ganz gewöhnlicher Tramper erscheinen. Von den russischen Posten ausgiebig beäugt, zogen wir unsere Bahn. Es war am späten Nachmittag nicht mehr ganz so hell, als wir die Inseln passierten. In Vaasa wurden wir dann von den Menschen freudig begrüßt, und sie sagten: „Oh, jetzt geht es den Russen endlich an den Kragen“, was wir aber nicht glaubten.
Wir hatten eine sehr schöne Zeit, vor allem gefielen uns die finnischen Frauen, die Schauermannsarbeiten gemacht haben - eine herrliche Sommerzeit! Nur die Mücken haben uns bald aufgefressen.
Anschließend ging die Reise rüber nach Lulea in Schweden, um Erz zu laden. Dort war Frieden, und es gab alles zu kaufen. Wir erhielten täglich für 10 Reichsmark Devisen; für meine 25 RM Heuer reichte es für 2½ Tage, aber länger waren wir auch nicht da. Ich kaufte mir eine Agfa-Box für 15 Kronen, Filme und Schokolade satt.
In den schwedischen Hoheitsgewässern ging es zurück nach Stettin. Das Erz wurde gelöscht – und anschließend gleich wieder Truppen geladen – wie bei der ersten Reise.
Wieder war unser Bestimmungshafen Vaasa. Wir haben uns sehr auf die nächste schöne Hafenzeit gefreut. In der Nacht zum 22.06.1941 sollten wir die Aalands passieren. Um 20:00 Uhr Alarm: Alle Lichter löschen. Wir fuhren ja sonst immer unter voller Beleuchtung. Was war los? Kurs Gegenkurs - volle Kraft voraus und ab! Es begann der Krieg mit Russland. Das war ein Schlag für uns. Als es hell wurde, hatten wir genügend Abstand von den russischen Geschützen. In schneller Fahrt ging es weiter.
Wir haben dann Oslo angelaufen. Hier gingen die Truppen an Land. Nach Tagen Laden der Truppenteile nach Bergen, danach in Ballast nach Narvik, um Erz zu laden. Etliche Zeit brauchten wir im Geleit für die Reise nach Emden. Hier wurde unser Schiff umgebaut: Flakstände – Vierling - auf der Back, achtern eine Zwei-Zentimeter- und je in den Nocken eine Kanone, zwei Fesselballone an den Masten, vier Raketenwerfer. Es kamen 32 Flaksoldaten an Bord. Die Bewaffnung änderte sich von Zeit zu Zeit, und es gab Zeiten, in denen wir ohne Waffen fuhren. Die MES-Anlage wurde verstärkt: „Spargel“ mit Geräuschboje gegen Geräuschminen. So waren wir voll ausgerüstet. Nach längerer Liegezeit ging es nach Stettin.
Eine ganze Gebirgsjägereinheit mit Mulis, zerlegbaren Geschützen und voller Ausrüstung kam an Bord. Mit 1.500 Mann ging es nach Kirkenes. Es wurde eine ganz ruhige Fahrt nach Kristiansand bei schönem, sonnigem Wetter. Da staunten wir, was für Ehren uns zugedacht wurden. Wir waren nur mit zwei Dampfern, hatten aber eine aufwendige Begleitung: Artillerieschulschiff „BREMSE“ (hatte ganz neue 10,5 an Bord), vier große Vorpostenboote und am Tage zwei Flugzeuge. So fühlten wir uns sozusagen „in Abrahams Schoß“ geborgen. Es ging auch alles glatt. Etliche Male gab es U-Boot-Alarm mit Wasserbombenabwürfen, etliche Fliegeralarme, aber ohne Angriff. Es war ein richtig stolzes Gefühl, dass uns keiner etwas anhaben konnte, wenn unsere Jäger im Tiefflug an uns vorbei jagten, in einer großen Kurve am Horizont wendeten und wieder zurücksausten. So ging es immer bis in die Abenddämmerung, die ja in dieser Zeit spät begann. Danach flogen sie wieder nach Hause.
Dann aber passierte es in der Nähe von Trondheim an einem sonnigen Mittag. Ein Jäger flog im Tiefflug an uns vorbei, zog vor uns steil in den Himmel – und stürzte nach einem Looping mit heulendem Motor in die See. Ich dachte, mir bleibt das Herz stehen. Ich war als Ausguck auf der Back, ca. 300 Meter vor uns eine Explosion, Granaten schossen aus dem Wasser – das war ein Schock! Die Flagge ging auf Halbmast, es war sehr traurig. So setzten wir die Fahrt fort, und wir hofften nur, es werde trotz dieses schlechten Omens weiterhin gut gehen.
In der Nacht vom 6. auf den 7. September 1941: Es war stockfinster und muss gegen 23:00 Uhr gewesen sein. Ganz kurz voraus ein gewaltiges Aufblitzen, es wurde taghell, die Luft war voller gurgelnder Geräusche, weit hinter uns heftige Explosionen. Auf einmal war die Hölle los! Es war vor dem Eingang zum Porsanger-Fjord. Die BREMSE hatte sofort losgefeuert. Es hörte sich an wie das Bellen eines kleinen Kläffers gegen eine Bulldogge. Die Vorpostenboote haben gleich genebelt, wir fuhren hart Steuerbord. Unser Glück war, dass wir zu dicht dran waren. So ist der ganze Segen weit hinter uns in den Bach gegangen. Dann hörten wir, dass es die englischen Kreuzer „NIGERIA“ und „AURORA“ waren. Unsere Begleiter haben sich tapfer geschlagen und auch etliche feindliche Schiffe beschädigt. Aber im Morgengrauen des 7. September hat der Kreuzer NIGERIA die BREMSE gerammt und unter Wasser gedrückt. Über die Verluste haben wir nichts erfahren, aber ich glaube, die gesamte Besatzung von 160 Mann ist umgekommen.
Wir liefen so tief in den Fjord hinein, wie es möglich war. Unsere größte Befürchtung war, dass die Engländer uns verfolgen könnten. Zwei Tage später haben wir in Hambukt an einer kleinen Holzpier angelegt, die für die Postdampfer bestimmt war. Jetzt begann das Löschen der Truppen und des Materials, was sich sehr schwierig gestaltete. Die Pier reichte nicht mal für eine „Halbe Länge“. So mussten wir dauernd hin und her verholen. Nach etlichen Tagen war alles an Land - was heißt Land? An den Felsen klebten nur so genannte Eselspfade. So hatten wir die Schlange der ausgeladenen Soldaten noch lange im Gesichtsfeld. Bei uns herrschte immer höchste Alarmstufe, alles klar zur Selbstversenkung.
Kurt Krüger (mit Hut) in Norwegen auf der „TAUTENFELS“
Es war ein herrliches schönes Herbstwetter, aber uns war gar nicht gut zu Mute. So lagen wir hier fast drei Wochen. Ab und zu erreichte uns die Nachricht: „Wieder ein Postdampfer an der Küste versenkt!“ So hieß es nur hoffen und warten. Ende September, abends 18:00 Uhr, es war noch hell, schoben sich plötzlich drei Zerstörer um den Felsen. Alarm! Alarm! Die Spannung war bald unerträglich. Der 1. Ingenieur hatte den Finger am Zündknopf. Als die Brücken zum Vorschein kamen, gab es Erleichterung. Erkennungssignale hoch! Es waren ganz neue deutsche Zerstörer der Narvik-Klasse, die von der Kanalküste kamen. Jetzt nahmen diese uns unter ihre Fittiche, und es ging gleich ab nach Narvik, um Erz zu laden.
Es wurde eine Fahrt ohne Hindernisse bis Emden, hat aber etwas lange gedauert. Nach dem Löschen sind wir in Ballast nach Stettin gefahren.
Stettin
Dort haben wir einige Zeit in Frauendorf vor Order gelegen. Dann folgte eine volle Ladung mit Gebirgsjägern mit Bestimmungshafen Kirkenes. Mitte November ging es los. Wir sind mit großem Geleit von ca. zehn Schiffen durch den Kleinen Belt gelaufen.
Dann am 21. November 1941 in stockfinsterer Nacht: Es gab einen ungeheuren Schlag an Backbord. Ich sauste aus der Koje, das Licht blieb zum Glück an. Der Dampfer hatte erst Schlagseite nach Steuerbord, dann Backbord. Ein Gewimmel von Soldaten. Ich schlug mich zum Bootsdeck durch. Da sah ich einen riesigen Schatten. Ein gewaltiger Steven steckte in unserer Luke IV. Ironie des Schicksals: Es war unser Kompaniedampfer „BÄRENFELS“, auch voller Truppen. Das Geleit war von Hamburg durch den Großen Belt und oberhalb von Kopenhagen gekommen. Da schoss ein Geleit durch das andere. BÄRENFELS voll zurück und ab, jeder Aufenthalt war ja gefährlich.
Bei uns floss und brodelte das Wasser in den Raum, ein Leck von 1,5 x 7 Metern. Die Soldaten waren kopflos, es sollen sogar etliche von Bord gesprungen sein. Aber bei uns herrschte eiserne Disziplin. Erste Anordnung: „Klar bei Lecksegel!“ Es dauerte nur kurze Zeit, da ging ein Lumpensammler - ein leer fahrendes Schiff mit sämtlichen Retternetzen an Bord - längsseits. Außenbords Kletternetze. Das klappte dann so gut, dass in ganz kurzer Zeit kein Landser mehr an Bord war. Nur die Betreuer der Pferde blieben auf ihren Posten. Die armen Viecher