brach. Wir rutschten frei und warfen den anderen Anker. Mit aller Schnelligkeit, die das Wetter zuließ, haben wir den Reserve-Anker eingeschäkelt. Kaum fertig, brach der zweite Anker. Jetzt gab es Order, Hamburg anzulaufen. Dort bekamen wir auf der Werft zwei neue Anker und neue Ketten, die Reling wurde etwas gerichtet, und nach fünf Tagen ging es wieder raus.
An Bord konnte man mit der leiblichen Versorgung zufrieden sein. Gekochtes Essen gab es reichlich und gut. Nur die Feinheiten, wie Weißbrot und Obst, waren für uns Mangelware. Obst und Weißbrot gab es meistens nur für Mittschiffs. Das hatten wir aber schnell spitz. Wir nahmen immer für Monate Proviant an Bord, alles per Hand über die Gangway, dabei die tollsten Sachen: Pfirsich, Ananas, Mirabellen in Dosen. Einer stolperte, die Dosen fielen an Deck, ein Fußtritt und die Dosen landeten unter den Steemplanken. Abends das große Sammeln, im Nu war ein Eimer voll. Die Hansa-Dampfer hatten über dem Logis riesige Windhutzen (Ventilator), damit niemand einsteigen konnte, waren versetzte Steege angebracht. Ein Sack, ein Tampen und der Fahrstuhl war fertig. So haben wir unsere Kostbarkeiten auf und ab gefiert. Hat über eineinhalb Jahre niemand etwas gemerkt. Auf dem nächsten Schiff in Frankreich und Spanien hatten wir in punkto Versorgung ein Schlaraffenland, keine Klagen und Beanstandungen.
Kurt Krüger auf der „Absauftonne“, die bei Versenkung die Lage des Wracks kennzeichnen sollte.
Verlust der „TRAUTENFELS“
Am 10.12. 1942 merkte man bei uns: Das MES war ausgefallen. Meldung an den Geleitzugführer. Er hat uns nicht entlassen: „Fahren Sie Kiellinie Sperrbrecher!“, war die Order. Bei Dämmerung ging es los; es war ein sehr großes Geleit. Ich hatte die 12.00~18.00 Uhr Wache gehabt. Die Längsschiffs-Oberkoje war meine, mein Freund schlief unter mir. Es gab die Anordnung, immer mit Schwimmweste zu schlafen. Unsere Eisenschränke waren an der Wand festgeschraubt, um so bequem etwas drauf zu legen zu können. So hatten unsere Schwimmwesten immer schön griffbereit ihren Platz auf den Spinden. Ferner gab es die Anordnung, die Kammertür zum Mittelgang auf See offen zu lassen. Es war sehr kalt. Was soll's: Wir machten die Tür zu.
Ich wollte gerade das Leselicht löschen, da gab es einen Schlag! Ich sauste an die Decke und wieder auf die Koje runter. Die brach zusammen und fiel auf meinen Freund, der in diesem Moment bewusstlos war. Die Eisenschränke flogen durch die Kammer, das Licht war sofort weg. Eine Staubwolke – ich konnte kaum atmen. Der Dampfer hüpfte immer, als wenn man auf einem Trampolin war, es hörte nicht auf. Ich kam auf die Beine, in ein Paar Schuhe geschlüpft, meinen Freund ertastet und aus den Trümmern gezogen. Er kam dadurch zu sich. Jetzt mussten wir Schwimmwesten suchen, haben sie tatsächlich ertastet. Nun wollten wir raus. Der Boden war hochgewölbt. Die Heizungsrohre liefen unter der Türschwelle, sie waren jetzt hoch gebogen. Die Tür war dadurch versperrt.
Was für gewaltige Kräfte man in der Todesangst entwickelt, es ist erstaunlich! Mit den bloßen Händen haben wir die Dampfrohre weggerissen. Zum Glück waren die Wölbung und die dicke Schicht Holzbeton, die den Fußbodenbelag bildete, vor der Tür. Das haben wir alles in totaler Dunkelheit und mit den Händen weggerissen und bekamen so die Tür einen kleinen Spalt auf. Der Dampfer war sofort bis zum Hauptdeck abgesackt und hatte Backbord-Schlagseite, nach kurzer Zeit aber wieder auf geradem Kiel.
Wir sind sofort zu den Backbord-Rettungsbooten gelaufen, gleich rein. Das Manöver glückte wie am Schnürchen, obwohl es ca. Windstärke 7 war. Jetzt galt es, nur weg vom Sog zu kommen und mit aller Kraft zu pullen. Unser Boot wurde schon nach kurzer Zeit von einem U-Jäger geortet. Es glückte dann auch, uns an Bord zu nehmen. Ich wurde gleich in eine Maatenkammer unter der Back in die Koje gesteckt und habe mich schnell erholt.
Kurt Krüger nach der Rettung an Bord des U-Jägers. Im Hintergrund die sinkende „TAUTENFELS“
In der Morgendämmerung erneut ein Knall und eine Erschütterung. Ich sofort aus der Koje an Deck geschossen und dachte, es hätte uns noch einmal erwischt. Das war aber die Flak auf der Back. Es waren englische Aufklärer da, und die wurden abgewiesen.
Unser Dampfer, die TRAUTENFELS, schwebte noch immer, eben echte deutsche Wertarbeit von 1924. Dann am 11.12.1942 um 9:00 Uhr eine Wasserfontäne. Die Lukendeckel flogen zig Meter hoch, da war der Dampfer in drei Teile zerbrochen. Ein ungeheurer Sog entstand, so dass unser U-Jäger voll abdrehen musste.
Am 11.12.1942 um 10 Uhr ist die TRAUTENFELS gesunken. Das war das Ende unseres stolzen Dampfers TRAUTENFELS. Sofort hat unser U-Jäger abgedreht und Kurs auf Bremerhaven genommen. Was hatte ich gerettet?: Zwei Schuhe, jeder von einem anderen Paar, Knickerbocker, Pullover, Freizeitjacke, weil in der Koje angehabt. Weißer Mützenbezug, meine Agfa-Box mit Film, Kleiderbürste schwarz mit weißem Monogramm ,,AS", die ich von meiner Mutter bekommen hatte, ihr bestes Stück ,,Antonie Sameit“.
Ein damals verbotenes Foto: die sinkende TAUTENFELS“
Mit der Box hat mein Freund ein paar Bilder gemacht und in Süddeutschland entwickeln lassen. An der Küste war das Fotografieren gefährlich gewesen. Es gab damals keine Bilder von deutschen Schiffen, die untergingen, das durfte nicht sein
Über Verluste habe ich nichts erfahren, da wir nie mit der ganzen Besatzung zusammenkamen. Wir waren 74 Mann an Bord gewesen. Das waren der Einsatz und das Ende des DDG-Hansa-Dampfers TRAUTENFELS.
Dann wurden wir in Bremerhaven gelandet. Am späten Nachmittag haben wir uns im Büro der DDG Hansa gemeldet. Eine freundliche Begrüßung und Gratulation zu unserer Rettung. Aber gleich ging es zur Sache: Morgen hier antreten, dann gibt es Bezugscheine und Geld für eure Sachen. Anschließend gleich Musterung für Dampfer „ALTENFELS“ der in Stavanger lag. – „Auf Wiedersehen!“ – Wir waren platt – wo hin?
Da sind wir drei Jugendliche zur Arbeitsfront gegangen, haben unsere Situation geschildert. – „Was? So verfährt man mit euch tapferen Jungen?! Ja, die liebe Leitung der DDG Hansa fällt uns schon eine Weile auf. Na, das kommt uns gerade recht.“ Er an das Telefon und zur Hansa: „Hier sind drei Jugendliche von der TRAUTENFELS, was wollen Sie den Jungen antun? Die gehen jetzt in das Hotel „Stadt Hamburg“, bekommen volle Verpflegung und dann 14 Tage Urlaub! Alles auf Ihre Kosten! Verstanden?!“
Der offizielle Bericht über den Verlust des Schiffes:
Abschrift
Geheim
Bericht über den Totalverlust des D. „TRAUTENFELS“ auf der Reise von Hamburg nach Rotterdam. 10.12.1942
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Erhielten am 9. 10. auf Altenbruch Reede abends durch den B.0. Lt. z. S. Iburg Order, am 10. 12. um 7 h bei Cuxhaven zu sein, um in den nach Rotterdam bestimmten Geleitzug eingereiht zu werden. Kurz vor Ankerhieven 6 h 15 erhielten Meldung vom 1. Ingenieur, dass die MES-Anlage unbrauchbar sei, da im Hauptdynamo Ankerwicklung schmorten. Daraufhin wurde um 7 h nach nochmaliger Überprüfung der Anlage folgender Morsespruch ab die B.O.Station Cuxhaven abgegeben: „Auf D. TRAUTENFELS MES-Anlage ausgefallen. Erbitten weitere Order". Als Antwort hierauf erhielten wir 7 h 35 von M.S.S. Cuxhaven an D TRAUTENFELS: „Laut Befehl 5. S.D. mitlaufen“ Unterschrift: B.0. Station. Es wurde sofort Anker gelichtet und die Reise fortgesetzt. Gegen 11 h 15 reihten wir uns in den Geleitzug ein.
Die MES-Anlage war dann von 9 h 15 bis 13 h -50, und von 15 h 50 bis zum Wassereinbruch in Betrieb. Um 18 h 50 auf etwa 530 55° 3 E und 6°4850 erhielt D. TRAUTENFELS einen Minentreffer