Kurt Krüger - Herausgeber Jürgen Ruszkowski

Seemannsschicksal im 2. Weltkrieg – und danach


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Maschinenraum und zur Luke V vibrierten wie Espenlaub und drohten bei jeder Welle zu brechen. Alle Mann in die Räume, außer uns unter Achtzehnjährigen, wir mussten den ganzen Splitterschutz vom Peildeck und Vorkante Brücke und über Skylight abreißen, alle Balken und Bretter runter geben. Damit wurden die Schotten abgestützt. Unsere Pumpen liefen auf vollen Touren, schafften aber nichts. Das Schiff schwebte. Die Lecksegeldrähte unter dem Schiff durchgezogen. Eine gefettete Persenning hatten wir als Lecksegel immer bereit, um das Schiff damit abzufangen. Dann setzte Kapitän Fröhlich den Dampfer bei Hundestedt auf flaches Wasser. So lagen wir bis zum Zwischendeck im Wasser. Die Schotten haben gehalten. Anderntags kamen Bergungsschlepper aus Kopenhagen, haben gepumpt und uns nach Kopenhagen geschleppt. Ein großes Aufatmen! Die Werft setzte uns einen mit Eisen verstärkten Holzkasten über das Leck. So sind wir Anfang Dezember nach Hamburg gelaufen.

      Über Weihnachten hatte die ganze Crew Urlaub, außer einem Offizier, einem Matrosen und uns zwei Jungmännern. Der Matrose hatte etliche Flaschen „Aquavit“ an Bord, dafür wollten wir in Norwegen Fische (Heringe) tauschen. Jetzt saß er mit der Ware da. Am Heiligabend hat er uns zur großen Feier eingeladen. Am zweiten Feiertag nachmittags bin ich splitternackt aufgewacht, vor Kälte bibbernd, denn auch die Bullaugen waren offen. Das hat mir das Leben gerettet. Der Matrose war ein Gastwirtssohn, der wusste, wie man mit Schnapsleichen umgeht. Er hat aber die ganze Zeit Blut und Wasser geschwitzt. Die „Moral von der Geschicht“: Ich habe bis heute keinen Tropfen Aquavit mehr getrunken, ich kann ihn nicht mal mehr riechen.

      In Hamburg haben wir keinen Werftplatz bekommen. So ging es am 10. Januar 1942 nach Stettin. Mit Eisbrecher-Hilfe haben wir uns durchgeboxt. Am 5. März 1942 waren wir wieder einsatzfähig. Es ging nach Hamburg, um schweres Gerät zu laden: Transportwagen, 16 Achsen, Fieseler Storch, usw. nach Bergen. Wir sind das erste Mal außen herum gefahren. Auf Höhe der dänischen Grenze, es war ein sonniger Sonntag, an Backbord lief der Dampfer „EIDER“ mit uns. Ich stand an der Reling und beobachtete die ruhige See und die friedliche Formation. Da machte die EIDER einen Satz aus dem Wasser, eine Wassersäule an Backbord, dann war erst der Knall zu hören. Was weiter geschah, weiß ich nicht. Das Geleit im Zickzack voraus.

      Wir sind gut in Bergen angekommen, haben dann laufend Versetzfahrten gemacht, Bergen-Tromsø, Bergen-Alta. Bergen war sozusagen unser Einsatzhafen, lagen auch auf Order in den Fjorden, eine ganze Zeit im Hardanger-Fjord bei Alvik. Da gibt es unheimlich viele Kirschen. Das ging so bis Juni - eine richtig erholsame Seefahrt.

      Eines Tages kam die Order: „Oslo in Ballast“, dann Geheim-Order Ostsee. Wo landen wir? In Danzig. Es war bis jetzt ein richtiges Vergnügen zur See zu fahren. Das verging mir aber mit einem Schlag. Es wurden Züge an den Kai geschoben, mit verschlossenen Türen und mit Stacheldraht vergitterten Luken. Es sprangen Soldaten aus den Begleitwaggons, MG wurden aufgestellt, Bewacher an den Wagen patrouillierten. Aus den Luken wurde auf die Köpfe der Soldaten uriniert. Was war da bloß los? Etliche Offiziere kamen an Bord, wir mussten alle antreten und erhielten eine Aufklärung: „Das ist das Bewährungs-Bataillon 500, alles Feiglinge und Verräter, die sind so gefährlich. Wir dürfen nicht mit ihnen sprechen, ihnen nichts geben“ usw. „Der Führer hat befohlen, dass diese Leute sich bewähren sollen und nicht auf dem Rücken tapferer Soldaten im Lager schmarotzen.“ So etwa war der Sinn der Ansprache! Die Sträflinge sollten unter harten Bedingungen die Eismeerstraße nach Finnland bauen.

      Dann gingen die Schiebetüren auf, eine graue Masse quoll heraus – Uniformen ohne Hoheitsabzeichen. Ihnen wurde gesagt, wenn eine Sabotage passiere, würden die Luken fest verschlossen und es komme niemand mehr heraus. Die Matratzen hatte man vorher schon alle raus genommen, nur auf den rohen Holzpritschen mussten die Leute liegen. Dann ging es unter strenger Bewachung an Bord gleich in die Luken. Bis auf einen kleinen Schlitz wurden sie verschlossen. Die Horror-Reise begann. Zweimal am Tag für eine halbe Stunde durften die Männer gruppenweise an Deck Essen empfangen und zur Toilette. Ein paar Leute durften arbeiten, wir haben mit ihnen zusammen Rost geklopft. Sie waren sehr hungrig, und so haben wir ihnen heimlich unter der Hand etliches zugesteckt. Ganz schlimm war es in der Nacht. Wenn wir auf Wache gingen, musste man an allen Ecken Parole sagen.

      So ging es tagelang. Es war zum Glück eine ruhige Reise, was die Feindbelästigungen betrifft. Wir erreichten unbehelligt Vadsø, wo wir unsere Horrorreise beendeten. Das Löschen ging auch glatt, und danach durch unsere Crew ein Aufatmen.

      Dann pendelten wir zwischen Tromsø, Bodø, Trontheim und Bergen. Ende August 1942 wurde in Narvik Erz geladen, anschließend schlichen wir uns nach Emden, alles verlief bestens.

      Eines Tages kam unser Kapitän blass wie der Tod von Land, er hatte das Los dazu gezogen: Ein Kapitän für Ausrüstung und Proviant, der andere für den Transport von Munition. Wir waren für die Munition vorgesehen! Den Namen des zweiten Schiffes weiß ich nicht mehr, es könnte „ALDEBARAN“ geheißen haben. Alle verheirateten Leute mussten Testamente machen, alle Wertgegenstände wurden deponiert. Na, es war ein Gefühl wie Weihnachten ohne Christkind.

      Dann rollten die Waggons an: Granaten von 2 bis 42 cm, Raketen, Bomben, was es nur an Teufelszeug gab - alles in allem 10.000 Tonnen. Die Granaten wurden lose wie Ziegelsteine Schicht auf Schicht gestapelt, dazwischen etwas Stroh, die nächste Lage bis unter Deck. Zuletzt kamen Leute mit festen Säcken auf dem Rücken, in denen die Zünder waren, alle in kleinen Kästchen, die mittschiffs im Brückendeck gelagert wurden. Bei diesen tagelangen Ladearbeiten hatten wir auch fast täglich Fliegerangriffe. Die wurden aber immer mit wahnsinnigem Flakfeuer abgewehrt.

      Dann ging es los. Das einzig Gute war die Fahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal. Es war das erste Mal, dass wir in einem Rutsch in 10 Stunden hindurch rauschten, sonst hatte man zwei- bis dreimal Weichen. Unter sehr starkem Geleit schlichen wir dann von einem Fjord in den anderen, und alle Meldungen von Feindbewegungen wurden ernst genommen. Lieber krochen wir durch die Inselwelt, als die Nase zu weit raus zu stecken. Aber dann bei Bodø war das Versteckspiel zu Ende – dort ist freie See. Und schon waren sie da: sechs englische Flugzeuge im massierten Angriff. Aber die richtige Traute hatten die zum Glück nicht; sie überflogen uns immer von dwars her. So ging ständig eine Bombe an Backbord, die nächste an Steuerbord in die See, die an unseren Seiten kochte. Auf uns wurden 15 Bomben geworfen. Die müssen genau gewusst haben, dass wir die schwimmende Bombe waren, denn auf unseren Nachbarn warfen sie nur eine, und die traf. Es war dort wenig Schaden entstanden, aber ein Toter, der Koch, war zu beklagen. So waren wir mit dem Schrecken davongekommen. Unser Deck war übersät mit 2-cm-Hülsen von unserer Flak. Dann tauchten wir wieder in die Schärenwelt, und die weitere Fahrt verlief ziemlich ruhig. Es gab etliche Alarme, aber sie blieben ohne Folgen. Dann eine stockdunkle Nacht bei Vardø. Man meldete russische Torpedo-Schnellboote. Sie griffen an, und es krachte auch einige Male an den Felsen, aber bei uns gab es keine Verluste. Wir erreichten Kirkenes.

      Unser Bestimmungshafen war Petsamo. Das hat man aber abgebogen. Wir waren zu groß, um die Passage zwischen der Fischerhalbinsel zu wagen. Die Enge war mit russischen Geschützen in Felshöhlen bespickt. So entschloss man sich, unsere Ladung in Kirkenes auf Leichter zu verfrachten. Es ging los: Hinter einer Insel vor Anker und an Backbord und Steuerbord Leichter längsseits. Kaum war es Nacht, war der erste russische Aufklärer da, warf Leuchtbomben, und alles war taghell. Wir die Anker sofort auf und mit dem ganzen Pulk hinter die nächste Insel. Etwa 20 Minuten später waren die Bomber da und legten einen Eiersegen auf unseren alten Platz. So standen wir immer die ganze Zeit klar bei Anker. Drei- bis viermal die Nacht ging es so, aber am Tage war es ziemlich ruhig, da es sehr viel Flak rund herum auf den Bergen gab. So ging es Nacht für Nacht. Wir waren so fertig, dass wir nur noch zu unserer Wachzeit aufgestanden sind. Es ging immer um die Frage: „Wie oft waren die Bomber schon da? Anker rauf, und die Bombardierungen haben wir gar nicht mehr mitbekommen. So ging es fast 30 Tage lang. Etwa 120 Angriffe hatten wir in der Zeit, aber es ist uns nichts passiert. Dieser „Hafen“ war ja zum Glück ein unübersichtliches Inselmeer.

      Es war für uns ein großer Feiertag, als die letzte Granate über Bord gehievt worden war. Wir sind dann unbehelligt nach Narvik zum Erzladen gekommen. Im Schleichgang dampften wir anschließend der Heimat zu, Bestimmungshafen war Rotterdam. Am 1.12.1942 war ein schlimmes Wetter mit Orkanstärke. Wir erreichten die Reede von Cuxhaven. Eine unübersehbare Menge Schiffe lag da vor Anker. Wir gingen auch vor Anker und