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ISBN 978-3-8442-5003-9
Umschlagfoto: Jochen Schönfeld
© 2013 by Dr. Feelbook, Mainz
Alle Rechte vorbehalten
Published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Von: meretseger
Betreff: gestern
Datum: 7. Mai 2011 9:05:11 MESZ
An: sundowner
Hatte ich zu viel versprochen?
Von: sundowner
Betreff: Re.: gestern
Datum: 7. Mai 2011 9:09:11 MESZ
An: meretseger
Zu viel? Ich bitte Dich ... Du hattest viel zu wenig versprochen. So sehr Du Dich auch bemüht hast, viel zu versprechen. Doch manchmal werden Worte der Wirklichkeit einfach nicht gerecht. Hast Du eine Ahnung, wie schwer es für mich heute Morgen ist, einen klaren Gedanken zu fassen? Ich bin einfach noch zu überwältigt.
Und, ehrlich gesagt, auch ganz schön ausgepumpt ...
P.S.: Ich hoffe, es ist für Dich Ordnung, dass wir uns jetzt duzen ...
Von: meretseger
Betreff: Re-2: gestern
Datum: 7. Mai 2011 9:37:11 MESZ
An: sundowner
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich BEMÜHT habe, Ihnen viel zu versprechen. Was das „Du“ angeht: SIE scheinen nicht begriffen zu haben. Schade eigentlich ...
Und was für ein schäbiges Wort. „Ausgepumpt“. Ich kann mich erinnern, in unseren ersten Briefwechseln haben Sie sich mal als Romantiker bezeichnet ...
Ich bin enttäuscht.
Von: sundowner
Betreff: Re-2: gestern
Datum: 7. Mai 2011 9:48:11 MESZ
An: meretseger
Sehr geehrte Meretseger,
bitte entschuldigen Sie, wenn ich Sie verärgert habe. Sie haben sich natürlich nicht bemüht, mir etwas zu versprechen. Ihr Versprechen – eigentlich war es ja nicht einmal das, eher eine Einladung, aber Sie haben in Ihrer Eingangspost auch selbst das Wort „versprochen“ gebraucht – kam Ihnen absolut mühelos über die Lippen, beziehungsweise es floss Ihnen absolut mühelos aus den Fingern. Ich bin überzeugt, alles in Ihrem Leben glückt Ihnen so mühelos.
Entschuldigen Sie bitte erst recht meine idiotische Idee, Ihnen das „Du“ anzutragen. Mittlerweile habe ich verstanden: Die Distanz zwischen uns zu belassen, gehört zu den vielen Dingen, die „es“ zwischen uns so interessant, so aufregend, so spannend, so einzigartig, so Ich-weiß-gar-nicht-was-sonst-Noch machen? Habe ich recht? Ich schwöre, ich werde niemals wieder etwas so Törichtes vorschlagen ...
Von: meretseger
Betreff: Re-3: gestern
Datum: 7. Mai 2011 10:07:11 MESZ
An: sundowner
Wie devot Ihresgleichen doch immer gleich wird, wenn er seine Felle davonschwimmen sieht. Schämen Sie sich ...
Von: sundowner
Betreff: Re-3: gestern
Datum: 7. Mai 2011 10:13:11 MESZ
An: meretseger
Entschuldigen Sie bitte auch meine Unterwürfigkeit. Aber seien Sie bitte nicht so streng mir. Ich bin einfach nur verwirrt nach diesem überwältigenden Erlebnis und möchte nichts falsch machen. Vor allem nichts Falsches schreiben.
Von: sundowner
Betreff: hallo?
Datum: 7. Mai 2011 12:05:17 MESZ
An: meretseger
Hallo? Ist da noch jemand?
Von: bigapple
Betreff: Hi!
Datum: 7. Mai 2011 19:05:11 MESZ
Hi, Brunomaus!
Ich bin’s – Deine Vera! Mit neuem Nick! Passt, oder?
Ich dachte, ich meld mich mal, weil Du es von Dir aus ja sowieso nicht tun wirst. Oder erst an Weihnachten. Also: Ja, ich bin gut angekommen und auch gut aufgenommen worden. Lower Manhattan sieht genauso aus, wie Du es aus dem Vorspann von „Kojak“ kennst, halt ohne WTC.
Nur wirkt es halt völlig anders, wenn man nicht mit Hubschrauber drüberfliegt und von oben in die Häuserschluchten schaut. Wenn Du da unten stehst und an den Fassaden hochblickst, fühlst Du Dich einfach nur mickrig. Dunkel ist es, auch mitten am Tag, verdammt dunkel. Der Himmel öffnet sich Dir nur in länglichen Quadraten zwischen Wolkenkratzerkanten. Und laut ist es, verdammt laut.
Das hört sich jetzt vielleicht nicht sehr gemütlich an, aber das sind nur erste Eindrücke. Keine Angst, ich bereue nichts. Bald werde ich mich nicht mehr klein fühlen in dieser Stadt, das verspreche ich Dir. I wanna be a part of it ...
Ich weiß nur noch nicht, wann ich das sein werde.
Im Moment sind meine Tage in der Bank noch so stressig, dass ich meistens direkt ins Bett falle, wenn ich abends nach Hause komme, meistens so gegen neun. The city that doesn’t sleep kann ich noch nicht in vollen Zügen genießen, noch brauch ich meinen Schlaf. Die Leute in der Bank geben sich wirklich Mühe, mich schnell einzuarbeiten. Ich glaube, sie sind bis jetzt ganz zufrieden mit mir. Die Vorbereitungskurse in Wirtschaftsenglisch waren Gold wert, aber jetzt wird mein Englisch richtig gut, es geht eben nichts über permanenten Gebrauch im Alltag. Ich bin sicher, in einem Jahr spreche ich ohne jeden Akzent, vielleicht ja sogar New Yorker Dialekt. Der soll aber, wie man mittlerweile sagt, im Aussterben begriffen sein, die Jungen sprechen ihn immer weniger.
Fürs Erste haben sie mich in der Wohnung meiner Vorgängerin untergebracht. Ich muss dort aber nicht bleiben. Wenn ich möchte, helfen sie mir was anderes suchen. Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, ob’s mir hier gefällt, oder zumindest noch nicht. Ist ein Einzimmer-Appartment, immerhin aber fast 40 Quadratmeter, nicht schlecht eigentlich. Und ich kann jeden Morgen zu Fuß zur Arbeit gehen, die anderen sind alle eine Ewigkeit mit der U-Bahn unterwegs. Ich hab mir bis jetzt allerdings lieber was Eigenes gesucht, doch wem erzähl ich das.
Willst du jetzt hören, dass ich Dich vermisse? Ich sag mal so: Wenn’s so wäre, würde ich’s nicht sagen, Du weißt, warum. Weil ich nach wie vor überzeugt bin, dass wir das Richtige tun.
Revidieren möchte ich mich eigentlich nur in einem Punkt: Dass wir uns ein Jahr lang nur schreiben, nicht sehen wollen. Das passt irgendwie nicht mehr ins 21. Jahrhundert, finde ich. Hin und wieder könnten wir schon mal skypen, denke ich. Damit ich sehe, dass Du nicht verlotterst. Oder verfettest. Du kannst doch nicht erwarten, dass ich in der Woche vor unserem Wiedersehen George und Brad von der Bettkante schubse, weil ich niemand anderen