Michel Faucon

Touch only


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ebenfalls sehr erregend fand, bin dem übrigens das erste Mal seit bestimmt zwanzig Jahren – damals, fürchte ich, im Autokino – wieder begegnet. Glaube übrigens nicht, dass er von Natur unbehaart ist, er tut bestimmt was dafür, gehört zu seiner Körperpflege, kannst Du Dir eine Scheibe von abschneiden. Er hat kein Gramm Fett am Leib, aber keine aufgepumpten Muskeln, offenbar hält er sich nicht im Fitnessstudio, sondern mit Joggen fit. Er ist am ganzen Körper gut gebräunt, obwohl Sonnenstudio nicht zu ihm passt. Vielleicht finde ich ja noch heraus, wo er seine Ganzkörperbräune herhat. Vielleicht joggt er ja nackt.

      Narben und Tätowierungen, von denen Du jetzt vielleicht gerne hören willst, hat er keine. Das heißt, am Oberarm, direkt neben der Schulter, hat er so ein Mal – da scheint ein Schnitt nicht richtig verheilt zu sein.

      Noch was? Wir sind die ganze Zeit auf der tabakfarbenen Couch geblieben. In seinem Wohnzimmer. Also unmittelbar vor der gläsernen Wand. Vor der abendlich erleuchteten Skyline. Ich kam mir vor wie der Star einer Peepshow.

      Und soll ich Dir noch was verraten? Ich fand das einfach geil. Das heißt, zuerst schoss es dem German Frollein vom Lande natürlich schon durch den Kopf: Was ist, wenn all die Leute da draußen jetzt zuschauen? Wenn hinter jedem Lichtlein auf diesen schwarzen Quadern, die sich da vom Nachthimmel abheben, jetzt jemand steht und euch zusieht? Als sich Marks schöner Mund dann aber zwischen meinen Beinen wohlzufühlen begann, war’s mir endgültig egal. Und als ich ihn auf die Couch zurückgezogen, seinen Rücken in die Polster gedrückt hatte und auf ihm ritt, machte die Vorstellung mich nur noch scharf: Sollten sie sich ihre Nasen doch an den Fensterscheiben platt drücken, ihre Operngläser hervorkramen und ihre Teleskope neu fokussieren, ich biete ihnen die Show ihres Lebens. Das Frollein aus Germany zeigt’s euch, New York, ich komme ...

      I’m coming now, I’m coming now to reward them, first we take Manhattan, than we take Berlin ...

      Um ein Haar hätte ich meinen Mark glatt zu Schanden geritten. Als ich merkte, dass ich ihm zu stark zusetzte, litt er schon heftig unter Atemnot und hatte bereits die Farbe gewechselt. Also stieg ich ab, obwohl ich nur noch ein Schmetterlingsflügelschlag weit davon entfernt war zu kommen, und ließ ihn verschnaufen. Ich lag auf dem Fußboden des Wohnzimmers, so nackt wie die Keramikfliesen um mich herum, und schaute ihm beim Luftschnappen zu. Doch ich hatte noch nicht genug. Sein Mund machte mich immer noch wahnsinnig. Ich wartete sehnsüchtig, bis Mark wieder einigermaßen hergestellt war, und kletterte dann noch mal auf ihn. Diesmal setzte ich mich direkt auf sein Gesicht. Dieser Mund, dieser Mund ...

      Das aber machte er erst recht nicht lange mit. Ich gab auf. Rollte mich wieder auf den Fußboden und betrachtete mir wieder die Skyline, während ich versuchte, mich zu beruhigen.

      Hi folks, did you like the show?

      Mark erriet meine Gedanken. Von der anderen Seite könne man nicht durchs Glas sehen, erklärte er mir, als er wieder sprechen konnte.

      Und? War das detailliert und glaubwürdig genug?

      Von: [email protected]

      Betreff: Re-3: Achtung, Geständnis!

      Datum: 12. Mai 2011 08:45:16 EDT

      An: bigapple

      Du hast Dich gleich am ersten Abend flachlegen lassen? Tz, tz, tz ...

      Von: bigapple

      Betreff: Re-3: Achtung, Geständnis!

      Datum: 10. Mai 2012 14:48:25 MESZ

      An: [email protected]

      Muss ich darauf antworten? Okay, aber nur, um zu verhindern, dass jetzt noch mehr blöde Kommentare in der Art kommen ...

      Irgendwo hast Du natürlich recht: „Niemals am ersten Abend“ - das war und ist ein Grundprinzip, zu dem ich immer gestanden habe und noch stehe. Insofern war das untypisch für mich, zugegeben. Warum ich es dennoch getan habe?

      Das heißt: Eigentlich müsste es ja heißen, „getan haben könnte“, denn so ganz hinterfragt man seine Handlungen in so einer Situation ja nicht, man entscheidet eher aus dem Bauch heraus, wie Du vielleicht nachvollziehen kannst. Also ist man gezwungen, hinterher zu analysieren, was einen dazu getrieben haben könnte, es so spontan zu treiben. Ich weiß: Grässliches Wortspiel, ’tschuldigung.

      „Notgeil“ war ich jedenfalls ganz bestimmt nicht. Es kann aber schon sein, dass ich mich hinreißen ließ, weil ich es einfach endlich tun wollte: den ersten Schritt in die Freiheit gehen. Nicht noch länger drüber reden oder auch nur nachdenken.

      Du verstehst? Jedenfalls bist jetzt Du dran. Ich werde mich jetzt ein wenig hinaus in die Stadt stürzen, irgendwann muss mich ihr Charme doch einfangen. Maybe I’m taking a Greyhound, on the Hudson River Line, I’m in a New York state of mind ...

      Und wenn ich heute Abend heimkomme, will ich Dein „Geständnis“ in der Mailbox finden. Mittlerweile hoffe ich sogar inständig für Dich, dass auch Du eines abzulegen hast, bis jetzt hast Du’s ja nur so nebulös angedeutet ...

      Alles andere wär nun irgendwie unfair, findest Du nicht?

      Und bitte schön detailliert, Du weißt ja, es sind die Einzelheiten, die eine Geschichte glaubwürdig machen.

zwei

      Von: [email protected]

      Betreff: Re-4: Achtung, Geständnis!

      Datum: 15. Mai 2011 20:04:16 EDT

      An: bigapple

      Sorry, dass ich Dich einen ganzen Tag lang warten ließ. Ich musste mir erst noch einmal in Ruhe überlegen, ob ich Dir das wirklich antun soll. Aber Du willst es ja anscheinend nicht anders. Dann wollen wir mal.

      Ja.

      Ja, ich hab’s getan.

      Nicht nur das, was Du denkst, beziehungsweise unbedingt wissen willst, sondern auch etwas, von dem Du wohl niemals gedacht hast, dass ich es jemals tun würde. Schließlich habe ich mich immer lustig gemacht über die, die so etwas tun.

      Ich habe versucht, Frauen im Internet kennenzulernen. In einem dieser Flirtforen. Lovefinder. Blöder Name, ich weiß, aber glaub mir, es gibt welche, die heißen noch viel dämlicher. Ich hab mir ein Profil dort angelegt und rumgeflirtet, als wäre ich der Mailer-Daemon persönlich.

      Und jetzt kann ich mir Dein Grinsen vorstellen. Aber wie.

      Ich könnte nun sagen, ich wollte mir nur selbst einmal bewiesen, wie unsinnig das ist, dieses Matchen und Chatten in der Anonymität, in der ewigen Gesichtslosigkeit – denn was sind die merkwürdigen Fotos, die man da angeblich von sich einstellt, schon wert. Entweder zeigt sich frau in ihrer Maienblüte, die lange vorbei ist, oder so vorteilhaft ausgeleuchtet, wie frau sich in der Realität niemals präsentieren könnte, oder sie hat sich in Photoshop aufpoliert oder lediglich ein Bild von der Person eingestellt, die sie gerne wäre.

      Aber ich will ehrlich sein: Auch wenn ich übers Internetflirten bislang immer nur abgelästert habe – natürlich hoffte auch ich kleine, dumme, naive, verlorene und vor allem geile Seele auf ein erotisches Abenteuer, auf die eine attraktive Frau, die den Weg über die Anonymität im Internet geht, obwohl sie nur einmal über die Straße gehen müsste, um ein Heer von Verehrern um sich zu scharen. Ich hoffte auf den Sechser im Lotto.

      Warum hätte ich mich auch nicht darauf einlassen sollen? Mit Worten und behaupteten Identitäten zu spielen, ist für mich doch kein Problem. Vor allem ist es zunächst einmal total ungefährlich, schließlich kann man selbst bestimmen, wie lange man im Schatten bleibt, sich in der Anonymität versteckt, ehe man sich zu einem Date verabredet. Wozu es im Übrigen seltener kommt, als viele glauben, die noch nie im Internet geflirtet haben.

      Außerdem, und jetzt wirst Du wieder grinsen, ist es auch für mich nicht mehr so ganz einfach,