Michel Faucon

Touch only


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wie geht’s Dir sonst so? Alle wohlauf?

      Von: [email protected]

      Betreff: Re.: Hi!

      Datum: 7. Mai 2011 14:02:17 EDT

      An: bigapple

      Jens und Nike sind wohlauf. Haben sich schon zwei oder drei Mal bei mir gemeldet, seit Du weg bist. Geht mir, ehrlich gesagt, ein wenig auf die Nüsse, haben wohl Angst, dass ich jetzt vereinsame oder mich umbringe oder einer Teufelssekte beitrete. Michaela habe ich unlängst in der Stadt mit ’nem neuen Typen gesehen, so ein Matthew McConaughey-Lookalike, steht bestimmt auf Windsurfen und Zahnseide, könnte also passen. Freddy scheint völlig untergetaucht zu sein. Die anderen haben sich rar gemacht. Aber ich muss die auch nicht sehen, um zu wissen, dass beispielsweise Angie und Herbie immer noch zusammen sind, obwohl jeder über den anderen herzieht, sobald einer dem anderen den Rücken zudreht. Mama besuche ich nach wie vor jeden Sonntag im Heim, die letzten beiden Male hat sie mich gar nicht mehr erkannt.

      Im Büro haben gegenüber jetzt die Bauarbeiten begonnen. Ein Höllenlärm. Wenn ich dran denke, dass das jetzt zwei Jahre so gehen soll ...

      Eigentlich auch egal, denn im Geschäft läuft nach wie vor nicht viel. Meistens komme ich spät und gehe früh. Telefon habe ich natürlich aufs Handy umgestellt, sodass es nicht auffällt. Hänge dann schon nachmittags in Cafés und Bistros herum, wo die Leute kaum noch miteinander, sondern mit ihren Handys reden. Der Klingeltonterror wird immer bescheuerter: Märsche, Polizeisirenen, Rülpser – warum nur gibt’s dieses Programm, das wirklich jeden Laut, den Menschen produzieren, in Klingeltöne verwandeln kann?

      Immerhin: Wir haben endlich die Schusterstraße verkauft.

      Was das Skypen angeht: Ich finde, wir sollten konsequent bleiben. Und uns erst in einem Jahr wiedersehen. Denn dann werden wir sozusagen auf den ersten Blick wissen, ob wir noch zueinander passen. Wenn ich mich bis dahin in einen Sumo-Ringer verwandelt habe – mein Pech. Und deins.

      Entweder funkt noch mal was, wenn wir uns wiedersehen, oder nicht. Ist doch auch in Ordnung so, so müssen wir anschließend nichts mehr „aufarbeiten“. Mein Gott, wie ich allein schon dieses Wort hasse.

      Von: sundowner

      Betreff: Gute Nacht!

      Datum: 7. Mai 2011 23:57:08 MESZ

      An: meretseger

      Lieb(st)e meretseger,

      ich hoffe, ich werde nicht wieder zu persönlich, wenn ich Ihnen eine Gute Nacht wünsche.

      Und gestatten Sie mir, Ihnen darüber hinaus mitzuteilen, dass auch ich ein wenig enttäuscht bin. Denn wenn ich irgendwas gesagt – ich meine natürlich: geschrieben – habe, was Sie verärgert hat, sollten Sie mich wenigstens darauf hinweisen. Damit ich eine Chance habe, mich zu bessern. Oder haben Sie bereits mit mir abgeschlossen? Deutet Ihr „Sie scheinen es nicht begriffen zu haben. Schade eigentlich ...“ etwa darauf hin?

      Das kann doch nicht sein! Nicht nach dem, was wir miteinander erlebt haben!

      Geben Sie mir daher doch bitte die Gelegenheit, Sie zu verstehen. Auch ich kann noch dazulernen. Ich habe mich auf das Spiel – o Gott, hoffentlich machen Sie mich jetzt nicht nieder, weil ich es „Spiel“ nenne – ganz zu Ihren Bedingungen eingelassen, und gestern Abend hatte ich den Eindruck, dass ich es durchaus zu Ihrer Zufriedenheit spielen kann.

      Was für ein Wort in diesem Zusammenhang! „Zufriedenheit“! Zufriedenheit? Es war doch nicht zu unserer Zufriedenheit – es war ein Traum, der Himmel auf Erden, ein Ausflug ins Paradies!

      Oder irre ich mich? Kanzeln Sie mich jetzt als Großmaul ab, weil ich „es“ dermaßen überschätze, weil ich Ihren Ansprüchen längst nicht so genügte wie Sie meinen?

      „Ansprüche“! Was für ein Wort!

      War es für Sie etwa nicht überwältigend, etwas Einzigartiges, etwas, was zwischen zwei Menschen nicht beliebig wiederholbar ist?

      Dann verzeihen Sie, verzeihen Sie, verzeihen Sie meine Fehleinschätzungen, meine Unterwürfigkeit, meine Angst, „meine Felle“ könnten davonschwimmen, verzeihen Sie noch diese letzten drei Male, es geht mir wirklich nur darum, Sie zu ein paar Worten der Aufklärung zu bewegen.

      Von: bigapple

      Betreff: Re-2: Hi!

      Datum: 8. Mai 2011 15:05:37 MESZ

      An: [email protected]

      Auch wenn Dir Jens und Nike auf die Nüsse gehen und ich jetzt wahrscheinlich auch tue: Du solltest tatsächlich aufpassen, dass Du nicht vereinsiedelst. Dass die anderen Paare, die mit uns befreundet sind, sich bei Dir jetzt nicht mehr so melden, ist doch ganz normal: Sie wissen mit Dir als Einzelperson nichts anzufangen. Du solltest vielleicht mal wieder die Kontakte zu Deinen Singlefreunden aufleben lassen, damit Du unter die Leute kommst. Oder flirten.

      Wir haben doch lang und breit darüber gesprochen, oder? Es ist in Ordnung. Wir haben vereinbart, dass wir jetzt für ein Jahr getrennte Wege gehen. Mit allen Konsequenzen. Also leg los. Glaub mir, ich tu’s auch. Oder werde es tun, sobald ich die Zeit dazu habe.

      Du hast es doch gut, Du hast einen Job, in dem Du fast jeden Tag Frauen kennenlernst, die gerade wieder Single werden.

      Die Schusterstraße ist endlich verkauft, nach fast zwei Jahren? Das ist doch großartig. Wem hast Du die denn angedreht? Gratuliere jedenfalls.

      Dass Du geschrieben hast, „wir haben die Schusterstraße verkauft“, ist hoffentlich unbewusst geschehen, und war kein Signal, das Du bewusst setzen wolltest.

      Von: [email protected]

      Betreff: Re-2: Hi!

      Datum: 8. Mai 2011 10:35:42 EDT

      An: bigapple

      Darf ich denn eigentlich auch so etwas wie ein Berufsethos haben? Weißt Du, wie schäbig ich mir vorkommen würde, würde ich eine meiner Kundinnen anbaggern? Übrigens: Ich hatte zuerst „unserer“ geschrieben, dann aber durch „meiner“ ersetzt, weil ich weder bewusst noch unbewusst Signale setzen will.

      Was tue ich denn mein Leben lang, beziehungsweise: haben wir beide jahrelang getan? Wir haben Menschen geholfen, eine gemeinsame Wohnung zu finden, in der sie zusammenleben wollten, nachdem sie zueinander gefunden hatten, oder geholfen, neue vier Wände für sich allein zu finden, nachdem sie sich wieder getrennt hatten. Oder wir haben ihnen geholfen, ihre Behausungen loszuwerden.

      Ein Scheißspiel ist das, wenn Du mich fragst. Bei manchen wiederholte es sich gleich mehrmals. Und bei einigen, denen wir in eine gemeinsame Wohnung halfen, hatte ich schon bei der ersten Begegnung den Eindruck, ich sehe einen Film, dessen Ende ich schon kenne. Mit den Jahren hatte ich dieses Gefühl immer öfter.

      Du willst wissen, wer die Schusterstraße gekauft hat? Ein viel zu fetter Mann und mit einer viel zu hübschen Frau. Beide mit viel zu wenig Geschmack. Sie hat sich für den begehbaren Kleiderschrank begeistert, er für die Nähe zum Park, weil er sich endlich angewöhnen will, regelmäßig zu joggen. Mit den beiden wird es zu Ende sein, noch bevor er die Bude auch nur zur Hälfte abbezahlt hat.

      Angenommen, ich griffe in dieses Scheißspiel aktiv ein, indem ich was mit ihr anfinge. Wäre das nicht so, als störte ich einen zwar idiotischen, aber dennoch festgefügten Ablauf, eine Art Ordnung, vielleicht ja sogar eine gottgewollte?

      Unsere Aufgabe in dem Scheißspiel ist es, es am Laufen zu halten, sonst nichts. Das ewige Wechselspiel zwischen Zusammenziehen und Sich-wieder-Trennen im Fluss zu halten und den handelnden Personen die jeweils passenden Unterkünfte zu besorgen. Dabei haben wir neben dem Spielfeld