Michel Faucon

Touch only


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gute Freunde.

      Von: [email protected]

      Betreff: Re.: Achtung, Geständnis!

      Datum: 14. Mai 2011 06:07:43 EDT

      An: bigapple

      Wie war’s?

      Von: bigapple

      Betreff: Re-2: Achtung, Geständnis!

      Datum: 14. Mai 2011 12:11:25 MESZ

      An: [email protected]

      Mein Gott, Bruno, ist das Dein Ernst? Ich meine: Zu fragen, „wie war’s“, ist immer noch besser als: „War er besser als ich?“. Aber es geht doch in die gleiche Richtung, findest Du nicht?

      Aber glaub mir: Auf dieses Niveau werde ich mich nicht herablassen. Ich habe zwar geschrieben, „wie gute Freunde“, damit meinte ich aber nicht, „wie Saufkumpel“.

      Von: [email protected]

      Betreff: Re-2: Achtung, Geständnis!

      Datum: 14. Mai 2011 06:31:51 EDT

      An: bigapple

      Ich muss Dich fragen, wie es war, um herauszufinden, ob Du die Wahrheit sagst. Bei Euch ist es gerade wie viel Uhr? Kurz nach sechs. Das heißt: Du bist aufgestanden und hast Dich direkt an Deinen Laptop gesetzt. Das heißt: Du warst heiß drauf, mir etwas mitzuteilen, etwas, was Du Dir in der Nacht, also vermutlich lange und gut überlegt hast. Warum aber musstest Du Dir das gut überlegen? Möglichkeit eins: Du hattest noch Gewissensbisse, ob Du es mir sagen sollst, und hast mit Dir gerungen. Möglichkeit zwei: Du hast darüber nachgedacht, wie Du mich dazu zu bringen kannst, Dir von meinen amourösen Abenteuern zu berichten. Und bist darauf gekommen, es halt mal mit einem „Geständnis“ zu versuchen, damit ich mich provoziert fühle und meinerseits loslege.

      In diesem Fall wäre Dein Geständnis erfunden. Um es zu überprüfen, brauche ich Einzelheiten. Du weißt ja: Es sind immer die Einzelheiten, anhand derer man die Wahrheit von der Lüge unterscheiden kann.

      Von: bigapple

      Betreff: Re-3: Achtung, Geständnis!

      Datum: 14. Mai 2011 14:15:25 MESZ

      An: [email protected]

      Wie Du meinst. Also, wo soll ich anfangen, wo aufhören, wie detailliert darf ich werden, ohne dass es vulgär wird, ich aber dennoch glaubwürdig klinge?

      Fangen wir mal damit an: Er heißt Mark. Brauchst Du noch einen Nachnamen, weil Du ihn vielleicht googeln willst? Okay: Maycomber. Mark Maycomber. Du musst zugeben, das klingt authentischer als Miller oder Smith. Gott sei Dank heißt er nicht so, denn dann hättest Du mir vorgeworfen, ich hätte den Namen erfunden, weil er ja so banal ist. Tatsächlich heißen hier sehr viele Menschen Miller oder Smith, sodass eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass auch Mark so hätte heißen können, schon gegeben war. Was Dich freilich nicht gekümmert hätte. Glück gehabt.

      Mark hat offenbar schon mehrere Immobiliengeschäfte mit der Bank abgewickelt. Jetzt will er seine eigene Wohnung verkaufen. Sie haben mich hingeschickt, um diese zu bewerten. Allein. Jetzt wirst Du sagen, das kann doch noch gar nicht sein, Du bist doch erst drei Wochen dort. In der Tat: Ich glaube, dass es ein Test war. Dass für die Wohnung bereits eine Bewertung vorlag und sie mich einfach noch mal hinschickten, um meine Ergebnisse mit ihren zu vergleichen, um zu sehen, wie das Frollein aus Germany die Sache angeht.

      Mark wohnt in der Nähe der Wall Street – die sieht in echt allerdings eher unspektakulär aus. Und zwar in der – Achtung, jetzt kommt wieder was, was Du für unglaubwürdig, weil aufgesetzt witzig halten wirst – Maiden Lane. Die Straße heißt aber nun einmal so. Er hat eine Apartment-Wohnung im 37. Stock, eigentlich nichts Besonderes, bis auf die Außenwand im Wohnzimmer, die voll verglast ist. Wenn man direkt davor steht, wird einem schon ein wenig mulmig, aber der Blick auf die Skyline ist großartig.

      Wir haben uns erst am späten Nachmittag getroffen, lange unterhalten, natürlich zunächst mal rein beruflich, aber irgendwann war es Abend, und er fragte mich, ob ich nach diesem Termin Feierabend habe. Ich sagte ja, und er lud mich ein, mit ihm zu Abend zu essen, in einem Lokal in der Straße, er sei heute noch gar nicht zum Essen gekommen.

      Warum hätte ich nein sagen sollen? Ich war, seit ich New York bin, noch nicht einmal aus, und die Vorstellung, wieder nach Hause zu fahren und die Wände meiner mickrigen Bude anzustarren, ödete mich an. Also ging ich mit. Der Laden hieß übrigens Brady’s, falls Du dies überprüfen willst.

      Beim Essen redeten wir dann natürlich auch über private Dinge. Er gefiel mir: höflich, gepflegt, gut gekleidet, charmant und zurückhaltend, keiner, der laut loslacht, sondern immer nur versonnen lächelt – nein, ich schreibe jetzt nicht, irgendwie hat er mich an Dich erinnert.

      Und vor allem hatte er diesen wunderschönen Mund. Groß, weich und mit sinnlich geschwungenen Lippen, mit kleinen, aber sehr gepflegten, gesund blitzenden Zähnen. Vor allem der Mund war es, der mich magisch anzog. Bald schon musste ich mich selbst zur Ordnung rufen: Hör auf, auf diesen Mund zu starren, das fällt auf. Ich versuchte, mich mehr auf seine Augen zu konzentrieren, doch dies wirkte ja noch fataler. Also schaute ich wieder auf seinen Mund. Er zog mich magisch an. Ich konnte einfach nicht wegsehen.

      Er redete nicht viel, meistens ließ er mich reden, und nach einiger Zeit tat ich es wohl auch, um meine Unsicherheit zu überspielen. Und immer wieder dieser Mund. Er öffnete sich immer nur, um einen oder zwei Sätze zu sagen, passend, prägnant, danach er schloss er sich wieder zu einem sanften Lächeln. Dann und wann strich seine Zunge kurz über die Lippen – doch längst nicht so anzüglich, wie Du es Dir jetzt vorstellst.

      Tja, und irgendwann waren wir wieder in seiner Wohnung. Er bot mir einen Wein an, und siehe da: Der Weingeschmack der Amis ist besser, als wir ihnen zutrauen. Wobei die New Yorker ja keine richtigen Amis sind, eigentlich sind sie mehr Europäer als Amerikaner, aber das muss ich jemandem, der jeden Woody-Allen-Film mindestens zwei Mal gesehen hat, ja wohl kaum erzählen.

      Wir setzten uns nebeneinander auf seine tabakfarbene Ledercouch, leerten ein Fläschchen Chablis, begannen mit dem nächsten. Ich versuchte schon gar nicht mehr, die Augen von diesem Mund zu nehmen. Im Stillen begann ich zu phantasieren, stellte mir vor, wie dieser Mund sich mir nähert, ganz langsam, mit leicht geöffneten Lippen ... eine Handbreit vor meinen Lippen stoppt er, das letzte Stück des Weges lässt er mich gehen, ganz alte Schule. Ich zwinge mich zu so viel stilvoller Langsamkeit, wie ich kann, beuge mich ihm entgegen. Endlich schließt sich sein Mund um meinen. Viel, viel später küsst er sich sanft meinen Hals hinunter, saugt an meinen Nippeln ...

      Irgendwann mussten mich meine Phantasien derart überwältigt haben, dass ich das Reden wohl einstellte. Er sprach seinerseits noch ein paar Sätze, um der drohenden Stille zu begegnen, stellte dann aber fest, dass ich ihm gar nicht mehr zuhörte. Er runzelte kurz mit der Stirn und begriff. Und dann kam dieser Mund, den ich den ganzen Abend fixiert hatte, tatsächlich näher.

      Es war, als hätte ich ihn herbeigeträumt.

      Und tatsächlich: Alles geschah genau so, wie ich es mir eben noch ausgemalt hatte.

      Noch mehr Einzelheiten? Bist Du sicher, dass Du sie ertragen kannst?

      Okay: Mark ist sehr schlank, zierlich fast, aber nicht so ein Hungerhaken wie Andy, falls Du das jetzt denkst. Es war das erste Mal, dass ich mit einem Mann zusammen war, der fast schmächtiger war als ich – bis jetzt hatte ich es immer mit massigeren Typen zu tun. Was schon eine sehr auf- und erregende Erfahrung war.

      Anatomische Details erspare ich mir aber. Und Dir.

      Dürfen es vielleicht andere