Joseph Delmont

Die Stadt unter dem Meere (Roman)


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es eine Kamarilla zu verhindern gewußt, daß der Kapitänleutnant persönlich seine Pläne darlegte.

      8

      Ein Konteradmiral mit einem großen technischen Stab begleitete U.10 und U.79 zum Golf von Genua.

      Nachts auf hoher See, bei stürmischem Wetter, nahm Kapitänleutnant Mader den hohen Vorgesetzten nebst den Technikern an Bord von U.10.

      Am folgenden Morgen erreichte U.10 den Golf von Genua und schlüpfte wie immer unter der Minenkette durch, schwamm den Wassertunnel entlang und hob sich im großen Dom an die Oberfläche.

      Der Konteradmiral kam aus dem Staunen nicht heraus.

      Mader hatte im verflossenen Halbjahr eine Lichtleitung in dem großen Dom und den anschließenden Räumen legen lassen.

      Die Kabel wurden an die Dynamos im U.10 angeschlossen.

      Neun große Höhlen lagen in einer halbkreisförmigen Strecke von zwölf Kilometern Länge.

      Auf dem Plateau hatte Mader eine kleine Reparaturwerkstätte eingerichtet.

      Die Höhlen waren Wunder, wie nur die Natur sie zu schaffen vermag.

      Alle hatten Namen oder Zahlen erhalten.

      In Nummer 4 fiel ein großer Wasserfall zwanzig Meter in die Tiefe.

      Durch die Höhlen 5, 6 und 7 ging ein reißender Bach von 7 bis 10 Meter Breite. Das Wasser war an manchen Stellen tief. Trinkbares, eisiges, keimfreies Quellwasser.

      In Höhle 8 gab es drei heiße Springquellen, die in Zeitabständen von genau sechs Minuten dicke, heiße Wasserstrahlen bis zu neun Metern hochschleuderten.

      9

      Sechs U-Boote folgten Mader, zwei Monate nach der Besichtigung durch den Konteradmiral, nach dem Mittelmeer.

      Mit jedem U-Boot fuhr Mader in die Höhle, die Kommandanten genau in der Fahrtrinne unterweisend.

      Jedes der U-Boote barg große Mengen von Maschinenteilen und Baumaterialien und war mit einer Anzahl von Arbeitern bemannt.

      Ungeheure Vorräte an Lebensmitteln wurden mitgeführt.

      Die Arbeiter entluden im Verein mit der Mannschaft die Boote. Alle Boote kehrten den Weg ins Freie zurück, und als letztes fuhr Kapitänleutnant Mader sein U.10 in die Höhle, nachdem er das sechste Boot sicher ins Freie gelotst hatte.

      U.10 brachte einzelne Möbelstücke und sogar drei Lebewesen. Maders Foxterrierhündin »Nelly«, Möllers Kanarienvogel und – eine Milchziege.

      10

      Noch vor seiner letzten Ausreise hatte Mader Hertha von Zöbing, seine Verlobte, aufgesucht und ihr erklärt, daß er vor Kriegsende nicht mehr auf Urlaub käme. Hoffentlich werde das Völkerringen bald ein Ende nehmen.

      Hertha saß ihm gegenüber und sprach nichts. Ihre Augen blickten weit geöffnet mit fragendem Ausdruck auf ihren Verlobten. Sie wollte keine neue Auseinandersetzung. Fast ein Jahr hatte sie ihn nicht mehr gesehen und in Furcht gelebt, wenn die Nachrichten länger als gewöhnlich ausblieben.

      Sie konnte und wollte nicht begreifen, daß Millionen von Menschen aufeinandergehetzt wurden, sich mit den schrecklichsten Mordinstrumenten töteten oder zu Krüppeln machten.

      Sie hatte weder jetzt Umgang mit den sogenannten Volksbeglückern, die seit Jahren von einer Weltverbrüderung schrieben, noch hatte sie je mit diesen Leuten zu tun gehabt.

      Ihr gesunder Sinn sagte ihr, daß es doch einen menschlicheren Weg geben müsse, um internationale Gegensätze oder Konflikte zu regeln.

      Niemals dachte sie weiter, oder besser gesagt, tiefer, und immer sah sie nur die zeitlichen Folgen des Völkerringens. Sie beteiligte sich auch nicht an den Siegesfeiern, da ihr die unendlichen Qualen der Verwundeten und Vermißten vor Augen waren. Sie sah die Lazarettzüge von ihrem Fenster aus, wie sie vom Westen kommend, in den Bahnhof einfuhren.

      Die besonders gekennzeichneten Feldpostwaggons hatten etwas Grauenhaftes für sie. Wie viele Unglücksnachrichten bargen diese schwarzen Riesenbriefkästen auf Rädern. In ein, zwei, drei Tagen haben Mütter, Bräute, Kinder die Nachricht von der Verwundung, Verkrüppelung oder vom Tode ihrer Nächsten. »Gefangen« steht in manchem dieser Unglücksschreiben, oder was noch tausendmal schlimmer ist: »Vermißt!« Diese peinigende Ungewißheit. Dieses Krebsgeschwür der Hoffnung, das tausendmal täglich das Herz zerreißt.

      »Hertha! Hertha! – warum siehst du mich so starr an? Wo sind deine Gedanken wieder?« Zärtlich strich Mader die Hand seiner Braut.

      »Wie lange soll das noch dauern, Eugen? Wann hört dieser entsetzliche Krieg auf?«

      »Hertha, warum grübelst du über diese Dinge nach? Uns gilt es, das Vaterland zu verteidigen.«

      »Das sagen die anderen auch. – Auch sie haben ihr Vaterland zu verteidigen. Wo bleibt die Kultur?«

      »Hertha, nur kurze Stunden sind mir an deiner Seite gegönnt. Denk’ zurück an die glücklichen Stunden von früher.«

      »Ich kann meine Gedanken nicht so leicht meistern.« Sie sieht ihn lange an. »Wie glücklich bin ich, daß du nur ein Werkboot befehligst, daß du keine Mordkommandos geben kannst!«

      Er strich ihr leise über die Hand.

      »Weißt du, Eugen, ich könnte dich nicht mehr lieben, wenn ich wüßte, daß du Boote mit unschuldigen Menschen versenkst.«

      »Hertha, laß uns von anderen Dingen sprechen.«

      »Ich kann nicht dagegen an, solange dieser furchtbare Krieg noch dauert.«

      11

      »Die große Turbine abstellen. – Es ist Ostersonnabend. Der Nachmittag soll dienst- und arbeitsfrei sein.«

      Der kleine Fähnrich Ulitz ist inzwischen zum Marineleutnant befördert worden. Er lacht übers ganze Gesicht und gibt am Telefon den Befehl weiter.

      Nach einigen Minuten hört das Surren der Maschinen auf.

      Die Arbeiter haben die Riemen auf die Leerscheiben gestoßen und die Transmission dreht sich langsamer und langsamer. Die Treibriemen werden von den Drehscheiben gestoßen und hängen schwingend und schlapp. Aus den Schmierlöchern tropft langsam das schwarze Öl.

      Immer ruhiger wird es.

      Spiralförmig hängen zitternd die Späne von den Egalisierdrehbänken.

      Ein allgemeines Reinigen der Maschinen beginnt. Die Fräs- und Drehmesser werden losgeschraubt. Die Spiralbohrer aus den amerikanischen Backenköpfen genommen und aufgehoben.

      · · ·

      Neun Monate sind seit der Einfahrt von U.10 in die Höhle vergangen.

      Im Dom 1, der Madersee genannt, waren weit über zwanzig Exzellobogenlampen an der Decke angebracht. Wandarme mit großen 5000 Kerzen starken Glühlampen erhellten das Plateau im Hintergrund. Das Licht der Bogenlampen spiegelte sich im Madersee und beleuchtete zehn U-Boote, die teils zur Reparatur, teils zur Aufnahme von Munition und Ladung eingefahren waren.

      Neben dem Plateau rückwärts war ein Trockendock. Ein Boot lag im Dock, während daneben auf Hellingen Spanten und Kiel zu einem Miniatur-Unterseeboot in Arbeit waren.

      Zwei Riesenscheinwerfer mit zweizolldicken Kohlen warfen taghelle Strahlen von der Decke auf den Wasserspiegel zur Tunnelausfahrt. Direkt über der Wasserfläche war ein dritter Scheinwerfer, der das Wasser bis auf dreißig Fuß Tiefe erleuchtete.

      Unten an dem Muschelplateau waren von den Tauchern biegungsfähige Gleitvorrichtungen angebracht, die eine Beschädigung der ausfahrenden U-Boote verhinderten.

      Längs den Wänden am Plateau im Maderseedom befanden sich die Bureaus und Lagerräume für Ersatzteile der auszubessernden U-Boote.

      Im