Joseph Delmont

Die Stadt unter dem Meere (Roman)


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liefen quer durch diesen Dom.

      Dom 3 hatte sich in eine große Maschinenhalle verwandelt.

      Drehbänke, Fräsmaschinen, Schneide-, Bolzen-, Nieten- und Stiftenmaschinen standen in regelmäßigen Reihen. Pendellampen hingen über jeder Maschine, außer den in reichlicher Zahl an der Decke angebrachten Bogenlampen.

      Rückwärts, beim Ausgang zum Dom 3 standen zwei große Elektromotoren, die die Transmissionen links und rechts vom Dom durch breite Treibriemen in Bewegung setzten.

      Dom 4 war auch zum Teil eine Schlosser- und Schmiedewerkstatt. In einem gesonderten Teile war eine Gießerei errichtet, sowie die Abteilung für Schweißmaschinen und Sauerstoffgebläse. Auch hier liefen die Schienenstränge entlang.

      Holzbearbeitungsmaschinen, wie Gatter-, Kreis- und Bandsägen, Fräs-, Hobel- und Falzmaschinen standen rechter Hand von dem Fluß in Dom 5, während links davon am großen Wasserfall die Turbinenanlage angebracht war, die sämtlichen Maschinen in der Felsenhöhlenstadt als Antriebskraft diente.

      Weiter rückwärts speisten Motore große Dynamos, die zur Herstellung der elektrischen Kraft und für die Beleuchtungsanlage dienten.

      Dom 6 war in zwei Teile geteilt. Hier waren die Speisesäle und der allgemeine Aufenthaltsraum errichtet. Eine Abteilung diente als Magazin und Lagerraum. Abteil 2 enthielt die große elektrische Küche.

      Nummer 7 umfaßte die Schlafräume für Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften.

      Im Mannschaftsschlafraum standen Holzbetten in Reih und Glied. Die Riesenhalle besaß im Mannschaftslogis zwei Reihen zu 45 Doppelbetten, wie in den Schiffskabinen, also Raum für 180 Mann. Außerdem waren 100 Hängematten an den Felswänden entlang aufgespannt.

      Jeder Mann hatte seinen eigenen, verschließbaren Schrank mit einem Ausziehbrett unten wie oben, um Bücher, Wassergläser und sonstige Dinge dort abzulegen. Über jedem Bett befand sich eine Glühlampe.

      Die Offiziere besaßen jeder ein Abteil für sich. Darin waren Waschvorrichtungen mit kaltem und (von den heißen Quellen) warmem Wasser angebracht.

      Die Unteroffiziere bewohnten zu viert ein eigenes Abteil.

      Ganz im Hintergrund war ein großer Raum, den Schustern, Schneidern und dem Friseur eingeräumt.

      Dom 8 diente als Badeanstalt mit Wannen-, Schwimm-, sowie Dampf- und Heißluftbädern.

      Die heißen Quellen waren zum Teil in Röhrenleitungen abgefangen und den Offiziersschlafräumen und der Küche zugeleitet worden.

      Im rückwärtigen Teile von Dom 8 war ein Lazarett mit zwanzig Betten hergerichtet worden. Auch Ordinationszimmer und Operationssaal befanden sich dort.

      Die letzte und allergrößte Höhle, die ungefähr 650 Meter lang und gegen 400 Meter breit war, diente als Sportplatz. Für Fußballspiele waren zwei regelrechte Tore vorhanden.

      Auch einen Tennisplatz gab es in dieser Höhle und einige Kegelbahnen.

      Interessant war, daß das vom Wasserfall und der Quelle gespeiste Flüßchen durch fünf Höhlen lief und dann unter einer Felswand verschwand.

      12

      Mader stand nackt in seiner Badekoje und ließ die kalte Dusche über seinen Kopf brausen.

      In feinen Strahlen strömte das erfrischende Naß über den Körper.

      In der Nebenkoje plätscherte Ulitz, stöhnte und prustete.

      Mader rieb seinen Körper rot und machte Gelenkübungen.

      Ulitz pfiff jetzt ein Liedchen und rief Mader an:

      »Das erfrischt! Aber Donnerwetter, ein bißchen Sonne wäre jetzt ganz angenehm! Möchte gerne einmal wissen, wie die liebe Sonne aussieht. Sechs Monate und kein Tageslicht! Wir werden noch eine Haut über die Pupille bekommen, – wie die Molche.«

      Mader mußte über den ewigen Brummhumor des kleinen Ulitz lachen. Er wurde aber gleich wieder nachdenklich.

      Was ist in den letzten Monaten alles hier unter der Erde geschaffen worden! Draußen ging das blutige Ringen weiter. Die Menschen zerfleischten sich, und ein Ende war nicht abzusehen.

      Wie schwierig war es doch gewesen, hier tief unter der Erde all dies erstehen zu lassen. Die Kunst der Marineingenieure hatte hier ein Wunderwerk vollendet.

      Die Wasserkraft des reißenden Falles trieb alle Turbinen. Noch ein zwanzigmal größeres Werk könnte mit der überschüssigen Kraft bewältigt werden.

      Aber die Menschen? Werden sie es noch lange aushalten? Wird ein Verräter einmal das Geheimnis preisgeben?

      Wie schwer war das Finden der richtigen Leute gewesen. Immer und immer wieder war es nötig, Umschau nach einwandfreien Leuten zu halten. Jeder Einzelne mußte ein Vollkommener in seinem Fache sein.

      Die Leute hatten sich für die Zeit des Krieges zu verpflichten. Es wurde keinem gesagt, wohin es ging. Jeder Einzelne erfuhr nur, daß er nach einer Werkstätte käme, die versteckt im Lande des Feindes läge, daß ein Umgang mit der Außenwelt ausgeschlossen wäre, und daß es keinen Urlaub gäbe.

      Jedem Manne wurden zwei Tage Bedenkzeit gelassen. Erklärte er sich dann einverstanden, so wurden ihm ein bis zwei Wochen Urlaub bewilligt und strengste Verschwiegenheit aufgetragen, auch den allernächsten Anverwandten gegenüber.

      Da nur ganz einwandfreies, ausgesuchtes Menschenmaterial in Frage kam, so war ein Verrat kaum zu erwarten.

      Er hätte dem Feinde auch wenig geholfen. Die Leute wurden auf Umwegen zu ihrem Transport-U-Boot gebracht. Die Einschiffung geschah jedesmal an einem anderen Platz. Es wurde in einem Einschiffungshafen immer nur ein Transport an Bord gebracht. Die Leute trafen sich zuerst im Boot, das sie in See oder in die Bucht hinaus brachte. Dort wurden sie in die Mannschaftsquartiere verteilt und kamen erst zusammen, wenn das U-Boot in See stach. Die Begleitoffiziere achteten genau darauf, daß keine Botschaft ungesehen und ungesichtet in die Heimat zurückging. Die »letzten« Briefe gelangten in einem Postbeutel nach der Heimat, und niemand erfuhr, wo sie aufgegeben waren. Den Angehörigen ward eine Adresse im Marineministerium aufgegeben. Dorthin mußte alle Post gesendet werden, und von dieser Stelle ging sie erst wieder auf Umwegen zur »Stadt unter dem Meere«.

      Mader erhielt mit jeder Post einen langen Brief von Hertha. Sie konnte nicht verstehen, warum er nicht auf Urlaub kam. Stets wurde in ihren Briefen die Klage über den Krieg laut. Sie teilte ihm mit, daß sie mit ihrem Vater, ja, mit der ganzen Verwandtschaft, ihrer Abneigung gegen den Krieg halber, in Streit geraten wäre.

      »Tante Hermine«, schrieb sie einmal voll Empörung, »denke Dir, Tante Hermine ist stolz darauf, daß Richard gefallen ist! – Bedenke, eine Mutter ist stolz, daß ihr Kind ermordet wurde.«

      Dann sagte sie in einem anderen Brief, daß sie sich nicht im Betriebe ihres Vaters blicken ließe, da er jetzt »Munition«, ja sogar »Granaten« fabriziere. Sie fände es entsetzlich und hätte Papa aufmerksam gemacht, daß fünf von den Vettern in der englischen Armee dienten! Alle fünf, Söhne der Tante Bessie, die doch eine Schwester der verstorbenen Mama sei. – Wie gut, daß Mama dies nicht mehr zu erleben brauchte!

      »Bedenke, Papa, wenn eine Granate, wenn eine Kugel, die du fabrizierst, Schuld an dem Tode eines unserer Vettern trüge!«

      »Papa war sehr ungehalten über diese Einwendungen meinerseits«, schrieb sie weiter, »das erste Mal in meinem Leben fuhr er mich hart an und gebot mir, zu schweigen. Ich verstände das alles nicht. Ich solle endlich mit dem Gefasel, daß alle Menschen Brüder seien, aufhören.«

      Mader seufzte still, als ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen. Wie wird das mit Hertha noch werden? Wer hat ihr diese krausen Gedanken in den Kopf gesetzt? Sie hatte doch niemals Umgang mit Politikern gehabt und hatte auch niemals in Kreisen verkehrt, wo derartige Gedanken ausgetauscht wurden.

      Sie schrieb: »Die ganze Welt ist unser Vaterland; nur der Scholle, auf der wir geboren, hängen wir mit mehr Zärtlichkeit an, als anderen Gegenden.