Kopf des Geheimdienstchefs gefunden hatte:
Barsan Ibrahim hatte im Oktober 1999 einen Hauptmann von Saddam Husseins Leibgarde festnehmen lassen, welchen er schon lange im Verdacht hatte, ein Verräter zu sein. Seine Männer griffen zu, als sich der Hauptmann in der Al Rashed Strasse in Baghdad mit einem Motorradfahrer traf und dieser ihm gerade eine Aktentasche übergeben hatte.
Der Motorradfahrer war ihnen leider durch seine aberwitzigen Fahrmanöver entkommen; von den zahllosen dabei auf ihn abgegebenen Schüsse traf kein einziger. Aber in der Tasche fanden sie zwanzigtausend US-Dollar.
Anlässlich der dann stattfindenden Verhöre dieses Offiziers erfuhren sie, dass irgendeine der westlichen Nationen über eine streng geheime Mördergruppe verfügte und diese einsetzte, wenn sich dieses Land angegriffen fühlte oder angegriffen werden sollte. Auch, dass diese Gruppe in den letzten zwanzig Jahren wohl schon mehrfach tätig geworden war.
Barsan Ibrahim nahm seitdem an, dass wohl irgendjemand im Irak jetzt als Ziel ausgesucht werden würde. Denn sonst wäre dieser Motorradfahrer mit dem vielen Geld nicht in Baghdad gewesen.
Nur aus welchem Land oder welche Personen in dieser Mördergruppe waren, dies hatte er nicht mehr erfahren, denn der Offizier erlitt während der dritten Vernehmung einen tödlichen Herzinfarkt.
Dieser hatte eigentlich kein schwaches Herz; er hatte einfach die Qualen ausgerissener Fingernägel und abgetrennter Zehen nicht mehr ausgehalten.
Barsan Ibrahim realisierte, dass er ein mögliches Problem hatte und er gab an seine Agenten in den USA und England noch in der gleichen Nacht den Befehl, alles zu tun, diese Gruppe zu finden und zu identifizieren. Denn diese Gruppe musste, wenn es nach Barsan Ibrahim ging, alleine schon als Vorsichtsmaßnahme eliminiert werden.
Am nächsten Morgen und als reine Präventivmaßnahme, denn diese Länder waren eher als Irak freundlich bekannt, erweiterte er den Befehl, auch in Frankreich, Spanien und Deutschland nachforschen zu lassen. Es war der 2. Handelsattaché an der irakischen Botschaft in Bonn, Achmed Mousavi, welcher zwei Monate später einen Mitarbeiter der geheimsten Abteilung des Deutschen Verteidigungsministeriums anwarb und ihm den Auftrag gab, nach dieser ominösen Gruppe zu suchen.
Er versprach dem Mann ein Erfolgshonorar von 100.000 Deutsche Mark, wenn er fündig werden sollte.
Der Mann wurde fündig, sein Name war Dr. Klaus Rastatt.
Da jedoch Achmed Mousavi nie wieder von ihm hörte, wusste er auch nichts von dem Fund und er nahm an, dass dieser Dr. Rastatt, wie viele Agenten in diesem Beruf, einfach ein Großmaul und Angeber gewesen war.
Er vergaß die Angelegenheit vier Monate später, als er nach Paris versetzt wurde. Es war ja nichts passiert: Denn er hatte weder die Anwerbung nach Baghdad rapportiert noch eine einzige Mark bezahlt.
Schlussendlich wurde die zehnte Trompete von allen Beteiligten vergessen. Dass aber genau diese das gesamte Israfil-Komplott in Gefahr bringen könnte, war ihnen weder bewusst noch wollten sie es wahrhaben.
Kapitel 14
Montag, 16. März 1998
Hardthöhe, Bonn
„Odin“ dachte Dr. Sinn „zwar immer pünktlich und nützlich, aber leider völlig wirre und unberechenbar“ als genau um 12:00 h sein Telefon auf der verschlüsselten Leitung vier anfing zu blinken und zu schnarren.
Er ließ es bewusst sechsmal läuten, denn Odin sollte wissen, dass er, sein Boss, Dr. Sinn, die Schrittgeschwindigkeit, in welcher Sachen erledigt wurden, vorgab.
Dann hob er den Hörer ab und zwischen ihm und der elektronisch verzerrten Stimme wurden die üblichen Sicherheitscodes ausgetauscht. Sobald der Verzerrer wieder ausgeschaltet war, wurde die Stimme von Odin auf einmal ganz leise:
„Wenn Sie es noch einmal sechsmal läuten lassen, bis Sie den Hörer abheben, haben Sie ein Problem mit mir!“
„Odin, wollen Sie mir etwa drohen?“
Jetzt flüsterte die Stimme am anderen Ende der Leitung nur noch „Sie wissen, dass ich nie drohe, sondern ohne Vorwarnung töte; und wenn Sie es genau überlegen, ist es unter Ihrer Abteilungsleitung passiert, dass wir kompromittiert werden konnten.
Ach ja, lesen Sie einfach nach, was die vor über zwanzig Jahren getroffenen Abmachung zwischen Ihrer Abteilung und Odin und seinen Raben für einen solchen Fall festhält.
Wenn Sie, mein beamteter Freund, mit uns Macht- oder Eitelkeitsspiele anfangen wollen, sind Sie genauso tot, wie es unser Freund Dr. Rastatt noch heute Nacht sein wird, nachdem Sie ihn um 19:35 Uhr aus seiner Zelle im Keller des MAD haben herausholen lassen.
Haben Sie mich verstanden?“
Dann fuhr Odin, als ob nichts gewesen wäre, in normaler Lautstärke fort:
„Wie ich gerade sagte, heute Abend um genau 19:35 Uhr werden Sie Herrn Dr. Rastatt persönlich aus seiner Zelle abholen.
Sie werden den diensthabenden Offizier des MAD heute Nachmittag anrufen und die Freisetzung von Dr. Rastatt befehlen.
Rastatt soll die Kleidung tragen, die er am Samstag anhatte und er muss richtig proper aussehen. Wenn der MAD-Mensch muckt, machen Sie ihm klar, welche Positionen Sie und welche er innerhalb der Fresskette hat.
Sie, und nur Sie allein, werden Dr. Rastatt zu Fuß an den Hauptausgang des Ministeriums begleiten und ihm auf dem Weg erklären, dass Sie über das Wochenende die Wellen beim MAD haben glätten können und dass er keine Strafverfolgung zu befürchten habe.
Denn Sie sind der Ansicht, und haben die hohen Würdenträger im MAD auch davon überzeugen können, dass er lediglich aus Neugierde eine seiner Jugend zuzuschreibende Dummheit gemacht hat.
Tun Sie alles, um ihn zu beruhigen, geben Sie ihm das Gefühl, das wäre alles nur ein ärgerlicher Vorfall gewesen. Sie können ihm zum Beispiel sagen, er muss lediglich mit einem Verwarnungseintrag in seiner Personalakte rechnen. Auch, dass er jetzt drei Tage vom Dienst befreit sei.
In dieser Zeit soll er einen gründlichen, den Vorfall erläuternden Bericht schreiben. Machen Sie, was Sie wollen, aber nehmen Sie ihm jede Angst vor eventuellen, wirklichen Folgen seiner Tat.
Achten Sie darauf, dass er und Sie alleine den Weg zum Ausgang gehen, sodass keiner hört, was Sie ihm sagen. Ach ja, bitte seien Sie freundschaftlich zu ihm und sagen Sie, dass Sie ihn jetzt zu sich nach Hause fahren lassen.
Ich will, dass Dr. Rastatt die letzten Stunden seines Lebens glücklich und ohne Angst vor den Folgen seiner Tat verbringt!“
„Odin, um Gottes willen, was haben Sie vor?“
„Das geht Sie gar nichts an, und damit basta! Wenn Sie im normalen Tempo zum Haupttor mit ihm gehen, sollten Sie um 19:49 Uhr am Ausgang sein. Dort steht nach der Schranke auf der rechten Seite ein dunkelgrüner Mercedes 200 mit dem Y-Kennzeichen der Bundeswehr.
Darin sitzen drei Soldaten, die ihn nach Hause begleiten werden. Sie, mein beamteter Freund, werden sich diesem Fahrzeug keinesfalls auf mehr als 10 Meter nähern, sondern sich vorher von Dr. Rastatt verabschieden und ihm sagen, dass dies der Dienstwagen ist, welcher ihn nach Hause bringt.
Denn es darf unter keinen Umständen sein, dass Sie und wir – auch nur zufällig – zusammen gesehen werden.
Noch eines, Dr. Sinn: Odin und seine Raben wissen, dass wir von Ihnen und Ihrem Stellvertreter in Ihrer Abteilung als Psychopathen eingestuft sind.
Machen Sie keinen Fehler heute Abend, denn Psychopathen sind ja bekanntlich unberechenbar in ihren Verhaltensweisen. Nun jetzt leben Sie wohl; melden Sie sich erst wieder, wenn ein Auftrag unsere Hilfe erfordert.
Guten Appetit beim Mittagessen, es stehen heute sogar Kohlrouladen, also Ihr Lieblingsgericht, auf der Karte.
Ach ja, bevor ich es vergesse: Bitte melden Sie dem MAD morgen früh gegen 11 Uhr, dass Dr. Rastatt unentschuldigt nicht zum Dienst erschienen ist. Die sollen mal in seiner Wohnung in der Winterstrasse 24 in Bad Godesberg