K.B. Stock

Die Firma des Piloten


Скачать книгу

Verbindung trennte.

      Als er anschließend über das gerade geführte Gespräch nachdachte, fiel sein Blick auf das auf seinem Schreibtisch stehende Foto seiner Eltern. Unwillkürlich brach er bei diesem Anblick aus glücklichen Tagen in ein lautes Schluchzen aus, das auch von seiner Tante im unmittelbar nebenan gelegenen Gästezimmer des Haupthauses vernommen wurde.

      Gleichwohl entschied sich Waltraud Wagner, ihren Neffen jetzt in Ruhe zu lassen. „Lass es raus Micha“, dachte sie bei sich. „Es ist an der Zeit, dass auch du harter Knochen deiner Trauer mal freien Lauf lässt und deine getöteten Eltern beweinst. Denn da musst du schließlich ganz alleine durch, aber du schaffst das schon.“

      Eine halbe Stunde später kehrte jedoch wieder Ruhe im Haus ein, da anscheinend auch ihr Neffe endlich beschlossen hatte, sich endlich zur Ruhe zu begeben.

      Nachdem ihm Max Baur am Freitagmorgen eine intensive Grundeinweisung in seinen Arbeitsbereich gegeben hatte, half er Annas Bruder sogleich, die von dessen Schwester angeforderten Projektdaten zum Thema ‚Lufttransport’ zusammenzustellen.

      Gerade dieses ‚Learning by Doing’ erwies sich als äußerst gute Übung, um das, was Michael vorher – sozusagen als theoretische Druckbetankung – aufgenommen hatte, zu verinnerlichen.

      „Sieht doch bis hierher gar nicht so schlecht aus – oder?“, meinte er, als Max die gewünschten Bedarfsdaten gerade per Mail auf Annas Rechner schickte.

      „Ja – und wenn man bedenkt, dass wir einige zeitkritische Aufträge, wie zum Beispiel den Transport von eiligen Ersatzteilen für ausgefallene industrielle Fertigungsmaschinen oder gar die Beförderung von Transplantationsorganen bislang gar nicht erst annehmen, ist der in Rede stehende Bedarf noch ’ne ganze Ecke höher, als es meine Ist-Daten aus dem letzten Jahr ausweisen.

      Ich werde das nachher auch noch meiner Schwester sagen, damit sie das mit einem prozentualen Aufschlag in ihre Kalkulation einarbeiten kann.“

      Während die beiden Männer noch miteinander über clevere Internetrecherchen zur Thema ‚Auswahl und Kauf eines geeigneten Helikopters’ fachsimpelten, wurde Michael kurz vor 12:00 Uhr von seiner Tante Waltraud telefonisch ins Büro gerufen.

      „Dein Besuch, den du mir heute Morgen beim Frühstück angekündigt hast, ist da.“ Dann schob sie noch leise nach: „Kannst du mir später mal sagen, woher du so überaus attraktive Mittfünfziger kennst?“

      „Gefällt er dir?“, fragte Michael Wagner mit einem spitzbübischen Grinsen zurück.

      „Immerhin ist er nur sechs Jahre älter als du. Und Matthias Debus ist nicht nur ein guter Freund, sondern auch ein Klasse Hubschrauberpilot.“

      „Hab’ ich mir bei seinem Outfit wegen seiner schicken Fliegerlederjacke schon gedacht. Aber jetzt komm endlich rauf, ehe er noch was merkt und ich noch ganz rote Ohren kriege“, flüsterte Waltraud Wagner atemlos in den Telefonhörer.

      „Bin schon unterwegs, liebe Tante – also bis gleich“, erwiderte Michael lächelnd, ehe er sich zu dem fragend schauenden Max Baur umdrehte.

      „Ich hab’ vorgestern Abend einen guten Freund von mir gebeten, uns in Sachen Lufttransport zu beraten“, erklärte er jetzt in Richtung von Annas Bruder.

      „Zudem ist er mir in Sachen Hubschrauber wissensmäßig weit voraus, weil er bis Anfang des Jahres Hubschrauber bei der Bundeswehr geflogen hat und auf fast 30 Jahre Berufserfahrung zurückblickt.“

      Als Michael Wagner wenige Minuten später die Chefetage erreichte, sah er zum allerersten Mal in seinem Leben eine völlig verlegen wirkende Waltraud Wagner. Dies jedoch gekonnt ignorierend, eilte er sofort zu dem angekommenen Besucher, dem er gleich darauf freudig die Hand schüttelte.

      „Mensch Matthes, schön, dass du so schnell hierhergekommen bist. Ich freue mich, dich nach so langer Zeit endlich mal wiederzusehen. Wie ich sehe, hast du ja meine Tante Waltraud schon kennengelernt.

      Sie ist nicht – wie du vielleicht gerade denkst – meine Chefsekretärin, sondern sie hilft mir dabei, den Betrieb hier einigermaßen am Laufen zu halten.“

      „Ich wusste gar nicht, dass du so eine hübsche Tante hast, du Jungspund. Und ja, wir haben uns eben schon miteinander bekannt gemacht“, erwiderte Matthias Debus, während Waltraud Wagner bei diesen laut gesprochenen Worten noch mehr errötete.

      „Aber zunächst mal, Micha, will ich dir und natürlich auch deiner Tante meine Anteilnahme zu eurem großen Verlust ausdrücken“, antwortete der ehemalige Bundeswehrpilot jetzt mit ernster Miene.

      „Danke Matthes, vielen Dank – auch im Namen meiner Tante. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, hätte ich auf den Pilotenjob bei der Polizei schon viel früher verzichtet, anstatt meinem Vater ständig damit auf die Nerven zu gehen, dass eine Übernahme seiner Firma für mich niemals infrage kommt.“

      „Tja, das ist halt Schicksal, an dem aber leider niemand mehr etwas ändern kann“, erwiderte Matthias Debus mit einer Miene, die echte Anteilnahme ausdrückte.

      „Ich habe aber zur Anhebung eurer Stimmung einige gute Nachrichten für dich und deine Leute mitgebracht. Heute Morgen hatte ich nämlich ein längeres Gespräch mit dem Verkaufsleiter von Airbus/Eurocopter, über das ich dir gerne berichten würde.“

      „Lass uns damit noch ein wenig warten. Nach dem Mittagessen findet nämlich sowieso ein erstes Meeting der Firmenleitung in dieser Angelegenheit statt – und da hätte ich dich gerne dabei, wenn es deine Zeit erlaubt.“

      „Pensionäre haben zwar meistens überhaupt keine Zeit, aber da weder Frau noch Kinder auf mich warten, lässt sich das sicher einrichten“, entgegnete Matthias Debus mit volltönender Stimme, wobei es ihm wichtig zu sein schien, dass Waltraud Wagner den letzten Satz einwandfrei mithören konnte.

      „Okay, dann lass uns essen gehen – und Tante, du willst uns beide doch ganz sicher begleiten, so neugierig, wie du gerade guckst.“

      „So vorlaut ist er schon immer gewesen – ein Frechdachs halt“, warf Waltraud Wagner in diesem Moment ein. „

      Aber Matthias, lassen Sie sich gelegentlich mal von ihm erzählen, wie oft ich ihn schon in seiner Jugend tadeln musste, weil er schon als Kind ’ne Menge Blödsinn im Kopf hatte – speziell, wenn er bei mir und meinem verstorbenen Mann auf unserem Bauernhof in den Ferien war.“

      „Kann ich mir gut vorstellen, Frau Wagner – ich kenne den Michael ja nun auch schon ’ne ganze Weile. Lass mich aber bitte vorschlagen, dass wir die förmliche Anrede jetzt mal ad acta legen. Ich heiße Matthias und meine Freunde nennen mich Matthes.“

      „Freut mich Matthes – und meine Freunde nennen mich auf gut bayrisch Traudel“, erwiderte Waltraud Wagner spontan.

      „Aber wag’ es nicht, sie jemals ‚Traudchen’ zu nennen. Wenn man das tut, legt sie einen nämlich übers Knie“, ergänzte Michael prompt die Antwort seiner Tante.

      „Werd’s mir merken Micha“, erwiderte Matthias Debus lachend, als er seinen Freund beim Arm nahm, um zusammen mit ihm und dessen Tante in die Firmenkantine zu gehen.

      „Wo ist eigentlich deine Schwester?“, fragte Michael Wagner seinen neuen Assistenten Max sofort, nachdem er ihn am Mittagstisch mit Matthias Debus bekannt gemacht hatte.

      „Brütet über unseren Zahlen – und deshalb hat sie mich vorhin angerufen und sich entschuldigt. Schließlich will sie ja nachher bei unserer Besprechung eine gute Figur machen.“

      „Die hat sie doch schon“, rutschte es jetzt Michael Wagner heraus. „Schön, dass du das auch mal bemerkst“, sagte Waltraud Wagner unverblümt trocken, konnte sich dabei aber ein gefälliges Grinsen nicht verkneifen, während jetzt Michael für alle sichtbar errötete.

      „Hab’ ich hier in der kurzen Zeit meiner Anwesenheit etwas noch nicht mitgekriegt?“, fragte Matthias Debus