K.B. Stock

Die Firma des Piloten


Скачать книгу

erwiderte PHK Wagner. „Wir bleiben in Verbindung – auch wenn ich ab heute Nachmittag erstmal keine Uniform mehr trage.“

      „Alles klar, Micha – wir sehen uns bestimmt in der Zwischenzeit mal wieder. Und wenn du dich zu drücken versuchst, lande ich mit dem Neuen am Steuer direkt auf eurem Speditionshof und blase dir den Marsch.“

      „Das lässt du schön bleiben, Markus – außerdem wird der Neue es merken, wenn du ihn zu ’nem falschen Ziel führst.“

      „Mitnichten, mein Freund – ich bin doch der Navigator, dem die Piloten vertrauen – oder etwa nicht? Wenn ich gewollt hätte, wärst du blinde Pilotennuss selbst mitten auf dem Marienplatz gelandet und hättest das erst beim Aussteigen mitgekriegt.“

      „Mein lieber Herr Kollege Hauptkommissar, bewahre dir deinen sonnigen Humor – und viel Glück mit meinem Nachfolger – ich ruf’ dich Ende der Woche mal an. Und halt mich bitte informiert, wenn du was Neues zum Mordfall meiner Eltern hörst.“

      „Versprochen Michael, keine Frage, ich halt’ – was den Anschlag auf deine Eltern angeht – die Ohren offen. Und jetzt hau endlich ab, sonst fang ich noch an zu flennen.“

      Nachdem sich die beiden Freunde zum Abschied noch einmal freundschaftlich umarmt hatten, machte sich der nun beurlaubte PHK Wagner mit seinem alten 5er BMW auf den Weg zurück zum Haus seiner Eltern, wo er sich auf die von seiner Tante Waltraud für 16:00 Uhr angesetzte erste Besprechung mit der Firmenbelegschaft vorbereiten wollte.

      Als Michael Wagner am späten Nachmittag dieses Donnerstags gegen 16:15 Uhr endlich in die Firma kam, wurde er bereits ungeduldig von seiner Tante Waltraud erwartet.

      „Wo bleibst du denn, Micha? Die Belegschaft wartet jetzt schon seit gut einer Viertelstunde auf dein Erscheinen.“

      „Ist ja gut, ich bin ja jetzt da“, erwiderte Michael Wagner sofort. „Glaubst du übrigens, dass dein schicker Pilotenstrampelanzug das richtige Outfit ist, um vor deine Leute zu treten“, legte Waltraud Wagner mit missbilligendem Blick sogleich nach.

      „Ja liebe Tante, damit muss meine Belegschaft künftig leben. Denn es gibt ein paar Neuigkeiten zu verkünden, von denen ich heute Morgen beim Aufstehen auch noch keine Ahnung hatte.

      Aber – wie du siehst – hab’ ich meine Dienstgradabzeichen schon abgelegt. Deshalb ist mein ‚Strampler’ – wie du meinen hübschen Overall gerade zu nennen beliebtest – ein simpler ziviler Arbeitsanzug, den unsere Leute hier demnächst noch öfter zu sehen bekommen. Ich bin nämlich nicht der Schlips- und Anzugträger und Stil und Form standen bei mir noch nie auf der obersten Prioritätenliste.“

      Nur wenige Minuten später stand Michael Wagner zum ersten Mal vor seinen neuen Mitarbeitern, deren Chef er ab diesem Donnertag notgedrungenermaßen werden sollte.

      „Meine Damen und Herren“, begann er seine kurze Rede. „Ich weiß, dass Sie alle denken, dass ich als designierter Juniorchef in den nächsten Tagen ein paar Schuhe anzuziehen versuche, die mir als längerfristig beurlaubten Polizisten eigentlich viel zu groß sind.“

      „Während Michael eine kurze Pause machte, sah er, dass ein Raunen durch die Menge seiner Zuhörer ging. Deshalb fuhr er umgehend fort:

      „Ich versichere Ihnen jedoch, dass ich mich, nach dem gewaltsamen Tod meiner Eltern, ab sofort der unerwarteten Herausforderung stellen und mich für die Firma ins Zeug legen werde. Vor allem aber sollen Sie wissen, dass ich nicht die Absicht habe, die Firma an das nächstbeste Konkurrenzunternehmen zu verkaufen.

      Was meinen derzeitigen Beruf bei der Polizei angeht, so werde ich im Moment dem Angebot meiner Vorgesetzten folgen, die mich zunächst für 18 Monate von meinem Dienst beurlauben wollen. Was danach geschieht, wird sich zeigen.

      Aber zunächst mal haben Sie damit ab sofort einen neuen Chef. Und meine Tante Waltraud hat dankenswerterweise zugesagt, mich in den nächsten Monaten bei der Geschäftsführung zu unterstützen.“

      Erneut ging ein leises Murmeln durch die, in der provisorisch freigeräumten Lagerhalle sitzenden Mitarbeiter der Spedition, die anscheinend froh waren, dass Ihre Arbeitsplätze zumindest in nächster Zeit noch erhalten bleiben würden.

      „Allerdings bin ich auf Ihrer aller Hilfe angewiesen, denn ich habe vom Geschäft meiner Eltern so gut, wie keine Ahnung“, fuhr der neue Juniorchef nun fort.

      „Daher bitte ich besonders die leitenden Damen und Herren unseres Teams, mich ab morgen in die Geheimnisse des Speditionswesens einzuweisen. Aber keine Sorge, ich will darüber hinaus – und zwar Schritt für Schritt – auch jeden Einzelnen von Ihnen im Verlauf meiner Einweisung kennenlernen.“

      Zuerst zögernd, dann aber immer mehr kam jetzt zustimmender Applaus von den Mitarbeitern der Wagner Logistik GmbH. Michael fiel dabei eine junge rothaarige Frau auf, die mit dem Beifall begonnen und die er auch schon bei der Beerdigung seiner Eltern gesehen hatte. Doch vor allem war er sich nahezu sicher, dass er die aparte Mittzwanzigerin von irgendwoher kannte.

      „Herr Wagner“, meldete sich die besagte hübsche Mitarbeiterin jetzt zu Wort. „Ich bin Anna Baur und mache hier bei uns mit meinem Bruder das kaufmännische Marketing und das Arbeits- und Einsatzmanagement unseres Fuhrparks.

      Und zusätzlich kümmere ich mich um die Kundenakquise sowie um die Angebots- und Vertragsgestaltung. Deshalb denke ich, dass mein Bruder und ich noch heute Nachmittag mit Ihnen das weitere Vorgehen Ihrer geplanten Einweisung besprechen sollten.“ Dabei zeigte Sie auf einen jungen Mann im Rollstuhl, der Michael ebenfalls bekannt vorkam.

      „Doch lassen Sie mich Ihnen zunächst einmal im Namen der gesamten Belegschaft für Ihre, für uns alle sehr ermutigenden Worte danken. Wenn wir alle zusammenhalten, werden wir das mit Ihrer Einweisung und Ihrem Einstieg ins Geschäft schon gemeinsam hinbekommen“, ergänzte Anna Baur mit einem freundlichen Blick aus ihren leuchtend grünen Augen.

      Michael war von der Replik der ausgesprochen gutaussehenden jungen Frau mit dem krausen roten Lockenkopf sofort beeindruckt. Vor allem aber schien ihm das, was er da an fraulich wohlproportionierter Figur wahrnahm und vor allem aber ihre hübschen Grübchen, die sie erst beim Lächeln zeigte, ausgesprochen gut zu gefallen – was nicht zuletzt auch von seiner Tante wohlwollend bemerkt wurde.

      „Okay, Frau Baur ich hatte heute ohnehin nichts Anderes mehr auf meiner To-Do-Liste. Ich schlage daher vor, dass wir uns dann gleich mit meiner Tante ins Büro meines Vaters zurückziehen und uns über die von Ihnen aufgeworfenen Themen unterhalten.

      Ich hoffe, dass das allen Mitarbeitern recht ist. Ich kenne zwar die organisatorischen Strukturen der Firma noch nicht so wirklich, glaube aber, dass es einen Grund hat, dass Sie hier und heute, sozusagen als Sprecherin der Belegschaft auftreten.“

      „Das ist richtig, Herr Wagner. Mein Bruder und ich waren bisher die leitenden Assistenten Ihres Vaters. Und außerdem hat man mich vor gut zwei Jahren zur Betriebsratsvorsitzenden gewählt, die in unseren bisherigen Betriebsversammlungen deshalb auch stets die Belegschaftsinteressen mit der Geschäftsführung zu diskutieren hatte.

      Dank der klugen Geschäftspolitik Ihres Herrn Vaters, haben wir dabei aber immer, wenn es Probleme gab, eine alle zufriedenstellende, gemeinsame Lösung gefunden.“

      „Gut zu wissen, Frau Baur – und danke für die Aufklärung, wir treffen uns dann in zehn Minuten im Büro meines Vaters“, erwiderte Michael Wagner spontan, ehe sich die Versammlung kurz danach auflöste und alle anwesenden Mitarbeiter wieder zu ihren Arbeitsplätzen zurückgingen.

      „Sag mal Tante Waltraud, diese Frau Baur und ihr Bruder – irgendwie kenne ich die beiden, aber ich komm’ im Moment nicht drauf, woher“, flüsterte Michael in Richtung seiner Tante, als er mit ihr zusammen in das große Büro seines Vaters auf der Chefetage ging.

      „Das kann schon sein, du vergesslicher Hirsch. Die beiden sind eineiige Zwillinge. Sie sind hier in Erding aufgewachsen. Und sie sind mit unserem Oberbürgermeister verwandt. Soweit ich weiß,