K.B. Stock

Die Firma des Piloten


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Ich glaube mich zu erinnern, dass sie von allen Jungs immer mit dem Spitznamen ‚Pippi Langstrumpf’ geärgert wurde.“

      „Und du hast dabei natürlich mitgemacht – oder?“ „Na ja, vielleicht – so genau weiß ich das nicht mehr. Aber ich hätte sie mit ihrem heutigen Aussehen niemals wiedererkannt.“

      „Ich hab’ schon an deinen wohlfälligen Blicken vorhin gemerkt, dass sie dir gefällt und du jetzt deshalb von deinen Jugendsünden nichts mehr wissen willst“, sagte Waltraud Wagner trocken. „Also benimm dich, wenn wir gleich mit ihr und ihrem Bruder zusammentreffen.

      Sie hat übrigens einen Master in Wirtschaftswissenschaften und dein Vater hat Anna Baur nach ihrem Studium vom Fleck weg – nicht nur angesichts ihrer super Noten – sondern auch wegen ihres praktischen Könnens engagiert.

      Und er hat darüber hinaus auch ihren nicht minder begabten Zwillingsbruder, nach dessen schlimmen Motorradunfall, als studierten Informatiker in die Firma geholt.“

      „Und woher weißt du Neugierige das alles?“, fragte Michael überrascht.

      „Erstens, mein lieber Neffe, bin ich schließlich hier in Erding aufgewachsen und habe – wie du dich sicher erinnerst – auch viele Jahre hier gewohnt. Und erst nach meiner Heirat bin ich vor rund 25 Jahren auf den Bauernhof meines inzwischen verstorbenen Manns ins Allgäu umgezogen.“

      Als man kurz darauf zu Viert in der Chefetage beieinandersaß, eröffnete Michael prompt das Gespräch. „Anna, ich weiß inzwischen von meiner Tante, dass wir uns von der Schule her kennen und auch Ihren Bruder habe ich wohl damals dort schon mal gesehen. Daher sollten wir – wenn euch beiden das als zukünftige Kollegen recht ist – zum ‚Du’ übergehen. Ich heiße übrigens Michael.“

      „Ja, ja Michael – ich hab’ dich schon gestern bei der Trauerfeier gleich wiedererkannt – du mich aber anscheinend nicht, weil ich damals noch etwas anders aussah.

      Liegt möglicherweise aber auch daran, dass du mich seinerzeit immer ‚Pippi Langstrumpf’ gerufen hast“, erwiderte Anna Baur nach einer kurzen Sprechpause mit einem spitzbübischen Grinsen.

      „Ich, ich .... ich entschuldige mich dafür Anna, ich hoffe du trägst mir das nicht mehr nach“, stotterte Michael mit roten Ohren augenblicklich ziemlich verlegen.

      „Nöh, ich hatte mich irgendwie schon damals mit dieser blöden Neckerei abgefunden, auch wenn mich das anfangs ziemlich geärgert hat.

      Nur hätte ich dich damals gerne als Freund gehabt, aber du zeigtest damals als Oberstufenschüler an dem hässlichen rothaarigen Entlein aus der Mittelstufe keinerlei Interesse.“

      Michael Wagner, dessen Wangen sich bei dieser Antwort von Rot auf die Farbe Dunkelrot verfärbten, holte tief Luft und sagte schließlich: „Ich war damals halt ein Idiot – reicht das als Kommentar meinerseits?“

      „Ja Michael, und jetzt wollen wir dieses Thema ein für allemal abhaken, damit du mir hier nicht gleich heute schon vor lauter überflüssiger Aufregung aus der Spur gerätst.“

      Bei dieser Antwort Annas konnte Waltraud Wagner ihr bislang mit gekonnt stoischer Miene mühsam zurückgehaltenes Lachen nicht mehr unterdrücken.

      „Ich mach’ uns jetzt allen erst mal ’nen Kaffee, dann könnt ihr euch in der Zwischenzeit wieder beruhigen“, sagte sie deshalb mit leise vor sich hin glucksender Stimme, während sie in die Kaffeeküche nach nebenan verschwand.

      Als sie wieder mit dem dampfenden Gebräu auf einem Tablett erschien, setzte Anna Baur sofort wieder an.

      „Nun mal zur Sache, mein lieber Herr Juniorchef. Ich glaube, das Allerwesentlichste, was du als künftiger Leiter dieses Betriebs als Erstes mal kapieren musst ist, wie eine Spedition eigentlich funktioniert und wie vor allem die in deiner künftigen Firma auf den ersten Blick gar nicht so sichtbaren betrieblichen Abläufe dabei zusammenwirken.“

      Michael Wagner fühlte sich von dem Rede-Stakkato seiner künftigen Assistentin in diesem Augenblick mehr als geplättet, als diese auch schon wieder weitersprach.

      „Nun Michael, was will ich damit sagen? Zunächst einmal – es geht bei der Wagner Logistik GmbH primär um das stete Hereinholen von Transportaufträgen, deren Bearbeitung sowie um die anschließende, vertragsgemäße Abwicklung aller Frachtangelegenheiten.

      Und das bedarf einer permanenten Auftragsverfolgung und Ablaufsteuerung. Dazu gehört aber zudem eine sinnvolle und validierbare Prozessüberwachung aufgrund realer und zeitnah erfasster Daten, weil wir nur so unsere Dienstleistungen im Sinne eines zeitgemäßen Controllings erfolgreich überprüfen und optimieren können.“

      „Deshalb dieser große Computersaal mit den vielen Bildschirmen und Displays. Sah für mich bei meinem letzten flüchtigen Besuch bei meinem Vater fast so aus, wie unser Lagezentrum bei der Polizei“, warf der gespannt zuhörende Michael Wagner an dieser Stelle ein.

      „Genau – und das Lagezentrum ist mein Job als Cargo-Dispatcher und Fuhrparkleiter, während meine Schwester primär den kaufmännischen Bereich abdeckt“, meldete sich jetzt Max Baur zum ersten Mal zu Wort.

      „Ich werd’ dir das in den nächsten Tagen mal genauer zeigen – aber dein Vergleich mit einem Einsatzlagezentrum ist gar nicht so falsch.

      Unsere logistischen Aufgaben sind ja heutzutage weit mehr, als nur der bloße Gütertransport von A nach B. Es geht nämlich zudem um den Warenumschlag und demzufolge außerdem um das zeitweise Lagern von Transportgütern, vor allem, wenn es sich um Stückgutfracht und eilige Güter handelt.

      Dies deshalb, weil wir nur in seltenen Fällen nur eine einzige Kundenadresse anfahren und die aufgenommene Ladung zu nur einem Bestimmungspunkt bringen müssen.

      Was demnach bei mir zusammenläuft, sind alle Daten zu den Auftragsdetails nach Frachtmengen, Abhol- und Lieferorten sowie zusätzlich alle Termine und die per GPS15 gemeldeten, aktuellen Standorte unserer Lastzüge, einschließlich der Informationen zu deren im Moment freien und belegten Kapazitäten.

      Denn nur so können wir ein optimales Dispositionsmanagement auf der Zeitachse hinbekommen und Leerfahrten, soweit es eben geht, vermeiden.

      Das ist übrigens auch unser höchster Trumpf in Sachen Zuverlässigkeit und Güte – und das unterscheidet uns von den meisten Konkurrenten. Mithilfe unserer Technik sind wir nämlich in der Lage, bei unvorhergesehenen Problemen oder Wünschen äußerst flexibel einzugreifen und im Sinne unserer Kunden auf plötzliche Veränderungen zu reagieren.“

      „Das klingt ziemlich spannend, und jetzt, wo du mir das so erklärt hast, leuchtet natürlich ein, warum Vaters Firma bisher so erfolgreich war. Wieso können die ganz großen Speditionen so etwas nicht?“, fragte Michael gleich weiter.

      „Och, die könnten das mit ihrem Equipment schon, aber die setzen halt mehr auf Masse statt auf Klasse und da bleiben die diversen Kundenwünsche so manches Mal auf der Strecke“, nahm nun Anna Baur wieder den Gesprächsfaden auf.

      „Letztlich ist aber nur unser Weg der Schlüssel, um eine dauerhafte Kundenzufriedenheit sicherzustellen. Und das zahlt sich letztlich aus, denn nur zufriedene Kunden kommen gerne wieder.“

      Nach einer kleinen Pause fuhr Anna fort. „Das soll jetzt fürs Erste einmal als grobe Skizze reichen. Mehr Einzelheiten wirst du erfahren, wenn du ab morgen durch unsere Abteilungen gehst.

      Da wir hier bei uns nach dem Willen deines Vaters eine flache Organisationsstruktur eingerichtet haben, gibt es davon nur vier, die für dich von besonderer Bedeutung sind.

      Ich schlage daher vor, dass du dir in den kommenden Tagen zunächst einmal das Revier von Max genauer anschaust. Das ist nämlich das Herz unseres Geschäfts. Danach werde ich dich in den kaufmännischen Bereich der Spedition einweisen.

      Darüber hinaus musst du dir aber auch unbedingt noch unsere Lagerhaltung mit dem Warenumschlag und nicht zuletzt auch unsere Buchhaltung zu Gemüte führen.

      Unser Lagerleiter Wilhelm Brand und unsere Chefbuchhalterin Christine