K.B. Stock

Die Firma des Piloten


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zu fallen. Heftig atmend und kalkweiß im Gesicht fragte er dann mit brüchiger Stimme: „Seid ihr euch wirklich sicher?“

      „Ja, Herr Wagner“, mischte sich jetzt Dr. Hofmannmit leise in das Gespräch ein.

      „Eine hinzugekommene Passantin, die in der Firma Ihres Vaters arbeitet, hat die beiden einwandfrei erkannt. Ich habe eben mit dem Notarzt telefoniert. Ihre Eltern sind mittlerweile auf dem Weg in die Rechtsmedizin. Aber soviel kann ich Ihnen schon sagen – sie mussten nicht leiden. Und kein Notarzt dieser Welt hätte ihnen angesichts ihrer massiven Kopfverletzungen noch helfen können.“

      „Ich will sie sehen – und zwar jetzt sofort“, schrie Michael Wagner wie ein waidwundes Tier auf, während er an allen Gliedern zitternd aufsprang.

      „Das geht jetzt noch nicht, Micha. Dafür bleibt später noch genug Zeit. Ich fahr’ dich nachher selber in die Gerichtsmedizin rüber nach München“, nahm POR8 Wolf das Gespräch wieder auf, während Michael Wagner die Tränen seiner Trauer nicht mehr zurückhalten konnte.

      „Wir werden diese brutalen Schweine kriegen“, fuhr POR Wolf fort. „Inzwischen ist das ein Fall für die Münchner Kripo und du brauchst jetzt erstmal Zeit, um wieder zu dir zu kommen. Deshalb wird dich Dr. Hofmann gleich auf unbestimmte Zeit krankschreiben.

      Er und ich wollen nämlich, dass du dich von diesem Schicksalsschlag erholst und keinen Schaden nimmst. Und ich weiß, was da angesichts Trauer und Beerdigung demnächst auf dich zukommt.“

      „Bitte nicht“, flüsterte Michael heiser. „Ich muss bei der Jagd auf diese Drecksschweine helfen. Das bin ich meinen Eltern schuldig.“

      „Später Michael, später. Ich halte dich auf dem Laufenden, aber versprich mir, dass du jetzt nichts Unüberlegtes tust.“

      „Aber ich bin doch mit schuld daran, dass sie überfahren wurden. Wir waren einfach nicht schnell genug vor Ort.“

      „Hör’ endlich auf mit diesem Scheiß“, entgegnete POR Wolf vehement. „Du weißt sehr gut, dass ihr in Rekordtempo zur Stelle wart. Und nichts und niemand auf dieser Welt hätte den Mord an deinen Eltern verhindern können. Auch ihr mit eurem Hubschrauber nicht.“

      Gleich darauf nahm Heinrich Wolf seinen Piloten freundschaftlich in den Arm.

      „Du bist nicht alleine, Micha, auch wenn im Moment die ganze Welt über dir einzustürzen scheint. Glaub’ mir, wir alle hier werden dir helfen und die Kollegen von Bundespolizei und der Kripo tun das ganz bestimmt auch.“

      Doch bereits in den nächsten Tagen wurde klar, dass die Verbrecher durch das aufgespannte Netz der Fahnder geschlüpft waren. Zwar hatte man in dem geborgenen Porsche DNA-Spuren und auf der Innenseite des Tankdeckels zwei Teilabdrücke sichern können, diese waren aber polizeilich nicht erfasst.

      Und inzwischen wusste man anhand der auf dem Waldweg aufgefundenen Reifenspuren, dass es sich bei dem mutmaßlichen zweiten Fluchtfahrzeug um einen VW Touran gehandelt haben musste, der dann auch auf dem von Edelweiß 3 beim Überflug der Schlossallee aufgenommenen Video ausgemacht werden konnte.

      Allerdings blieb unklar, in welche Richtung dieses silbergrau lackierte Fahrzeug auf die Flughafentangente eingebogen war. Außerdem blieb der VW Geländewagen sowohl bei der unmittelbar nach dem Vorfall durchgeführten Kontrolle der Parkplätze am Flughafen, als auch bei den sofort an den benachbarten Grenzen eingerichteten Kontrollen zunächst einmal verschwunden.

      Erst gut drei Wochen später fand ein Landwirt in einem Steinbruch an der deutsch-österreichischen Grenze bei Bad Reichenhall ein ausgebranntes Wrack, das kurze Zeit später als das gesuchte Fahrzeug identifiziert wurde.

      Daraus zog man den Schluss, dass die Täter wahrscheinlich über Österreich nach Italien oder in Richtung Balkan entkommen waren. Und da es sich bei dem VW – genauso, wie bei dem Porsche Cayenne – um ein in Starnberg gestohlenes Fahrzeug handelte, führte auch diese Spur nicht wirklich weiter.

      Der einzige – zu diesem Zeitpunkt aber unbeachtete – Hinweis fand sich erst sehr viel später in den Einsatzberichten der sofort an den Abfluggates des Münchner Flughafens durchgeführten Personenfahndung.

      Hier hatten Beamte der Bundespolizei u.a. auch zwei, den Ausweisen und Polizeidaten nach, bislang unbescholtene junge Männer aus der Münchener Promiszene kontrolliert, die – begleitet von zwei nicht minder prominenten Damen – auf dem Weg in den Italienurlaub gewesen waren.

      Da die Personaldaten absolut stimmig schienen – und weil auch das Gepäck der jungen Leute keinen Anlass zur Beanstandung gegeben hatte, ließ man die beiden Pärchen aber letztendlich ziehen.

      In den ersten beiden Tagen nach dem brutalen Überfall hielt sich Michael Wagner meist in seinem großen, an das Haus seiner Eltern angebauten Junggesellenappartement auf.

      Das tiefe Loch, in das er wegen der Ermordung seines Vaters und seiner Mutter gefallen war, wurde durch das nasskalte Sauwetter, das sich zum Beginn des Monats Juni mit Sturzregen und kühlen Temperaturen noch intensiviert hatte, zusätzlich verstärkt.

      Schon am Samstagmorgen nach dem Anschlag auf seine Eltern, war seine einzige Verwandte, die Schwester seines Vaters, bei ihm eingetroffen und hatte mit ihm zusammen die so plötzlich aus dem Leben Gerissenen beweint und ihn – wenn auch ohne Erfolg – zu trösten versucht.

      Aber wie es ihre anpackende Art war, hatte Tante Waltraud, die nach dem frühen Krebstod ihres Ehemanns ihren früheren Mädchennamen ‚Wagner’ wieder angenommen hatte, sich sofort danach der Situation gestellt und auf Michaels Bitte hin in der Firma ihres Bruders vorläufig das Steuer in die Hand genommen.

      Als sich Michael Wagner am 04. Juni 2013 bei einem späten Frühstück gerade eine Nachrichtensendung im Morgenfernsehen anschaute, in der über die rapide steigenden Flusspegel in ganz Bayern und Österreich berichtet wurde, klingelte Michaels Smartphone.

      „Michael, Wolf hier. Wir haben hier in der Staffel ein Problem. Ich weiß, dass du im Moment wahrlich anderes um die Ohren hast, aber wir könnten dich heute hier gut gebrauchen.“

      „Das Hochwasser, stimmt’s?“, fragte Michael sofort. „Gut geraten, damit hat’s zu tun“, erwiderte POR Wolf augenblicklich.

      „Wir haben im Moment beinahe alle Kollegen im Einsatz. Nur für Markus fehlt uns momentan der Pilot, weil dein Nachfolger noch im Auslandsurlaub ist und deshalb erst ab der nächsten Woche verfügbar sein wird.

      Heute Morgen hat uns Innenminister Karl Schwarz angerufen, weil er sich gerne aus der Luft ein persönliches Bild von der augenblicklichen Hochwasserlage an der Donau machen würde.

      Da unsere übrigen Hubschrauber und auch die der Bundespolizei bereits seit Samstag alle im Einsatz sind, lautet meine Bitte: Wärst du trotz allem bereit, ab heute Mittag bei uns einzuspringen, um den Herrn Minister zusammen mit Markus über Regensburg und Deggendorf bis nach Passau und danach wieder hierher zurück zu fliegen?“

      „Klar Heinrich. Einverstanden – ich komme gern. Hier fällt mir sowieso allmählich die sprichwörtliche Decke auf den Kopf. Vielleicht ist da ein wenig Ablenkung ganz nützlich. Meine Tante ist schon wieder in der Firma und hilft dort aus, weil ich mich dazu noch nicht aufraffen konnte.“

      „Gut, aber fühlst du dich fit genug für diesen Einsatz?“, fragte POR Wolf zurück. „Sicher, das ist kein Ding. Am Nachmittag soll ja zumindest der Starkregen, dem Wetterbericht zufolge, ein wenig nachlassen.

      Ich mach’ mich dann nachher gleich auf den Weg, will vorher nur noch meiner Tante Bescheid sagen. Markus soll schon mal unseren Heli vorbereiten – und sage ihm bitte, er soll voll auftanken. Ich hätte bei einem VIP-Transport bei diesem Wetter nämlich gern ausreichend Reserve an Bord.“

      „Richte ich ihm aus, Michael – also dann bis nachher“, beendete Heinrich Wolf an dieser Stelle das Gespräch.

      Schon eine gute Stunde vor dem geplanten Starttermin, kam Michael Wagner