Christine Boy

Das Blut des Sichellands


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zweiten Mal erreichte. "Du hättest ihn schon fast soweit gehabt, Rahor."

      "Ich will eigentlich nicht mehr davon reden. Du warst genauso gut, wenn du dir nicht diesen einen Patzer erlaubt hättest. Und das, was Lennys mit ihm angestellt hat,... davon war ich noch meilenweit entfernt."

      Lennys lachte.

      Sie lag auf ihrem Bett, hörte den beiden Männern amüsiert zu und schien sich dabei ihren eigenen Teil zu denken.

      "Könnt ihr nicht endlich damit aufhören? Wen kümmert schon so ein Schaukampf? Und wen kümmert überhaupt der Säbel? Es wird Zeit, dass das ein Ende hat!"

      "Ich weiß schon..." erwiderte Rahor. "Du kämpfst lieber mit der Sichel. Was ist denn dran an dem Gerücht, dass du und Cala... ?"

      "Er hat die Herausforderung angenommen, wenn du das meinst. Auch wenn Wandan das nicht passt. Aber sie wollen nicht, dass jemand zuschaut. Ich kann dir ja dann erzählen, wie es war."

      Racyl sah ihren Bruder und Lennys verwirrt an.

      "Cala? Herausforderung? Du meinst... du willst gegen ihn kämpfen? Aber... aber doch nicht etwa... mit der Sichel?"

      "Was dagegen, Kleines?" Lennys lachte erneut und zupfte spielerisch an einer Haarsträhne Racyls. "Hast du Angst um einen von uns beiden? Um wen denn genau?"

      Sie fing einen Blick von Rahor auf, der sie eindeutig darum bat, nicht weiter zu sticheln. Der Sijak und das Hochgefühl der letzten Tage ließen die Wirkung der Bitte fast vollständig verpuffen, aber schließlich zuckte sie nur die Achseln.

      "Lass nur. Wir sind ja hier von großen, anständigen Jungs umgeben. Ich darf gar nicht daran denken, dass ich sie nun überhaupt nicht mehr loswerde. Beide zum Burgdienst in Vas-Zarac befördert... ich frage mich, wann ich mal wieder meine Ruhe habe."

      "Es wird sehr einsam hier werden, wenn ihr alle weg seid..." sagte Racyl traurig. Rahor tätschelte ihr sanft die Schulter.

      "Wir sind doch gar nicht weg. Wahrscheinlich sind wir an wenigstens zwei Tagen in der Woche hier. Und wenn Saton auf Reisen ist, sogar mehr. Außerdem hast du doch hier noch viele andere Freunde."

      "Es ist aber nicht mehr dasselbe."

      Garuel grinste. "Stimmt. Es wird Zeit, dass du dich mal mit vernünftigen Menschen umgibst. Nicht immer nur mit Regelbrechern wie uns."

      Es schien, als wolle Racyl noch etwas sagen, doch Rahor stand plötzlich auf.

      "Lennys... könnte ich dich kurz unter vier Augen sprechen?"

      "Wozu?" Die Tochter des Shaj räkelte sich auf ihrem Bett und gähnte herzhaft. "Wenn du etwas zu sagen hast, sag es doch. Und wenn du gerade schon stehst, kannst du mir noch einmal die Flasche geben."

      "Ich würde dich nicht bitten, wenn es mir nicht so wichtig wäre. Es dauert nur einen kleinen Moment."

      "Nervensäge...." zischte sie, rappelte sich dann aber doch auf.

      Der Waschraum lag direkt gegenüber von Lennys' Schlafzimmer und war angenehm kühl. Nur selten fielen Sonnenstrahlen durch das winzige Fenster und so war es auch jetzt, obwohl es gerade erst dämmerte, schon fast vollkommen dunkel in der kleinen Kammer.

      Rahor war froh darüber. Er war alles andere als feige, aber das änderte nichts daran, dass ihm das, was er sagen wollte, leichter fallen würde, wenn er Lennys Blick dabei ein wenig ausweichen konnte.

      "Ich... ich weiß nicht so ganz, wo ich anfangen soll..."

      Sie stieß einen ungeduldigen Laut aus.

      "Das hättest du dir ein bisschen früher überlegen sollen. Du hast gesagt, es dauert nicht lange."

      "Ja... richtig. Also... es... es ist wegen Racyl."

      "Ach?" schnaubte Lennys abfällig. "Kommt jetzt die Besorgter-großer-Bruder-Leier?"

      "Nein. ... Oder vielleicht doch. Sieh mal... du... also... meine Güte, Lennys, siehst du es denn nicht? Sie ist... verrückt nach dir. Ich hasse es, das zu sagen, aber es ist eben so! Sie redet nur von dir, auch wenn du nicht da bist."

      "Ja und?"

      "Würde es sehr übertrieben klingen, wenn ich sage, du brichst ihr grade das Herz?"

      "Würde es."

      "Und wenn es so ist? Wir gehen weg von hier. Wir alle. Du auch. Nur sie bleibt zurück. Egal, was Garuel sagt, Racyl hat recht. Es wird nie mehr so sein wie bisher. Die zwei oder drei Tage, die wir noch hier sind in der Woche... das ist nicht mehr dasselbe."

      Gelangweilt trommelte Lennys mit den Fingerkuppen auf den Rand eines steinernen Beckens.

      "Und wenn schon? Das wusste sie vorher! Warum tut ihr alle so, als käme das total überraschend?"

      "Tun wir doch gar nicht! Aber sie sieht das eben nicht so gelassen wie du! Es verletzt sie, dass es dir überhaupt nichts ausmacht."

      "Was sollte es mir denn ausmachen?"

      Rahor wurde blass.

      "Sie ist dir egal, oder? Sie vergöttert dich und dir ist das egal. Sie würde alles für dich tun, aber du bemerkst es nicht einmal. Und ich weiß, es geht mich nichts an. Das willst du mir sagen, oder? Aber es ist meine Schwester!"

      "Das weiß ich. Und du übertreibst maßlos. Du tust so, als wäre sie mir völlig gleichgültig."

      "Ist sie das nicht?"

      Plötzlich wurde Lennys sehr ernst.

      "Nein. Nicht so wie du denkst. Aber ich bin nicht wie du, Rahor. Und ich bin auch nicht wie Racyl. Was soll ich deiner Meinung nach tun? Soll ich sie trösten, weil unsere Ausbildung vorbei ist? Soll ich so tun, als würde ich den Kasernen nachweinen? Ich war hier zu Hause, ich habe mich wohl gefühlt, aber jetzt beginnt eben ein neues Leben. Wieder daheim, in meiner Burg. Warum soll ich jammern? Nur, weil sie es tut? Willst du, dass ich sie belüge?"

      "Wird sie dir denn nicht fehlen?"

      "Warum? Sie kann doch genauso gut nach Vas-Zarac kommen an ihren freien Tagen. Wenn wir sie einladen, darf sie das, wo ist das Problem? Außerdem leistest du doch deinen Dienst in der Burg. Sie kann dich besuchen, das ist nicht verboten!"

      Rahor hob die Brauen.

      "Das würdest du erlauben? Dass sie mich... und dich... besucht?"

      "Warum nicht? Ich bin schließlich alt genug!"

      Etwas beruhigter lächelte Rahor.

      "Könntest... du ihr das vielleicht sagen? Ich meine, es würde sie sicher freuen, wenn sie wüsste, dass du sie auch weiterhin sehen willst..."

      "Manchmal bist du wirklich lästig."

      Die meisten Säbelschüler verabschiedeten sich ein wenig wehmütig von den Kasernen. Sie standen noch nicht am Ende ihrer Ausbildung, aber es begann trotzdem ein neuer Lebensabschnitt. Vorbei waren die sorglosen Tage, in denen man sich nur um den Unterricht zu kümmern hatte und in denen ein Fehler oder ein regelwidriges Verhalten zwar durchaus unangenehme Konsequenzen haben konnte, jedoch keineswegs das Leben oder die Gesundheit eines anderen bedrohte.

      All dies änderte sich nun nach den Säbelprüfungen. Zwar gehörte es immer noch zu ihren Pflichten, regelmäßig den Kasernenunterricht zu besuchen, doch die Theoriestunden und das vergleichsweise harmlose Kampftraining traten nun in den Hintergrund.

      Das wahre Leben rief.

      Während die weniger begabten Schüler ihren Dienst bei den Turmwachen, den Tempelgarden oder den Stadtpatroullien verbrachten, durften die Besten des Jahrgangs bei hohen Säbelwächtern, Generälen oder gar den Kriegern der Burg Vas-Zarac in die Lehre gehen. Viele Jahre waren schon ins Land gezogen, in denen kein einziger Zögling gut genug für den hohen Burgdienst gewesen war, hin und wieder war aber sogar mehreren zugleich dieser entscheidende Schritt gelungen. Akosh und Iandal, beide seit einigen Wochen wahre "Erwählte", hatten zu diesen besonders talentierten Kämpfern gehört, doch beide schienen nur ein schwacher Schatten derer zu sein, die