Christine Boy

Das Blut des Sichellands


Скачать книгу

      "Sie ist gut. Sehr gut. Vielleicht zu gut. Ich fürchte, ich habe ihr ein Zugeständnis gemacht, das ich jetzt bereue."

      Saton horchte neugierig auf.

      "Du? Ein Zugeständnis?"

      "Ich habe mich auf eine dumme Wette mit ihr eingelassen. Manchmal hat sie eine ziemlich einnehmende Art. Sie meinte, sie würde Bohain bei der Riegenprüfung besiegen."

      "Und du hast dagegen gewettet?"

      "Ja. Wider besseren Wissens. Ich wollte sie eigentlich nur ins Zweifeln bringen, mehr nicht."

      "Und was hast du eingesetzt?"

      Wandan seufzte beklommen.

      "Es ist mir so herausgerutscht. Ich... ich sagte, bevor sie Bohain im Säbelduell schlägt, würde sie eher... Cala im Sichelkampf besiegen."

      Saton unterdrückte ein Grinsen. "Ein schlechter Vergleich. Es gibt nur zwei Menschen, die Cala die Sichel aus der Hand schlagen können und die sitzen beide hier."

      "Sie will es darauf ankommen lassen."

      "Ach, so ist das. Wenn sie also gegen Bohain gewinnt, erlaubst du ihr, mit der Sichel Cala herauszufordern?"

      Wandan senkte das Haupt. "Es tut mir leid. Es war dumm von mir, mich auf so etwas einzulassen."

      Nun bedeutend entspannter lehnte sich Saton wieder zurück.

      "Ich sehe nicht, wo das Problem ist. Ehrlich gesagt, wäre ich auf beide Kämpfe recht gespannt. Vergiss nicht, sie ist meine Tochter. Und so sehr ich Bohain und Cala schätze, ...ich kann nicht behaupten, dass ich eine Sieg durch Lennys bedauern würde."

      "Das würde ich auch nicht. Aber es wäre nicht gut für die Moral unter den Cas oder in der Kaserne, wenn die namhaftesten Krieger einer Sechzehnjährigen unterliegen."

      "Nun, natürlich würde es sie frustrieren, aber sie würden auch lernen, noch mehr Respekt vor der künftigen Shaj zu haben. Es ist Lennys' Art, sich Ehrfurcht zu verschaffen. Du kannst zumindest nicht mehr behaupten, dass sie nur von ihrem Namen zehrt."

      Immer noch nicht voll und ganz überzeugt, setzte Wandan noch einmal an.

      "Ich verstehe dich, Saton. Sowohl deine Worte als Vater als auch deine Entscheidungen als Shaj. Aber ich sehe diese Schwierigkeiten, die für dich keine sind, in der Gesamtheit. Lennys nimmt manches noch zu leicht, sie macht sich zu wenig Sorgen um ihre eigene Sicherheit und hin und wieder tendiert sie dazu, sich zu überschätzen oder zumindest nicht mit der nötigen Bescheidenheit voranzuschreiten. In Gefahrensituationen könnte diese Kombination für sie unangenehm werden. Und wir sollten auch nicht vergessen, dass ihr Bild in der Öffentlichkeit sich nicht ändern wird, wenn sie eines Tages den Thron besteigt. Sie sollte schon vorher respektiert werden - im Volk. Nicht nur bei den Kriegern. In vielerlei Hinsicht hat sie große Fortschritte gemacht. Aber noch ist sie weit davon entfernt, eine Shaj..."

      Wandan musste nicht weitersprechen. Er erkannte an Satons Blick, dass der Shaj begriffen hatte.

      "Ich bin wohl auch ein wenig zu euphorisch." gestand er. "Und du hast recht. Was die Sache mit Bohain und Cala angeht, so bitte ich dich aber dennoch, dein Wort zu halten. Sie soll den Kampf mit Cala erhalten, falls es ihr gelingt, Bohain zu besiegen. Ich weiß, es gefällt dir nicht, aber vielleicht ist dieses frühe Aufeinandertreffen mit würdigen Gegnern besser für sie als wir denken."

      "Wie du wünschst."

      "Was diese andere Sache angeht... bitte behalte sie ein wenig im Auge. Gegen heimliche Treffen hinter der Kasernenmauer habe ich nichts einzuwenden. Aber sollte sie sich weiter entfernen, möchte ich, dass du ihr folgst. Zu ihrer eigenen Sicherheit. Erstatte mir Bericht. Umgehend. Falls möglich, würde ich mir dann auch gern selbst ein Bild davon machen."

      30. Tag des Assben im 24. Jahr Satons

      Die Sonne strahlte über dem Kasernengelände, als Rahor gemeinsam mit seiner Schwester die Rasenfläche erreichte, auf der einige ältere Schüler, unter ihnen auch Lennys, ihre freien Stunden genossen. Racyl schlug das Herz bis zum Hals. So nah war sie Satons Tochter seit ihrem ersten Tag hier nicht mehr gewesen.

      "Lennys, du kennst meine Schwester Racyl ja schon. Auch wenn es eine Weile her ist."

      Racyl deutete eine leichte Verbeugung an.

      "Ich habe ein gutes Gedächtnis, Rahor, es ist unnötig mich an sie zu erinnern."

      Sie bewegte sich keinen einzigen Schritt auf das flachsblonde Mädchen zu. "Dann sag mal, ...ist dein Bruder zu Hause auch immer so furchtbar vernünftig? Mir scheint, er will gar keinen Spaß im Leben haben."

      Racyls Lippen bebten. Sie wusste nicht recht, was sie sagen sollte.

      "Nun... ich... also... ich weiß nicht..."

      "Tut mir leid, Lennys." grinste Rahor. "Ich fürchte, Racyl ist noch viel vernünftiger als ich. Sie lernt viel, weißt du."

      "Ach? Wie langweilig. Und ich dachte immer, die Familie Req-Nuur hätte ein bisschen Feuer im Blut."

      "Nicht jedes Feuer brennt auf die gleiche Weise." Racyl wusste nicht, warum sie das gesagt hatte, es war ihr einfach nur so herausgerutscht, doch Lennys lächelte. Verblüfft starrte Racyl sie an.

      "Ich treffe mich nach Sonnenuntergang mit ein paar Leuten hinter der Mauer bei den Stallungen. Ihr könntet mitkommen. Damit ihr nicht noch eines Tages an eurer Vernunft erstickt. Das gilt auch für dich." Sie sah zu Garuel, der sich mittlerweile aufgesetzt hatte und der Unterhaltung gespannt folgte.

      "Gern." sagte er jetzt. "Wird Karuu auch da sein?"

      "Vermutlich."

      "Und Sama?"

      "Hoffentlich nicht. Ich finde sie in letzter Zeit ziemlich lästig. Du hast mir keinen Gefallen damit getan, dass du sie abgewiesen hast, Rahor."

      Garuel und Rahor lachten. "Sie mag dich eben."

      "Ich kann nichts mit Leuten anfangen, die sich bei mir anbiedern, nur weil mein Vater..."

      "Hee..." tönte es diesem Moment von den Schlafgebäuden herüber. "Heee... Lennys!" Orcus, der vorlaute Säbelschüler stolperte ihnen entgegen.

      "Na, der hat mir gerade noch gefehlt." murmelte Lennys missmutig. "Was ist denn?"

      Als Orcus sie erreichte, war er nur mäßig außer Atem. Er hatte eine gute Kondition, auch wenn er gerade über das ganze Gelände gerannt zu sein schien.

      "Stimmt es, dass ihr euch heute abend hinter der Mauer trefft?"

      Lennys verdrehte die Augen. "Angenommen, du hättest vor, geringfügig gegen einige - wenn auch überflüssige - Regeln zu verstoßen, was würdest du dann davon halten, wenn jemand anderes das über den ganzen Platz posaunen würde?"

      "Also stimmt es?" Er strahlte.

      "Orcus, du redest zu viel. Und manchmal hörst du auch zu viel. Behalte das also für dich, klar?"

      "Klar! Darf ich auch kommen? Ich kann Sijak mitbringen!"

      Rahor prustete. "Sijak? Wo willst du den denn hernehmen?"

      "Hab ihn gewonnen. 'Ne Wette mit dem Tavernenwirt. Zwei Flaschen!"

      Lennys zuckte die Achseln. "Ist nicht viel. Außerdem haben wir schon welchen. Aber wenn du unbedingt willst, dann komm. Und wehe, du verplapperst dich!"

      "Nee, tu ich nicht. Was is' mit euch? Oh, da ist ja Racyl. Hab dich gar nicht geseh'n. Ihr kommt auch, oder?"

      "Sie trauen sich nicht." bemerkte Lennys trocken.

      "Das stimmt nicht!" Rahor protestierte. "Es ist nur..."

      "Was? Unvernünftig? Schon klar, Rahor. Garuel, was ist mit dir?"

      Garuel lächelte. "Verehrte Lennys, wie könnte ich mich deiner Gesellschaft entziehen? Natürlich komme ich."

      "Endlich mal jemand, der sich zu benehmen weiß.