Carmen Sommer

Der Tag, an dem sich alles veränderte


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      Der Pfleger legte den Arm um Lu und führte sie an Taylors Bett. Er schaute sie an. Und bevor er für immer von ihr ging, nahm er ihre Hand. Noch einmal war sein Blick intensiv und geheimnisvoll.

      „Ich liebe dich, Lu. Über alles“, flüsterte er leise.

      Dann ging er, für immer, bevor sie ihm noch einmal sagen konnte, wie sehr sie ihn liebte.

      Lu streichelte über sein Gesicht und küsste ihn, das allerletzte mal. Lange hielt sie noch seine Hand und saß weinend an seinem Bett. Man ließ auch Nick und Alicia zu Taylor. Sie sollten Zeit genug haben, um von ihm Abschied zu nehmen.

      Es war für alle ein Schock. Gerade noch wollte man fröhlich miteinander feiern, doch dann war alles vorbei. Alles war anders. Das Leben von Lu hatte sich in ein paar Stunden vollkommen geändert. Gerade noch war sie glücklich mit Taylor. Jetzt hatte er sie verlassen. Sie war allein. Lu hatte ihre große Liebe verloren, von einer Sekunde auf die andere. Sie fühlte nur noch Schmerz, Trauer und eine Wut, die sie nicht beschreiben konnte. Nie würde sie Taylor vergessen. Nie wieder würde sie einen anderen Mann lieben. Das hatte sie versprochen.

      Für Nick war der Tod seines besten Freundes nicht einfach. Aber für Lu brach eine Welt zusammen. Er musste sie wieder aufbauen und ihr helfen, über die Trauer hinwegzukommen, dass hatte er Taylor versprochen. Wie er das schaffen sollte, wusste er selbst nicht. Als Tim die Nachricht erfuhr, war auch er am Boden zerstört. Er hatte sich schon ausgemalt, mit seinem Freund zusammen, in der Firma seines Vaters zu arbeiten. Auch für den Vater von Tim war es ein Schock.

      Die Eltern von Taylor konnten nicht glauben, dass ihr Sohn nicht mehr am Leben war. Ebenso erging es der Mutter von Alicia. Sie hatten sich alle schon so auf die Hochzeit der beiden gefreut. Und nun? Es kamen viele Leute zu der Trauerfeier von Taylor. Jeder, der ihn kannte, konnte es nicht fassen, dass Taylor nicht mehr unter ihnen sein würde. Lu sprach kaum ein Wort. Nick, Alicia und Tim stützten sie, als sie am Grab standen. Lu flüsterte immer wieder leise seinen Namen. Lange standen sie so da. Die Trauergäste hatten den Friedhof bereits verlassen, als Lu sich hinunterbeugte.

      „Ich liebe dich Taylor. Für immer.“

      „Wir müssen jetzt gehen, Lu“, bat Nick.

      Lu nickte. Sie ging mit ihren Freunden weinend davon.

      Von dieser Stunde war auch Tim ein treuer Begleiter der drei. Auch er versuchte mit Hilfe von Alicia alles, damit die beiden wieder am Leben teilnahmen.

      Lu stürzte sich mit aller Kraft, die sie noch hatte, in ihr Studium. Nick erging es nicht anders. Das sollte im Moment ihr Lebensinhalt sein. So verging die Zeit. Jeden Tag, vermisste Lu Taylor mehr. Sie musste sich selbst zusammenreißen, um nicht alles hinzuwerfen. Nick erging es ähnlich. Aber er versuchte wirklich sein bestes, damit er und Lu wieder am Leben teilnahmen. Über die Sorge um Lu vergaß er etwas seinen eigenen Schmerz. Dabei unterstützen ihn immer Alicia und Tim. Alicia hatte immer ein offenes Ohr. Nick redete oft mit ihr über Taylor. Das half ihm über einiges hinwegzukommen. Lu aber sprach kein Wort darüber. Sie trauerte. Taylor war ihre große Liebe und nun war er nicht mehr hier. Nie wieder würde er sie anschauen, anlächeln, in die Arme nehmen und küssen. Damit musste sie zuerst einmal fertig werden. Sie vermisste ihn. Sehr. Vielleicht konnte sie ja irgendwann mit jemanden darüber reden. Aber im Moment war sie wie gelähmt.

      Alicia hatte vor ein paar Tagen Jonas kennengelernt und war froh, dass sie mit ihm über alles reden konnte. Sie redete zwar auch oft mit Tim über alles, aber bei Jonas war es wieder etwas anderes. Er war nicht betroffen. Jonas arbeite bereits seit zwei Jahren in einem Verlag. Alicia und er waren sich im Bistro begegnet. Man hatte sich gleich gut verstanden und traf sich seit ein paar Wochen des öfteren dort.

      Endlich hatten alle ihr Examen mit sehr guten Noten bestanden. Nick bewarb sich bei einer Baufirma und hatte in den n nach einem passenden Arbeitsplatz um. Alicia stellte sich bei eächsten Tagen einen Vorstellungstermin. Lu schaute sich nochiner Kosmetikfirma vor und Tim arbeitete im väterlichen Betrieb.

      Als sie mal wieder im Bistro zusammen saßen, teilte Nick, so nebenbei mit, dass er die Stelle bekommen hatte. Lu, Tim, Alicia und Jonas, der inzwischen oft dabei war, gratulierten ihm.

      „Ich habe in der Nähe einen Buchladen gesehen. Er ist zwar nicht sehr modern, aber ich werde mich morgen dort vorstellen. Vielleicht habe ich Glück“, teilte Lu dann plötzlich mit.

      „Das ist gut. Dann wirst du abgelenkt.“

      Nick freute sich darüber. Dadurch kam Lu mit vielen Leuten in Kontakt. Hoffentlich klappte es auch und sie bekam den Job. Auch Tim wünschte ihr, dass sie dadurch wieder ins Leben zurück fand.

      Am nächsten Tag ging Lu zum Buchladen und sprach mit seinem Besitzer. Herr Brehm war schon etwas älter, aber er freute sich, dass sie sich für seinen Buchladen interessierte. Er suchte schon seit einiger Zeit jemanden, dem er die Aufgaben so nach und nach übertragen konnte. Er hatte bei Lu gleich ein gutes Gefühl und bat sie, am nächsten Tag nochmal vorbeizukommen. Herr Brehm wollte noch mit seiner Frau darüber reden. So ging Lu am nächsten Tag wieder zu Herr Brehm. Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Sie hatte den Job bekommen, mit der Aussicht, den Laden irgendwann, wenn sie es wirklich wollte, zu übernehmen. Als sie abends wieder beisammen saßen, erzählte Lu die Neuigkeit.

      „Wow. Dann verdienen ja alle richtig Kohle“, lachte Alicia.

      „Wie sieht es bei dir aus?“, wollte Nick wissen.

      „Achso, also ich habe...den Job“, jubelte Alicia.

      „Das ist ja toll.“

      Alle freuten sich über die Erfolge. Jetzt standen sie mitten im Berufsleben. Lu dachte dabei wieder an Taylor. Auch er hätte einen wundervollen Job bekommen. Sie hatte Tränen in den Augen. Nick und Alicia trösteten sie.

      Es vergingen Monate. Lu hatte Taylor nicht vergessen. Sie vermisste ihn jeden Tag aufs neue. Doch durch ihre Arbeit im Buchladen wurde sie etwas abgelenkt. Aber manchmal verharrte sie für einen Augenblick. Dann sah sie Taylor wieder vor sich, wie er sie anlächelte und küsste. Herr Brehm, sah ihr an, dass sie dann sehr traurig war. Er ahnte, dass sie wahrscheinlich vor nicht all so langer Zeit einen Schicksalsschlag erlitten hatte. Fragen wollte er sie nicht. Vielleicht, erzählte sie es ihm. Irgendwann.

      In der Mittagspause saßen oft alle zusammen im Bistro. So lernten sie auch Mathias und Juliane kennen. Sie verbrachten ebenfalls oft ihre Pause dort. Nach ein paar Wochen kannte man sich schon ganz gut und verabredete sich auch am Wochenende. Manchmal ging man ins Kino, oder in ein Restaurant. Aber oft saß man auch abends im Bistro. Eines abends brachte Nick seine Kollegin Alexa mit. Sie arbeitete seit geraumer Zeit in der gleichen Firma. Langsam vergrößerte sich der Kreis. Alle verstanden sich gut. Sie wussten auch, dass Lu, Nick und Tim ihren Freund verloren hatten. Aber keiner sprach sie darauf an. Lu tat es gut, sich mit allen im Bistro zu treffen. Denn die Wochenenden waren am allerschlimmsten, auch wenn Nick und Alicia immer noch in der WG wohnten. Trotzdem fühlte sie sich ohne Taylor einsam. Das Bistro war für alle, so etwas wie ein zuhause geworden. Hier lernten sich viele Paare kennen.

      Eines abends brachte Mathias seinen Bruder Kai mit. Kai fühlte sich in der Gesellschaft gleich wohl, so überredete er seine Freunde Sven und Gernot und stellte sie der Gruppe vor. So wurde der Freundeskreis von Woche zu Woche größer.

      Man kannte sich jetzt schon seit ein paar Jahren. Einiges hatte sich in der Zwischenzeit verändert. Lu hatte eine eigene Wohnung. Die WG wurde aufgelöst. Auch Nick wohnte jetzt allein. Jonas und Alicia zogen zusammen. Sie hatten vor drei Jahren das Bistro übernommen. Nach ein paar Renovierungen und Änderungen der angebotenen Gerichte, war es eine Bereicherung, in der kleinen Stadt. Vor allem wurde es weiterhin von vielen jungen Leuten besucht, die sich hier besonders wohlfühlten. Das Bistro lief gut. Man lernte immer wieder neue Menschen kennen. So entwickelte sich aus manch flüchtiger Bekanntschaft eine richtige Freundschaft oder die große Liebe. Die Paare, die sich in diesem Bistro gefunden hatten, kamen immer wieder an diesen Ort zurück.

      Lu saß, wie so oft, mit einem Buch im Bistro ihrer Freunde Alicia und Jonas. Sie verbrachte die Mittagspause die meiste Zeit bei den beiden,