Dennis Weis

Die Geisterbande Dekalogie


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wurden dann zu Gespenstern gemacht. Es gab demzufolge keinen Grund für Misstrauen. Zudem waren Heinrich und Hanna den meisten ja ein Begriff.

      „Ist der Bereich hier unten groß?“ wollte ich wissen.

      „Ja, schon“, teilte Heinrich mit, „von daher müssten wir uns entweder aufteilen oder eine lange Suche in Kauf nehmen.“

      „Aufteilen ist Unsinn“, warf ich ein, „denn Peter kennt dich nicht, Heinrich und warum sollte er Hanna vertrauen?“

      „Hast du keine Sonderkräfte für das Aufspüren von Freunden?“ fragte Heinrich und ich merkte, dass es sich um einen Scherz handelte- einen schlechten Scherz.

      „Haha, sehr witzig“, entgegnete ich, „sag zur Abwechslung ruhig mal Konstruktives.“

      „Dann müssen wir Schacht für Schacht durchsuchen“, stellte Hanna fest, „wenngleich es viel Zeit in Anspruch nehmen wird.“

      Dann verbringe ich vielleicht sogar eine Woche unter Tage? Wie sollte ich das bloß Maria oder meinen Eltern erklären? Die würde bestimmt schon nach mir suchen und eine Vermisstenanzeige bei der Polizei gestellt haben. Das wird ein Ärger!

      „Dann machen wir es so“, bestätigte ich, „sonst finden wir ihn nie.“

      Ich hatte extra nichts von meiner letzten Begegnung mit Peter erzählt, denn ich wusste nicht, ob sie dann einer Suche so leicht zugestimmt hätten. Womöglich wollte sich Peter aber auch einfach nur selbst schützen.

      „Dort lang geht es zu einem Schacht“, sagte Heinrich.

      „Wie viele Schächte gibt es denn?“ wollte ich wissen.

      „Keine Ahnung, ich denke vier oder fünf“, antwortete er.

      „Dann sollte es doch schnell gehen“, vermutete ich.

      „Naja, sie sind schon sehr lang“, entgegnete Heinrich.

      Wir begaben uns in den von uns aus gesehen ersten Schacht und meine Augen hielten sich offen, um nach meinem Freund Ausschau zu halten. Dort war alles beleuchtet. Wahrscheinlich, da selbst die Geister besseres Licht benötigten beim Abbauen des Gesteins, obwohl sie im Dunkeln sehen konnten.

      Noch trafen wir kaum auf andere Geister. Demnach gestaltete sich die Suche eher schleppend. Nach einer Weile sahen wir einige von ihnen stehend an den Wänden.

      War das Peter?

      Ich sah einen jungen Geist, abgewendet von mir bei dieser Gruppe von fünf und war mir sicher, dass es Peter sein musste. Schnellen Schrittes näherte ich mich ihm.

      „Peter?“ rief ich kurz bevor ich ihn erreichen konnte.

      Er drehte sich um und schaute verdutzt:

      „Peter? Was soll das? Wer bis du?“ fragte er leicht irritiert.

      „Das ist doch der Menschenjunge“, sagte ein anderer aus der Gruppe und er zeigte sich.

      Es war Hans. In diesem Moment konnte ich bemerken, dass Hans und Hanna sich nicht leiden konnten, denn sie gaben sie jeweils nur abwertende Blicke.

      „Was willst du hier?“ fragte Hans, „denn eigentlich solltest du und er in den Zellen sitzen.“

      „Malit hat es sich anders überlegt“, log Hanna spontan.

      Geister konnten nicht rot werden, deshalb hätte ich es ihr abgekauft. Hans dagegen glaubte ihr nicht. Er traute Hanna generell nicht.

      „Ihr seid geflohen“, sagte Hans und die anderen fünf umzingelten uns langsam.

      Heinrich war so beeindruckt, sodass er kein Wort herausbekam. Ich konzentrierte intuitiv meine Kräfte, damit ich uns verteidigen konnte, wenn die Bande auf dumme Gedanken kommen sollte.

      „Das stimmt nicht“, log Hanna weiter, „und ich werde es Malit berichten, dann wirst du sehen, was du davon hast.“

      „Ich glaube dir kein einziges Wort“, entgegnete Hans, „denn es macht keinen Sinn. Weshalb sollte Malit ihn ausgerechnet in die Schächte beordern? Und das auch noch mit einer Verräterin wie dir?“

      Hannas Blick senkte sich. Sie konnte dem nichts entgegensetzen und schaute hilfesuchend zu mir rüber. Ich konnte sie nicht einfach hier lassen, obwohl es mir doch eigentlich nur um Peters Rettung ging, daher mischte ich mich ein.

      „Lasst uns weiterziehen“, sprach ich und lenkte nun die Aufmerksamkeit von Hans und seinen Geisterleuten auf mich.

      „Das wird nicht passieren“, widersprach er und grinste, „ich hatte dir bereits erzählt, dass man Hanna nicht trauen kann und nun siehst du, dass sie lügt und folgst ihr weiter?“

      „Ja, das tue ich, denn sie hat einen Fehler gemacht und wird sich ändern“, entgegnete ich.

      Da fing Hans laut an zu lachen.

      „Das glaubst du doch selber nicht“, sagte er dann.

      „Doch“, widersprach ich ihm mit aller Deutlichkeit, „und lasst uns nun weitergehen.“

      „Oder was?“ fragte er provozierend.

      Ich hatte den Eindruck, dass Hans eher der Betrüger war, denn er zeigte sich in der Zelle ganz anders. Alle Geister hatten gelernt, Intrigen zu stiften, denn sie kannten es so von ihrem Meister.

      „Ich kann euch alle befreien“, teilte ich mit.

      „Und was ist, wenn gar nicht alle befreit werden wolle?“ wollte er wissen und hatte dabei einen sehr herablassenden Ton.

      „Dann kann ich demjenigen, der weiter von diesem Tyrannen beherrscht werden will, nicht weiterhelfen“, antwortete ich.

      Hans zeigte sich von dieser Antwort erstaunt. Er hatte wohl nicht damit gerechnet.

      „Dann werden wir dich jetzt aufhalten und dich wieder in die Zelle sperren“, sagte er, „und dich, Hanna, werden wir Malit übergeben, damit er dich bestraft und du, Heinrich, ich bin enttäuscht von dir.“

      Hans machte eine Handbewegung und die vier Geister griffen uns an. Hans schnappte sich Heinrich und hielt ihn fest. Ich pustete einen mit einer Druckwelle um. Hanna dagegen hatte es gleich mit zwei von ihnen zu tun.

      „Hört auf“, rief Hans plötzlich, „oder ich werde Heinrich etwas antun.“

      Plötzlich hörten alle auf und schauten Hans an.

      „Wenn ihr nicht aufgebt, dann ist Heinrich dran“, drohte Hans erneut.

      „Das ist mir gleich“, entgegnete ich und hielt meine Hände nach vorne, um zu zeigen, dass ich für einen Angriff bereit war.

      Hanna war verwundert: „Du kannst ihn doch nicht…?“

      „Doch, kann ich“, unterbrach ich sie, „ich bin nur wegen Peter hier, nicht um euch zu befreien, wenn es keiner will. Ihr könnt euch nur selbst von den Ketten des Malits loslösen.“

      In diesem Moment stieß Heinrich Hans weg, sodass dieser nach hinten stolperte. Ich ließ eine Druckwelle los, Heinrich schmiss sich zu Boden und Hans wurde voll getroffen. Es schleuderte ihn mit ganzer Wucht auf den Boden. Die anderen Geister staunten. Sie wichen zur Seite.

      „Es tut uns leid“, sagte einer von ihnen, „wir hatten nicht mehr an die Prophezeiung geglaubt nach all den Jahren. Bitte vergebt uns. Wir wollen natürlich frei sein.“

      Hans hatte sich wohl verletzt und wurde nun von ihnen festgehalten. Heinrich schwebte zu uns und schaute mich nun mit großen Fragezeichen an.

      „Du hättest mich doch nicht wirklich geopfert, oder?“ fragte er.

      „Hätte ich nicht“, antwortete ich, „wenn ich nicht gemusst hätte.“

      Heinrich verwirrte es noch mehr und er wurde unsicher. Hanna dagegen schaute mich mit bösem Blick an.

      „Wie kannst du nur?“ fragte sie mit Entsetzen, „ich dachte du seist aufrichtig.“