Geister zuckten zusammen. Man stelle sich mal vor, Geister hatten Angst. Wenn dies der Fall war, da war es richtig übel.
„Da kommen wir schon rüber“, zeigte sich einer zuversichtlich, „wir haben Malit vertrieben, dann wird der Höllenhund uns schon gehen lassen. Wir wollen ja nicht in die Geisterwelt, sondern nur weg von hier.“
Die Menge war sich einig, denn immerhin haben sie den großen Hexer besiegt, das beschwingt schon mal und veranlasste sie, dass sie die neue Gefahr durch Canis nicht wahrnahmen oder auch eben nicht wahrhaben wollten. So oder so entschlossen sich die Gespenster, von dannen zu ziehen. Freiheit bedeutet halt nicht immer, die richtige Entscheidung zu treffen, sondern überhaupt eine treffen zu dürfen.
Peter ließ sie gehen, denn es hatte keinen Zweck, sie aufhalten zu wollen oder ihnen womöglich entgegenzutreten. Peter war damals auch froh, Larvaster hinter sich lassen zu können. Er wäre auch geflohen, wenn es weitere Gefahren gegeben hätte. Peter konnte nachfühlen wie es in ihnen aussah.
Nach einer Weile stand er allein vor diesem riesigen Tor. Ruhe war eingekehrt und er überlegte, ob er nun als einiger in das Geistertor sollte, um seinen Freund zu retten. Dafür musste er seine Angst überwinden, was ihm ehrlicherweise schwerfiel.
Die Entstehung der Geisterbande
Kurz bevor Peter den ersten Schritt in die altbekannte Welt der Geister machen wollte, hielt ihn ein Rufen aus der Ferne davon ab.
„Peter!“ hörte er und konnte die Stimme zunächst nicht zuordnen.
Wer war es? Peter hielt inne, denn es könnte ja auch eine Falle. Wäre an diesem Ort nicht weiter verwunderlich. Einige Sekunden später war er erleichtert, denn er wusste nun, wer es war.
„Heinrich“, strahlte er, „und Hanna?!“
Peter war erstaunt. Lag das Geistermädchen einige Momente zuvor noch regungslos am Boden und war dem Tode nah. Nun stand sie vor ihm, lebendig, wie ein Geist lebendig sein konnte. Angeschlagen war sie, keine Frage und doch strotzte sie vor Kraft.
„Du lebst“, begrüßte Peter sie und umarmte sie.
Hanna war über einen derartig übertriebenen Gefühlsausbruchs Peters irritiert. Er war ja sonst nicht so. Hatte die Gehirnwäsche ihr übriges getan?
„Was ist los mit dir?“ fragte sie und stieß Peter leicht von sich, „hat Malit dich noch unter Kontrolle?
„Hatte er nie“, teilte Peter mit, „und ich bin halt froh, dich zu sehen. Ich meine, du hast versucht, Tjalf zu retten, hättest dich fast geopfert.“
„Ist ja gut“, sagte Hanna und lachte, „sonst werde ich noch rot.“
„Sie ist zäh, dieses Mädchen“, sprach Heinrich und man merkte, wie stolz er auf Hanna war.
Und wahrscheinlich noch mehr verliebt in sie als sowieso schon. Peter dagegen mochte sie, mehr aber auch nicht.
„Wo sind die anderen?“ fragte Heinrich dann.
„Alle weg“, antwortete Peter, „nachdem Malit und Tjalf in die Geisterwelt sind. Sie wählen die Freiheit und wollten nicht mehr mit in die Geisterwelt.“
Jetzt erst sahen die beiden anderen das Tor. Sie waren halt vorher abgelenkt und hatten es nicht weiter beachtet. Jetzt hatte das Tor sie komplett in seinen Bann.
„Handelt es sich um das Tor zur Geisterwelt?“ wollte Heinrich wissen.
„Ja“, antwortete Peter kurz und knapp.
„Müssen wir da rein?“ fragte Hanna.
„Sonst bekommen wir Tjalf nicht zurück“, erklärte Peter, „und seien wir mal ehrlich, wir schulden ihm alle was.“
„Ja, ich weiß“, machte Hanan deutlich, „ohne mich wäre er nicht in diesem Schlamassel. Ich helfe ihm.“
„So Hanna hingeht, führt auch mein Weg hin“, sprach Heinrich.
„Mich braucht ihr nicht zu fragen“, sagte Peter, „ich wollte schon gehen, wenn ich nicht so einen Respekt hätte. Immerhin war ich schon mal in der Geisterwelt.“
„Bist du ein wahrer Geist?“ wollte Heinrich erfahren.
„Nein, natürlich nicht“, entgegnete Peter, „ich wurde dorthin entführt.“
„…von Larvaster, dem Poltergeist?“ fragte Hanna.
Peter zuckte zusammen. Es lief ihm ein kalter Schauder über den Rücken. Die Erinnerung an dem Poltergeist waren zwischenzeitlich blasser geworden, doch nun waren sie alle wieder aktiv.
„Wer ist Larvaker?“ wollte Heinrich nun wissen.
„Er heißt Larvaster und es ist ein ganz sensibles Thema“, antwortete Hanna für Peter.
„Mein Schöpfer“, verriet Peter nur, „aber das erkläre ich dir ein anderes Mal. Jetzt lasst uns Tjalf retten, sonst kommen wir noch zu spät.“
Als erstes passierte Peter das Tor. Es hatte eine Art glänzende Wand. Es fühlte sich merkwürdig an, als ob ein leichter Stromschlag einen durchzog. Peter hielt zuerst die Hand hinein und ließ seinen Körper langsam hineingleiten. Er hatte ein wenig Angst, Malit könnte auf der anderen Seite bereits warten. Dann war er völlig verschwunden. Als hätte ihn die Wand verschluckt.
„Hoffentlich geht das gut“, sagte Heinrich, der als nächstes gehen wollte.
„Das wird schon“, versuchte das Geistermädchen ihn zu ermutigen.
Heinrichs Hand war ebenfalls das erste, was durch das Tor bewegt wurde. Er machte deutlich, dass es sich anders anfühlte, als alles, was er zuvor gespürt hatte.
„Komisches Gefühl“, sagte er und tauchte sein Kopf hinein.
Der Rest seines Körpers kam danach und er war auch verschwunden. Nun war Hanna allein. Sie schaute sich noch einmal um, da sie sich nicht sicher war, ob sie jemals wieder zurückkommen würde. Dann nahm sie Anlauf und rannte in das Tor.
Auf der anderen Seite war es dunkel und sehr ruhig. Als wenn gleich etwas Schreckliches geschehen würde. Hanna war wieder allein. Sie sah die beiden anderen nicht. Als sie hinter sich blickte, konnte sie dasselbe Tor sehen, nur von der anderen Seite. Wie eine negative Gegenwelt, dachte Hanna sich.
„Hanna?“ fragte eine Stimme und entpuppte sich als Heinrichs.
Auch Peter kam hinzu und die drei waren wieder zusammen.
„Alles gut bei euch?“ erkundigte Peter sich bei den beiden.
„Ja, aber es ist irgendwie…“, antwortete Hanna.
„…merkwürdig?“ ergänzte Peter.
„Ja“.
„Wo sollen wir suchen?“ fragte Heinrich.
„Es gibt keine Karte, wenn du das wissen willst“, antwortete Peter, „aber die Geisterwelt ist eine wandelnde Welt und hat ihre eigenen Gesetze. Am Ende werden wir Malit finden.“
„Da überlässt du uns aber dem Schicksal“, zeigte ich Heinrich besorgt, „das hättest du mal vorhersagen können.“
„Glaube mir, wir finden Malit und Tjalf“, war Peter zuversichtlich, „ich habe hier Jahrzehnte verbracht.“
Sie befanden sich in einer Höhle, die am Ende eine Tür aufwies. Es waren Ähnlichkeiten zu der Menschenwelt zu erkennen, aber eben mit Tür. Dahinter wüsste keiner, was kommen konnte. Peter machte sich auf, Hanna folgte ihm und etwas dahinter befand sich Heinrich.
„Was ist das?“ fragte Heinrich auf einmal und versetzte die anderen beiden in Schrecken.
„Wo?“ wollte Peter wissen und sah am Tor ein Wesen, dass er sofort erkennen konnte, „schnell, wir müssen raus hier!“
Aber es war zu spät. Am anderen Ende befand sich ein zweiter Seelenfresser.