Harald Kanthack

EHER LERCHENJUBEL ALS UNKENRUF


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bei Erschaffung der Welt bedient. Und sicher gibt es unter ihnen einige, die überzeugt sind, dann wäre sie besser ausgefallen.

      Der Gott der Christen – der Einfachheit halber wollen wir nur von ihm sprechen; er ist es ja auch, den wir besonders gut kennen –dieser Gott neigt zur Reflexion, wie jeder Spatz, der sein Nest ausbessert, auch. Aus der dann hin und wieder Reue entspringt. So erfahren wir z.B. im 1.Buch Mose, Kapitel 6 der Heiligen Schrift, Gott habe die Geduld mit den Menschen verloren („Geduld verlieren heißt Würde verlieren,“ sagt man in Italien):

      „Da aber der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen, und er sprach: Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis auf das Vieh und bis auf das Gewürm und bis auf die Vögel unter dem Himmel; denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe“.

      Bekanntlich hat er alle Lebewesen dann bis auf jeweilige Musterexemplare ertränkt. Trocknen konnten sich die ertrunkenen Menschen anschließend am Höllenfeuer,wo sie noch heute und bis in alle Ewigkeit die größten Schmerzen erleiden, ohne, pikanterweise, je diesen Leiden ganz zu erliegen. Hiroshima war dagegen ein Pappenstiel, wenn auch, physikalisch gesehen, „die glänzende Bestätigung einer kühnen, von der Überzeugung der objektiven Wahrheit der Physik getragenen Voraussage“, so das Urteil des deutschen Physik-Nobel-Preisträgers Max von Laue.

      Schon während der Sintflut ─ dem ersten Genozid, von dem die Geschichte berichtet ─ geisterte über den Ertrinkenden das spätere Symbol des Christentums, dessen Glaubenskern die Liebe ist: das Kreuz ─ ein Marterund Hinrichtungsinstrument. Die Basis der christlichen Lehre aber ist die Sünde. Fortwährend ist von ihr die Rede, wie ja auch der Hund ständig Kothaufen beschnüffelt.

      Entschuldigt werden kann das alles nicht dadurch, dass Gott sich gelegentlich auch erbarmt (‚Herr, erbarme dich unser!’) und vergibt, sondern eigentlich nur durch seine Nichtexistenz. Denn sein gelegentliches Erbarmen setzt doch, so kurios das auch klingen mag, seine Erbarmungslosigkeit voraus. Durch sie erst treten die Situationen ein, aus denen heraus man um Erbarmen fleht. Und vergeben kann man doch nur, wenn man auf Rache verzichtet, die wiederum Rachsucht voraussetzt.

      Gar zu sagen ‚Gott ist die Liebe’, lässt die Vermutung aufkommen, es handele sich hier um einen Klassiker in der Methode, Dinge auf den Kopf zu stellen. Allenfalls ließe sich sagen, Gott ist Liebe und Hass. Willkommener wäre die Aussage, die Liebe ist Gott. Dass sie bisweilen auch der Teufel ist, wird der zugestehen, der es erlebt hat.

      Gottes Nichtexistenz, eine nahe liegende Entschuldigung. Gespeist auch aus dem Umstand, dass die Überflutung der Menschheit im Endeffekt erfolglos war. Oder hat Gottes groß angelegte Austilgung fast aller Menschen ihre Bösartigkeit, wie beabsichtigt, tatsächlich getilgt? Sein Grollen, Zürnen, Fluchen und Strafen als Grundtenor des Alten Testamentes belegt das Gegenteil wie auch seinen cholerischen Charakter. Ihn sich als geifernden und über die Stränge schlagenden Pädagogen vorzustellen, dürfte nicht abwegig sein. Daher die Einbildung des Menschen, Gott beeinflussen zu können. Denn wer in Zorn versetzen kann, übt Einfluss aus.

      Schließlich unternahm Gott geraume Zeit später einen zweiten Versuch unserer Läuterung, indem er nun nicht mehr alle Menschen umbrachte, sondern – woran wir beim Betreten jeder Kirche durch das Kruzifix erinnert werden nur noch einen, den er zu Tode nageln ließ. Mit den Worten des zurückgetretenen Papstes Benedictus PP XVI „ hat Gott die liebevolle Initiative ergriffen, seinen Sohn zu senden, damit dieser sich für die Sünder dem Tod überliefere.“

      Ist es schon Perversion, so hat es doch Methode, möchte man da in Abwandlung eines bekannten Zitates sagen. Wer die Worte über die göttliche ‚Initiative’ für unglaublich hält, möge sie im ‚Katechismus der Katholischen Kirche’ –„ gegeben am 28.Juni 2005“ von eben diesem Papst – nachlesen.

      Allein die gigantische Selbstüberschätzung des Menschen, zur Heilung seiner armseligen Verfehlungen habe der Schöpfer des Universums seinen Sohn geopfert, grenzt ans Groteske, zumindest ist es boffonesk. Ob die Himmel stürmenden Mistkäfer auf ihrem Dunghaufen auch glauben,um ihre Sünden kümmere sich ein ganz oben sitzender Überkäfer in aufopfernder Weise?

      Ein Menschenopfer als Ausgangspunkt einer Religion, die das Menschenopfer praktizierende Heidentum verurteilt, ist im übrigen ein Paradoxon, welches durch die Behauptung, dieser Mensch sei Gottes Sohn gewesen und von seinem Vater geopfert worden, noch potenziert wird. Gesteigert wird es in seiner Abgeschmacktheit zusätzlich dadurch, dass Menschen ihren Göttern zu opfern pflegen, was sie selbst gerne empfangen würden, so vor allem Speise und Trank. Das Menschenopfer mithin aus Zeiten stammt, als es gang und gäbe war, Menschen zu verzehren.

      Von den Massageten, einem Volk, das in vorchristlichen Zeiten die Küsten des Kaspischen Meeres bewohnte, berichtet Herodot:“Obwohl den Greisen kein bestimmtes Lebensalter gesetzt ist, wird doch der Hochbejahrte von seiner Verwandtschaft, die sich vollzählig versammelt, mit anderen Opfertieren zugleich geschlachtet, das Fleisch gekocht und gegessen. Darin sehen sie ein hohes Glück; denn wer an einer Krankheit stirbt, wird nicht verzehrt, sondern begraben, und man hält es für ein Unglück, dass er nicht dazu gelangt ist, geschlachtet zu werden.“ Von Ethnologen wurde in neuerer Zeit über einen Maori-Häuptling die Kunde verbreitet, er habe während seiner Herrschaft 900 Menschen verspeist.

      Wenn dem gläubigen Christen, der die kunstvollen Gotteshäuser von innen und von außen andächtig bestaunt, dem die hehre Lehre des Evangeliums das Herz stärkt und der ohne den Beistand der Kirche sich verloren wähnte,wenn dem nun einmal in den Sinn käme, alles das sei das Ergebnis einer in der Urzeit der Menschheit auferlegten Strafe für eine Schuld, die, wäre sie nicht vorhanden gewesen, auch das vollkommene Fehlen des Christentums mit all seinen Kunstwerken, all seinen Schriftund Steingebäuden bedeuten würde? Ohne schuldhaftes Verhalten kein Christentum. Weil der Mensch sündhaft war, wurde ihm diese herrschaftliche Religion zuteil. Sträuben sich da einem nicht die Haare?

      Wie viele Kruzifixe wird es insgesamt auf der Erde geben? Offensichtlich einige Millionen. In Holz, Stein, Eisen, Plastik und ähnlichem wird nachgestellt, wie ein Mensch, genagelt an einen langen senkrechten und einen kürzeren horizontalen Balken, qualvoll sein Leben aushaucht. Vom Kinderzimmer bis zum Gotteshaus, überall, wo christlicher Glaube waltet, hängt die Nachbildung einer schaurigen Opferhandlung — meistens zweifach, nämlich am Kreuz und zusätzlich an der Wand. Während wir die Opferriten untergegangener Ethnien verabscheuen, verehren wir einen Opferritus, der in seiner Abscheulichkeit diesen nicht nachsteht, ungleich diesen aber auch noch von einem Gott veranstaltet wurde. Würden Aliens hier (nicht in Asien) landen, vergewisserten sie sich im Hinblick auf die Kruzifixe, die sie als Warnund Abschreckungszeichen interpretieren könnten, ausreichend bewaffnet zu sein.

      Nach der Opferung des Gottmenschen und der daraus erfolgten Befreiung aus dem Zustand der Verschuldung konnte der so befreite Mensch erst so richtig loslegen mit seiner Bösartigkeit. Kein Wunder. Wenn Gott selbst Menschenopfer zelebriert, ist das eine Aufforderung, diesem Beispiel zu folgen. Die folgenden Völkergemetzel im Namen des Kreuzes waren durchaus konsequent. Und das alles hat der Herr auf Grund seiner Allwissenheit von Anbeginn gewusst, hätte es auf Grund seiner Allmacht verhindern können und hat es trotz seiner Güte zugelassen.

      Der Einwand, Herz und Verstand mögen sich zwar entrüsten, was aber habe das mit der Zepterführung des Allmächtigen zu tun, an dessen Sohlenschweiß selbst unsere höchsten Ideen nicht zu reichen vermögen, dieser Einwand entlässt uns in die Wüste der orientierungslosen Beliebigkeit. Vor der zu schützen uns ja gerade Herz und Verstand von dem Höchsten gegeben wurden. Zum Beispiel sollen wir unseren Nächsten, gar unsere Feinde, lieben wie uns selbst. Ein Appell an unser Herz, aber auch an unseren Verstand. Denn allgemein befolgt, das leuchtet wohl jedem ein, endete damit die Feindschaft unter den Menschen. Aber es waren Ratschläge, die eigentlich vom Herz nicht akzeptiert werden konnten. Außerdem lässt sich Liebe nun einmal nicht erzwingen. Was ihr ja auch den hohen Wert verleiht.

      So ist denn bis heute das Ergebnis der Aufforderung zur allumfassenden Liebe ein Fiasko geblieben ─ oft genug lieben wir ja noch nicht einmal unsere Wohltäter oder