hast du gut gemacht“, hatte Rosi im Verlauf der Begrüßung gesagt.
Dann fuhr sie übergangslos fort: „Sie sind eine Micmaq4, wenn Sie Ihr Reiseziel, die Wagmatcook First Nation, als Ihre Heimat bezeichnen – stimmst, Mrs. Baxter?“
„Fast richtig, Mrs. MacDermott. Meine Mutter gehört zum Stamm der Micmaq und nach dem Tod meines Vaters hat sie sich dahin wieder zurückgezogen.
Aber mein Vater und auch der Erzeuger meiner Tochter Elli sind Kanadier. Insofern sind wir alle beide wohl Mischlinge, wenn Sie so wollen.“
Rosanna, die gerade bei der Erwähnung von Ellis Vater das gequälte Antlitz Shanias registriert hatte, sagte sofort:
„Komm her Mädchen und lass dich umarmen. Ganz egal, was dir und deiner Tochter passiert ist, ich sehe deutlich, wenn jemand Not leidet.
So, wie du gerade geschaut hast, denke ich, dass du in letzter Zeit ziemliches Pech gehabt hast – und damit meine ich nicht nur dein vermaledeites Schrottauto, das dich zu diesem unvorhergesehen Halt gezwungen hat.“
Unmittelbar darauf nahm sie die inzwischen bitter weinende Shania tröstend in ihre mütterlichen Arme und drückte sie fest an ihren mächtigen Busen.
„Ganz ruhig, meine Kleine, ganz ruhig. Alles wird gut, wir alle hier sind ab sofort deine Freunde – und was es auch ist, wir werden dir aus jedem Schlamassel heraushelfen“, flüsterte sie leise in Shanias Ohr, während sie zugleich sanft über ihre schwarze Haarmähne strich.
„Du nennst mich ab sofort Rosi, okay?“ Während Shania stumm nickte und das von Rosi angereichte Taschentuch entgegennahm, um ihre Tränen zu trocknen, fügte Rosanna in Richtung von Jack Bishop mit ihrem üblichen Befehlston hinzu:
„Und du stehst hier nicht wie ein Stockfisch ’rum und begaffst unsere Besucher, sondern holst jetzt das Gepäck deiner Hausgäste herein. Danach fängst du schon mal an, die Gästezimmer herzurichten.
Ich zeige Shania und Elli inzwischen das Haus und schicke sie dann zum Frischmachen ins Bad. Sobald George mit den Einkäufen eintrifft, kann er dir danach beim Herrichten der Zimmer helfen, während ich uns was zu essen koche. Also, Abmarsch!“
„Zu Befehl, Mrs. Rosi!“, erwiderte Jack grinsend, wobei er militärisch zackig salutierte.
Außerdem konnte er es sich nicht verkneifen, schalkhaft hinzuzufügen: „Keine Angst, Shania – sie bellt zwar öfter mal so, wie gerade eben, aber sie beißt nicht, meine liebe Freundin Rosi MacDermott. Und weil sie ein richtiges neuschottisches Original ist, muss man sie einfach liebhaben.“
Damit blickte er der verstehend nickenden Shania beim Hinausgehen noch einmal in die smaragdgrünen Augen und sah, dass sich, anstelle der vorherigen Tränen, jetzt ein verstohlenes Lächeln auf ihr Antlitz geschlichen hatte.
Nur Rosi hatte laut gekichert und ihm ein „Hau’ jetzt endlich ab, du Spinner – und mach’ endlich voran!“ hinterhergerufen.
„Lehrerinnen – pah! Es ist doch immer wieder das Gleiche mit dieser besonderen Spezies. Kaum kennen sie sich noch nicht mal ’ne Viertelstunde, sind sie schon ein Herz und eine Seele.
Aber wartet nur ab, ihr beiden, bis ich das alles in meinem nächsten Roman verarbeitet habe“, grummelte er scheinbar missmutig vor sich hin.
„Das haben wir gehört, nicht wahr Shania, das haben wir doch? Und jetzt schau zu, dass du deine Aufträge erledigst“, fauchte Rosi ihren Nachbarn Jack umgehend im Kommandoton an.
Worauf sie, zusammen mit Shania, ansatzlos in ein vergnügtes Gelächter ausbrach, sobald Jack zum Kofferschleppen in Richtung seiner Garage verschwunden war.
„Ich bin überwältigt Rosi – und ich glaube, Elli findet das auch. Das sind umwerfend schön eingerichtete Zimmer, auch wenn die Möbel noch überall zugedeckt sind. So toll haben wir zwei schon lange nicht mehr gewohnt, ist doch richtig Elli?“, meinte Shania Baxter, als sie die beiden Zimmer im ersten Stock eingehend besichtigte.
„Ja Mama, das finde ich auch. Sag mal Tante Rosi – die Bilder in unseren Zimmern, hat die alle Jack gemalt?“
„Ja, mein Schatz, das hat er. Einige davon stammen aus seiner Jugend – und ein paar sind erst, seit er wieder hier ist, in den letzten Wochen entstanden. Auch wenn sie teilwiese noch nicht ganz fertig sind. Er ist richtig gut darin, will das aber immer nicht wahrhaben.
Deshalb hab’ ich ihm neulich auch einen Kunstprofessor aus meiner alten Alma Mater auf den Hals geschickt. Und der hat ihn, mit meiner tatkräftigen Mithilfe, mit sanfter Gewalt überzeugt, einige davon demnächst in eine Ausstellung zu geben.
Oben in seinem Atelier und in seinem Schriftstellerbüro gegenüber hat er noch ’ne ganze Menge mehr solcher Gemälde. Die darfst du dir morgen sicher mal ansehen. Musst ihn aber vorher um Erlaubnis fragen. Aber da du ja auch eine kleine Malerin bist, wird er sicher nichts dagegen haben.“
„Wirklich Mama, darf ich?“, fragte Elli umgehend. Als Shania lächelnd nickte, jauchzte die kleine Elli begeistert: „Danke Tante Rosi, danke Mama. Ich würde am liebsten für immer hierbleiben.“
„Das hast du sehr gut gesagt, Elli. Wünschen darf man sich schließlich alles. Man muss nur vor dem Einschlafen ganz fest den lieben Gott darum bitten.
Und wenn dann einige der Wünsche in Erfüllung gehen, ist das doch ’ne super Sache. Nur alles kann der liebe Gott halt auch nicht herbeizaubern.
Deswegen muss man sich umso mehr über die Dinge freuen, die man tatsächlich dann geschenkt bekommt – selbst, wenn es nur ein Teil von dem ist, was wir uns vorher gewünscht haben.“
„Na ja, dann wird’s wohl mit meinem allergrößten Wunsch erstmal nichts werden, Tante Rosi. Ich hatte nämlich erst vor kurzem Geburtstag – und meine Mama hat mir dazu schon diesen Stoffhund gemacht.
Schau her, das ist er. Er heißt Duffy – und auch wenn er nicht ganz so hübsch aussieht, wie ein gekaufter, ist er dennoch mein liebster Spielkamerad. Er darf sogar nachts in meinem Bett schlafen.
Ich hätte zwar lieber einen echten gehabt, weil ich mir den schon so lange und so sehr gewünscht habe. Aber das ging anscheinend nicht, denn der liebe Gott hatte wohl andere Pläne.
Wir haben ja für echte Hunde und neue Sachen nicht so viel Geld, musst du wissen“, fügte Elli in ihrer altklugen Weise dann noch hinzu.
Bei diesen Worten hielt Elli ihr schon ziemlich zerknautschtes Lieblingsstofftier in die Höhe, damit Rosanna MacDermott es gebührend bewundern konnte.
Die von den Worten des Kindes mehr als gerührte Rosanna fragte sogleich mit feucht schimmernden Augen: „Elli, magst du denn echte Hunde so viel lieber, als deinen Duffy?“
„Und wie ich die mag. Aber da meine Mama nicht so reich ist, hab’ ich mich auch über meinen Duffy sehr gefreut – selbst wenn er aus altem Stoff gemacht ist und deshalb schon ein bisschen älter ausschaut, als er in Wirklichkeit ist.
Mama hat mir jedoch gesagt, dass gerade alte Hunde von uns Menschen freundlich behandelt und gepflegt werden müssen. Vor allem, wenn sie sonst keiner mehr haben will. Und deshalb passe ich auch immer gut auf Duffy auf.“
Rosanna MacDermott standen bei dieser Antwort des kleinen Mädchens noch mehr Tränen in den Augen, als sie antwortete:
„Dann ist’s ja gut, dass ich vorhin noch ’ne Überraschung angekündigt und mitgebracht habe. Und die betrifft vor allem dich, du süße kleine Elli. Komm mal mit, ich zeig’ sie dir.“
Damit nahm Rosanna Elli und ihre Mutter bei der Hand, um mit beiden wieder zurück ins Erdgeschoss und gleich danach durch eine Glasschiebetür auf die an das Wohnzimmer angrenzende und von Herbstblumen und Rosenbüschen umrankte Terrasse zu gehen.
Als Elli Baxter das hübsche gelbe Fellbündel entdeckte, dass da auf der Terrasse gerade dabei war, mit Zähnen und Pfoten eine Fußmatte zu zerlegen, war es um sie geschehen.
„Darf ich ihn streicheln“,