K.B. Stock

Im Wirbelsturm der Gefühle


Скачать книгу

      „Dann erzähl’ mal. Ich bin ja mittlerweile pensioniert und lebe mit meiner Rosi jetzt schon seit zwei Jahren im wohlverdienten Ruhestand. Ich hab’ also ’ne ganze Menge Zeit mitgebracht.

      Brauchst also keine Angst zu haben – das was du mir gleich beichten wirst, wird nicht gegen dich verwandt. Ist also ganz so, wie früher, wenn du mal wieder meine Äpfel oder die von den Bäumen der Nachbarn geklaut hattest und ich dich anschließend in die Mangel genommen habe.“

      „Freut mich zu hören, George – vor allem ich bin froh, dass du noch immer deine Rosanna an deiner Seite hast. Was mich betrifft, sieht das bei mir und meiner demnächst von mir geschiedenen Ex-Frau Kerry leider ein kleines bisschen anders aus. Also hör zu ...“

      Nachdem Jack Bishop seinen Bericht beendet hatte, schraubte George MacDermott seinen Flachmann auf und sagte: „Das sind widerliche Erlebnisse, die du da mit dir herumschleppst – und darauf brauchen wir alle beide jetzt erst einmal einen guten Schluck. Gibt’s in dieser Hütte wenigstens Gläser?“

      „Gläser hab’ ich schon – aber danke, du alter Schotte. Zum Whiskeytrinken ist es mir noch ein wenig zu früh. Ich bringe um diese Uhrzeit noch keinen Scotch runter.

      Weil – erstens muss ich nachher noch zum Supermarkt fahren, damit ich mir heut’ Abend was zum Essen machen kann und dann hab’ ich auch noch genug im Haus zu tun. Ich werde nämlich ab sofort wieder hier wohnen.“

      „Blödsinn, Junior. Heute Abend fährst du nirgendwo mehr hin. Du isst nämlich nachher bei uns. Wage es jetzt ja nicht, mir und Rosi das abzuschlagen.

      Zum Einkaufen kannst du auch morgen früh noch fahren. Wie ich sehe, hast du den Strom bereits eingeschaltet und auch deinen Kram schon reingeholt – und da es mitten im August ist, wirst du heute Nacht selbst ohne Heizung nicht frieren.

      Obwohl ich dieses Anwesen jetzt schon seit dem Tod deiner Eltern in Schuss halte, hab’ ich vorhin nur der Höflichkeit halber geläutet. Dein Vater hat mir nämlich schon vor Jahren einen Schlüssel dieses Anwesens anvertraut, damit ich mich um das Haus kümmere, wenn mal keiner da ist.“

      „Das ... das wusste ich nicht“, stotterte Jack Bishop jetzt los. „Soll das heißen, dass du die ganze Zeit über hier den Hauswirtschafter gespielt hast?“

      „Nicht nur ich – meine Rosanna hat mir dabei ebenfalls ein wenig geholfen. Wir sind inzwischen ja beide pensioniert, auch wenn Rosi ihrem ehemaligen Job als Schuldirektorin des hiesigen Colleges noch immer ein bisschen nachtrauert.

      Und wenn es uns zu langweilig wurde, haben wir uns mit der Pflege und Verschönerung von diesem wundervollen Cottage beschäftigt. Der Gemüse- und Kräutergarten hinter dem Haus war ganz alleine Rosis Idee. Und auch die vielen Blumenbeete rund um die Terrasse und am Eingang stammen von ihr.

      Übrigens, was meine Rosi betrifft – sie hat immer gesagt, dass du irgendwann mal wieder hier auftauchen würdest, weil sie sich nicht vorstellen könne, dass du ewig in dieser Betonwüste in Ottawa leben willst. Und, wie man sieht, hat Rosi auch mit der Sache mal wieder recht gehabt.“

      „Das hab’ ich wirklich nicht geahnt, aber es ist wundervoll, was ihr hier für mich getan habt. Ich kann das alles noch immer gar nicht fassen. Danke George, vielen Dank für alles.

      Da eure Hilfe ja sicher ein bisschen was gekostet hat, würde ich euch gerne eure Auslagen für mein Cottage ersetzen. Sag’ mir also, wie viele Dollars ihr hier bei eurem ungewöhnlichen Hobby versenkt habt.“

      „Willst du Rosi und mich etwa beleidigen, Junior?“, entfuhr es dem weißhaarigen Ex-Superintendent der RCMP sofort. „Rosi und ich waren für dich stets so was, wie Tante und Onkel.

      Du weißt hoffentlich noch, dass du immer dann, wenn du dich aufgrund deiner jugendlichen Missetaten mal nicht gleich nachhause getraut hast, zu uns gekommen bist, damit ich deinen alten Herrn beruhige, ehe du dich deinem verdienten Anschiss stellen musstest.

      Wir zwei haben das gerne für den Sohn unserer besten Freunde getan. Und dass du dann meistens nur mit einem erhobenen Zeigefinger aus der jeweiligen Sache herausgekommen bist, hast du hoffentlich auch noch in guter Erinnerung. Also – halt die Klappe und rede nie wieder davon, okay?“

      „Ich weiß jetzt grad’ nicht, was ich darauf antworten soll“, meinte Jack Bishop verlegen, dem bei dieser Rede des alten Freunds seiner Eltern ein paar Tränen in die Augen gekrochen waren.

      „Sag deiner Frau, dass ich heute Abend gerne zum Essen zu euch rüberkomme. Aber ich hab’ leider gar nichts dabei, was ich euch schenken könnte. Nicht als Bezahlung, sondern wirklich nur als kleine Aufmerksamkeit. Das kommt wohl davon, wenn man seine Zelte woanders so Hals über Kopf abbricht.“

      „Erstens ist das nicht schlimm – und wird auch nicht erwartet. Aber, was ein Präsent für Rosi betrifft, kann ich dir einen kleinen Tipp geben.

      Wann immer sie hier im Haus und im Garten gearbeitet – nein, ich korrigiere – wann immer sie sich hier ihre Langeweile vertrieben hat, kam sie danach nachhause und hat von dem wundervollen Bild erzählt, dass über eurem alten Klavier im Wohnzimmer hängt.

      Das mit den sturmumtosten Klippen unserer herrlichen Küste, dass du schon vor etlichen Jahren gemalt hast. Genau das meine ich. Und meine Rosanna war immer sehr stolz, dass sie dein besonderes Talent als Maler schon in der Zeit, als du noch bei ihr in die Schule gegangen bist, mit ihren bescheidenen Mitteln gefördert hat.

      Da du deinem Bericht von vorhin nach ja hergekommen bist, um neben deiner Schriftstellerei auch deine Malerei weiter voranzutreiben, kannst du ja vielleicht auf dieses herbstliche Bild verzichten, oder es ganz einfach später noch einmal malen. Was meinst du?“

      „Ich meine, dass du der beste Nachbar und Freund bist, den man sich in meiner Lage nur wünschen kann, George. Und jetzt weiß ich auch, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe, als ich mich nach dem ganzen Desaster der letzten Tage und Monate entschlossen habe, wieder hierher in mein eigentliches Zuhause zu kommen.“

      „Das war jetzt gerade eine gute Antwort, Junior“, entgegnete der sonst eher bärbeißig wirkende George MacDermott mit einem Anklang von Rührung in seiner Stimme.

      „Du hast jetzt exakt noch drei Stunden, bis du bei uns zum Dinner anzutanzen hast. Also sei pünktlich, Junior! Rosi kann es nämlich auf den Tod nicht leiden, wenn man zu spät zum Essen kommt. Und ihren alten Rohrstock aus der Schule hat sie auch noch, für den Fall, dass sich ihr jemand zu widersetzten wagt.“

      Die nächsten Augusttage hatte Jack Bishop damit verbracht, alte Freunde und Bekannte in der nur dünn besiedelten Gemeinde von East Lawrencetown zu besuchen, die schon seit Generationen genauso einsam lebten, wie er das jetzt selber vorhatte.

      Viele von ihnen waren mit ihren Booten noch immer in der Fischerei tätig, wobei sich jedoch die meisten inzwischen ein zweites Standbein geschaffen hatten, indem sie ihre Anwesen als Frühstückspensionen dem zunehmenden Touristenboom der im Sommer anreisenden Wassersportler öffneten.

      Ferner machte Jack viele Strandspaziergänge und Wanderungen oberhalb der ins Meer ragenden Klippen, von wo aus er die bunten Fischerboote und die zahlreichen Windsurfer beobachtete, die zum Ende der Touristensaison noch immer die Küstengewässer bevölkerten.

      So manches Mal hatte er sich dabei spezielle Ansichten gemerkt, die er anschließend unbedingt in seinem kleinen Atelier zeichnen wollte. Deshalb blieb er so manches Mal auf seinen Trails stehen und hielt das, was er mit seinem künstlerisch geübten Auge sah, mit Smartphonefotos fest.

      Und bei den Motiven, bei denen er sich sicher war, dass er sie später malen würde, fertigte er zusätzlich schon einmal grobe Kohleskizzen in seiner kleinen Kladde an.

      Diese neuen und ungezwungenen Aktivitäten waren der seelischen Rekonvaleszenz von Dr. Jack Bishop, nicht zuletzt auch dank der uneigennützigen Unterstützung von Rosi und George MacDermott überaus dienlich gewesen.

      Dazu