Tatana Fedorovna

Die Rache der Zarentochter


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einem Traum.

      Auch die anderen Mädchen stöhnten. Ich blickte zu Papa. Schaute er tatsächlich zu mir? War das noch ein letztes Lächeln? Sein Körper zuckte unter weiteren Treffern. Auch ich verspürte einen großen Schmerz im Bein. Gleichzeitig brannte die fremde Flüssigkeit wie Feuer im Magen. Der Wirkstoff versengte mich innerlich.

      „Bitte nicht!“, stöhnte die neben mir liegende kleine Maria.

      Auch sie lebte noch. Die Rotgardisten hatten alle auf die Brust ihrer Opfer gezielt. Dadurch verfehlten viele Schüsse, die auf den Schmuck trafen, ihre eigentliche Wirkung und verwundeten nur, anstelle zu töten. Wir trugen die teuersten Schusswesten der Welt.

      Aljoscha, mein Bruder, der Zarewitsch, stöhnte leidvoll und stützte sich auf einen Unterarm. Seine Kinderaugen flehten um Gnade. Er hatte furchtbare Schmerzen.

      Jurowski trat nun kaltherzig zu diesem, hielt seinen Revolver an dessen Ohr und drückt erneut ab. Der Kopf zuckte unter dem Schuss und krachte laut auf die Dielen.

      Trotzdem wimmerte der verletzte Zarewitsch immer noch unerträglich. Bitte, bitte, lasst ihn leben und tötet stattdessen alle anderen!

      Jurowski schoss ihm ein zweites Mal in die gleiche Stelle ins Ohr. Er stöhnte nicht mehr.

      „Sterbt endlich!“, schrie der Anführer der Henker und entlud nun den Rest seines Pistolenmagazins auf Anastasia. Die Geschosse schienen sie nicht einmal zu verletzen.

      Die eingenähten Juwelen verzögerten ihre Pein. Selbst Morden ist zuweilen nicht so einfach, wie viele glauben.

      „Ein Wunder! Die Kugeln prallen ab!“, rief einer der russischen Schergen und bekreuzigte sich entsetzt. „Gott will nicht, dass sie sterben!“ Er wagte nicht mehr zu schießen. „Es ist Sünde, was wir tun!“

      Auch die anderen stellten erschrocken das Feuer ein. Der Raum war voll Rauch, Gewimmer und Stöhnen.

      „Bekreuzigst du Narr dich noch?“, schrie Jurowski außer sich und riss dem Soldaten den Karabiner aus den Händen.

      „Schaut her, wie man das macht!“

      Er stach mit aller Wut auf die wimmernde Anastasia ein. Das Bajonett drang aber nicht ganz durch und blieb zwischen dem eingenähten Goldschmuck des Mieders stecken. Der Raum war voller Nebelschwaden, was die Sicht erschwerte. Jurowski versuchte nun das Messer herauszuziehen und schliff dabei meine Schwester durch den halben Raum. Blut verschmierte den Boden. Das Bajonett steckte jedoch weiter im Schmuck und den Rippen fest. Die wilde Bestie musste Anastasia mit einem Fußtritt von dem Stahl lösen.

      Die Soldaten wirkten konsterniert und wussten nicht, was sie tun sollten. Auch Tatjana und meine Mutter stöhnten noch. Ich stellte mich tot.

      „Vielleicht ist das wirklich ein Zeichen von Gott!“, wagte ein weiterer Russe einzuwenden.

      „Noch ein Wort und du liegst auch da!“, schrie der rasende Kommandant diesen an.

      „Nur gut, dass ich noch die Ungarn mitgenommen habe.“

      Er kramte in der Tasche nach seinem Taschenmesser und zog dieses heraus. Es hatte eine recht kurze rostige Klinge. Ich hatte gesehen, wie er sich mit diesem schmutzigen Ding manchmal einen Apfel schälte oder die langen Nägel reinigte.

      „Bitte nicht!“, stöhnte die kleine Maria eindringlich, die ihm am nächsten lag. Das Monster ließ für den Moment von Anastasia ab und machte bei der Kleinen weiter.

      Jurowski griff kalt in ihre Haare, als töte er nur ein Tier, und begann mit dem Messer an ihrer Halsschlagader zu säbeln. Es dauerte ein wenig, bis das erste Blut hervorsprudelte. In irrer Raserei begann er ungeduldig die kurze Klinge in ihren kleinen Hals zu stoßen. Es war ein bestialisches Meucheln. Die Geister der Hölle wurden wach. Maria schrie dabei fortwährend spitz und markerschütternd.

      Mit weit aufgerissenen erschrockenen Augen beobachteten die anderen Häscher sein wahnsinniges Tun. Maria war immer noch nicht ganz tot, als er sich vorerst zufrieden mit seinem Werk den Männern zuwandte. Der hohe Blutverlust ließ aber den baldigen Tod meiner jüngeren Schwester erahnen. Der Gedanke zu fliehen, wie ein gehetztes Tier, ließ mich vorsichtig in Richtung Tür kriechen, da die Männer alle auf die grausame Schlachtung schauten.

      „Soll ich das alles allein machen? Los!“ Mit seinem Stiefel trat der Dämon nun meinem toten Vater ins Gesicht. Ein Zahn brach dabei aus dessen Kiefer. Durch diesen Schwung verlor der Henker aber auf den blutverschmierten Dielen das Gleichgewicht und rutschte aus. Jurowski landete dabei so, dass er der noch immer nach Luft krampfenden Maria direkt ins keuchende und angstverzerrte Kindergesicht schaute.

      Puterrot versuchte er sich zu erheben, rutschte aber erneut auf dem glitschigen Blut aus.

      Ein Ungar lachte darüber und reichte ihm die Hand.

      „Ist wohl doch nicht so leicht!“, sagte er auf Deutsch zu den anderen.

      „Halts Maul!“, befahl Jurowski auf Russisch und stand allein auf.

      Das mörderische Kommando machte sich nun erneut an die befohlene Schlachtarbeit. Ich hörte die kleine Maria immer noch durch den geöffneten Hals nach Luft keuchen. Wahre Bestien waren das. Wer konnte Kinder morden? Das waren keine Menschen, sondern Höllenwesen, die selbst den Tod verdienten.

      Zwei Rotgardisten stachen nun um die Wette auf die immer noch lebende Tatjana ein. Diese jammerte bei jedem Einstich laut.

      Das Bajonett des einen Schergen verfing sich wie zuvor bei ihrem Anführer in der Kleidung und ließ sich nicht mehr herausziehen.

      Durch die Versuche, es doch zu schaffen, riss er den noch lebenden Körper meiner blutenden Schwester von links nach rechts. Dadurch verfehlte wiederum der andere Bandit mit seinen Stößen das Ziel und dessen Bajonett landete mal im Bein, mal im Bauch von Tatjana, die jedes Mal trotz des hohen Blutverlustes leidvoll aufschrie.

      Nichts ist schlimmer als diese Laute eines gequälten Kindes, das nicht erfassen kann, zu was Menschen fähig sind. Selbst wilde Wölfe erscheinen dagegen harmlos, denn sie töten aus Hunger. Aller Schmerz, alle Verzweiflung und alles erschütterte Vertrauen lagen in diesen Schreien. Ich werde sie niemals vergessen.

      Tränen des unermesslichen Mitgefühls rannen aus meinen Augen. Das Leid war nicht mit Worten zu beschreiben. Mein Körper wurde katatonisch.

      Ich wirkte inzwischen tot konnte jedoch seltsamerweise noch immer meine Umwelt irgendwie wahrnehmen. Pawel Medwedew stieß mir probeweise das Bajonett ins Bein. Ich spürte den Schmerz nicht, so als wäre ich narkotisiert. Er stach ein weiteres Mal in meine Brust. Hier spürte ich den Stahl noch etwas, doch schwieg bewegungslos.

      „Wenigstens die ist hinüber!“, schrie er zufrieden.

      Dann wandte er sich wieder Anastasia zu.

      Ihr Stöhnen zeigte ihm, dass noch Leben in ihr war.

      „Diese lebt dagegen noch!“, schrie er den anderen zu.

      Er musterte sie neugierig, wie ein Schlachter das Lamm. In seinen Augen stand weder Mitleid noch ein schlechtes Gewissen. Der Henkersknecht dachte nur nach, wie er seinen Mord am besten bewerkstelligen konnte. Höhnisch auflachend stieß er ihr das Bajonett direkt zwischen die Beine. Sie wimmerte. Sein Kommandant trat hinzu und riss ihm das Gewehr aus der Hand.

      „Du sollst sie umlegen!“, keuchte er und stieß das Bajonett in Richtung ihres Halses, um dort die Halsschlagader zu treffen, verfehlte diese jedoch. Angstvoll versuchte meine Schwester fortzukriechen. Ein weiterer Bajonettstich nagelte jedoch ihr Bein am Holzfußboden fest.

      Der Ungar Imre Nagy, der dies getan hatte, sah meine blutende Schwester wie eine Schlange an, die man im Garten auf eine Forke spießte. Er lachte sogar auf, als sie sich krümmte und wand. Sie konnte nun nicht mehr fort. Ihn belustigte das.

      Ein wahnsinniger Schmerz breitete sich vom Magen her in meinen restlichen Körper aus. Das Mittel schien mehr einer Säure zu ähneln. War es vielleicht bloß Gift, das mich lähmte? In diesem Moment des Todes und der Erniedrigung schwor ich Gott ab und gelobte grausame