Philipp Porter

Philipp Porter Kurzgeschichten


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      Philipp Porter

      Kurzgeschichten

      Alle Rechte vorbehalten

      Texte: © Copyright by Philipp Porter, Lützelbach, 2017

       www.philipp-porter.de

      Umschlaggestaltung, Titelbild: © Copyright by Philipp Porter, Lützelbach

      Verlag: Philipp Porter, Am Hofgarten 13, 64750 Lützelbach

      Lektorat: Marianne Glaßer, Röslau

      Druck: epubli ein Service der neopubli GmbH, Berlin

      Inhaltsverzeichnis

       In vino veritas

       Oma Größer

       Das Anagramm

       Fremd

       Ohne Zeugen

       Römerfest

       Mord mit Profil

       Hackschnitzel

       Acht Jahre und ein Tag

       Koziols Vermächtnis

       Die Welt bleibt draußen

      Die ersten dicken Regentropfen klatschen auf meinen Kopf. Ich sehe in die dunklen, fast schwarzen Wolken hinein. Es wird wohl nicht viel Zeit vergehen, bis es schütten wird.

      Mit beiden Händen fahre ich mir über meine nasse Glatze und ärgere mich, dass ich meinen Hut im Auto gelassen habe. Doch es ist wohl das geringste Problem, das ich nun habe. Ich sehe mich nochmals um. Strenge meine Augen an, um die anbrechende Dunkelheit zu durchdringen. Doch es ist niemand da, bis auf ihn.

      Langsam gehe ich in die Arena hinein. Ich bin mir absolut sicher, dass er es ist. Es wäre ansonsten wohl ein dummer Zufall.

      Weshalb hatte er angerufen? Am Telefon wollte er es mir nicht sagen. Er tat geheimnisvoll, fast schon dramatisch. Da ich an diesem Wochenende nichts vorhatte, willigte ich ein, zu kommen. War es ein Fehler?

      Eigentlich hatte ich keine Lust in diese Angelegenheit, was immer es auch war, mit hineingezogen zu werden. Doch es war wohl schon zu spät. Sie würden ohne große Mühe feststellen, dass ich einer der Letzten gewesen war, der mit ihm telefoniert hatte.

      Als ich nur noch wenige Meter entfernt bin, gehe ich in die Knie und sehe mich um. Hunderte von Fußspuren sind zu erkennen. Doch keine Tatwaffe, kein Hinweis, kein Anhaltspunkt. Langsam umrunde ich meinen alten Freund, der mit hölzernem, starrem Blick in die schwarzen Wolken starrt.

      „Wer hat dir das nur angetan? Wäre ich schneller gefahren, würdest du dann noch leben?“, sage ich leise vor mich hin. Zwei Fragen, auf die es im Moment wohl keine Antworten gibt.

      Als ich an seinem Kopf ankomme, sehe ich die tiefe, klaffende Wunde, aus der klebriges Blut sickert.

      „Stumpfer Gegenstand, rund, schwer. Eine Tatwaffe wird wohl nicht so leicht zu bestimmen sein“, geht es mir durch den Kopf.

      Ich schaue mich nochmals um. Nichts! Derjenige, der zuschlug, hat keine verwertbaren Spuren hinterlassen.

      Die Tropfen werden dicker, fallen dichter und ich ziehe mein Telefon aus der Handytasche heraus.

      Während ich warte, lasse ich meinen Blick über das römische Amphitheater hinweggleiten. „Ob es hier, zur damaligen Zeit, als es erbaut wurde, auch Gladiatorenkämpfe gab? Wahrscheinlich, weshalb auch nicht“, grüble ich.

      Ich fühle mich etwas unwohl bei diesem Gedanken. Immerhin kann derjenige, der hier brutal gemordet hat, noch in der Nähe sein. Ich stehe mitten auf einem leeren Platz. Nur zwei Fluchtwege sind offen: Der eine geht nach Süden, zum Parkplatz hin, und der andere nach Norden. Wo es dort hingeht, weiß ich nicht.

      Auch an eine schnelle Flucht über die Mauer der Arena, die fast vier Meter hoch ist und glatte Wände hat, ist nicht zu denken. Nochmals umrunde ich meinen alten Freund, um mich von diesen düsteren Gedanken abzulenken. Soll ich seine Taschen durchsuchen?

      „Besser nicht“, sage ich zu mir selbst. Anhaftungen sind sehr leicht festzustellen. Ich kenne die Arbeitsweise der hiesigen Kripobeamten nicht, doch es wäre fatal, wenn sie an der Innenseite seiner Jacke Fasern von meinem Mantel finden würden. Dann sehe ich es. Kaum zu erkennen, doch es ist da. Neben seiner rechten Hand, in den Sand gemalt. Es liegt eindeutig über den Fußspuren. Ich ziehe nochmals mein Handy aus der Tasche heraus. Stelle den Nachtmodus ein. Eine kleine Leuchtdiode wirft gleißend weißes Licht auf den Boden. Ich schaue auf das Display und drücke den Auslöser. Die Qualität ist zwar bescheiden, aber es wird für meine Zwecke ausreichen.

      „Soll ich den Hinweis abdecken? Wenn der Regen noch stärker fällt, ist die Spur in ein paar Minuten verschwunden“, viel weiter komme ich mit meinen Gedanken leider nicht. Die ersten Blaulichter zucken stechend durch die Dunkelheit und in Windeseile bin ich von vier übereifrigen Beamten in schwarzen Uniformen umstellt.

      „Hände hoch! Hinter den Kopf! Sofort! Zurücktreten, zurück! Weiter, weiter! Keine Bewegung!“

      Innerlich schüttele ich den Kopf. Dilettanten. Welcher Mörder ruft schon bei der Polizei an und bleibt dann seelenruhig neben der Leiche stehen.

      Regentropfen fallen schwer vom Himmel. Die ersten Pfützen bilden sich. Ich sehe zu meinem Freund hinüber, der im Dreck liegt und mit leerem Blick in die schwarzen Wolken starrt.

      Die Tür des Polizeiwagens, in dem ich seit einer halben Stunde sitze, wird mit Kraft aufgezogen und ein stämmiger, in die Jahre gekommener Mann steigt ein. Missmutig wirft er die Tür in ihr Schloss zurück. Es wird eng in dem Polizeibus, der nicht gerade viel Platz für zwei stämmige Kerle bietet, die beide über zwei Meter groß sind.

      Ich schaue dem Mann direkt in die Augen, während er sich mit einem verschlissenen Taschentuch das Gesicht und die Haare trocknet. Der Mann deutet mit seiner linken Pranke auf mein Handy, das auf dem kleinen Klapptisch liegt, der an der Seitenwand des Polizeibusses befestigt ist.

      „Ist das dein Handy?“, fragt er schroff und stopft dabei das tropfnasse Taschentuch in seine Jackentasche. „Ich hab dich etwas gefragt!“, setzt der Bulle aggressiv nach und wirft sich dabei nach vorne.

      Kalte Wut steigt in mir auf. Ich kann es nicht leiden, wenn sich jemand im Ton vergreift.

      „Dieser Bulle weiß noch nicht einmal, wer ich bin, und wird schon plump“, denke ich. „Wenn ich ihm sage, dass ich ohne meinen Anwalt nicht antworten werde, rastet er sicherlich aus.“ Ich lasse es.

      „Jo Berghoff", sage ich daher nur und schaue an ihm vorbei, hinaus in den Regen, zu meinem Freund. Zwei Männer tragen gerade einen Leichensack in die Arena hinein.

      Die Kulisse wirkt wie aus einem Tatort: düstere Szenerie, schwerer Platzregen, Dunkelheit, zuckende Blaulichter, Beamte in Uniform. Ein knallharter Bulle mit seinem Täter. Eindeutig Mord!

      „Kennst du ihn?“, fragt mit tiefem Bass der Hüne, der sich mir noch immer nicht vorgestellt hat. Ich schaue ihn gelangweilt an.

      „Woher kommst du? Was willst du hier in Trier? Hast du ihn erschlagen?“

      Das sind nun schon vier Fragen auf einmal. Ich verbanne die Tatortbilder aus meinem Kopf und überlege, ob ich nun doch einen Anwalt verlangen soll. Die Zielrichtung dieses zuständigen Kommissars ist eindeutig: ein Toter und ein Mörder mit Glatze. Und dieser kennt den Toten und hat kein Alibi. Einfache Strickweise. Und wenn er herausbekommt, dass ich schon einmal wegen Totschlag eingesessen habe, ist es wohl ganz vorbei. Die Vergangenheit holt