Philipp Porter

Philipp Porter Kurzgeschichten


Скачать книгу

Ein mächtig heißes Eisen. Wohl zu heiß für einen Journalisten aus der hiesigen Region.

      Ulf wusste aber, dass ich solchen brisanten Fällen nicht aus dem Wege ging – ich liebte sie sogar. Daher wohl auch sein Anruf. Ackermann dachte wohl das Gleiche, nur sah man ihm an, dass er schon jetzt Bauchschmerzen bei dem Gedanken bekam. Er lebte hier und er kannte mit Sicherheit die Herren auf der Liste, die er gerade in den Händen hielt.

      „Kumpels?“, frage ich salopp und bekomme umgehend die passende Reaktion auf meine provokativ gestellte Frage. Doch einhundertvierzig Kilo, auf zwei Meter zehn, wirft man nicht so einfach um. Ich bewege mein Kinn vorsichtig hin und her.

      „Schade, dass wir nicht alleine sind", brumme ich leise und gehe, ohne zu fragen, ob ich darf. Hier kann ich für meinen alten Freund sowieso nichts mehr tun.

      Da ich mich in Trier nicht gut auskenne, nehme ich erst einmal Kurs auf die Porta Nigra, die ganz in der Nähe ist. Ich werde für die nächsten Tage ein Zimmer benötigen und daher muss ich mich irgendwo einbuchen. Würde Ulf noch leben, hätte ich dieses Problem nicht.

      Als ich an dem alten Stadttor vorbeifahre, ermahne ich mich selbst, einmal nachzulesen, was es mit diesem alten, düsteren Bauwerk wohl auf sich hat. Soweit ich mich erinnern kann, wurde es in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts ohne Mörtel gebaut. Mehr weiß ich nicht. Ich werfe dem Bauwerk einen anerkennenden Blick zu, als ich an ihm vorbeikomme, und fahre über die Nordallee in Richtung Kaiser-Wilhelm-Brücke davon.

      Kurze Zeit später begebe ich mich in den Dschungel der Trierer Einbahnstraßen. Ich mag diese Stadt nicht sonderlich. Auto fahren, wenn man sich nicht auskennt, ist eine Qual.

      Nach einigem Suchen finde ich den Deutschherrenhof in der gleichnamigen Straße. Hier war ich vor einer kleinen Ewigkeit schon einmal, und wo es mir gefallen hat, da gehe ich gerne wieder hin. Die Zimmer sind gemütlich, die Betten groß und das Essen ausgesprochen gut.

      Nach einer heißen Dusche und einer ausgiebigen Rasur erinnert mich mein knurrender Magen an feste Nahrung. Ich nehme mein Handy und gehe ins Restaurant. Während ich auf mein Essen warte, erledige ich einige Anrufe. Ackermann wird sicherlich ein Stück seiner Schreibtischplatte abbeißen, wenn er entsprechende Order von seinem Chef bekommt. Ich kann mir ein breites Grinsen nicht verkneifen.

      Das Steak Madagaskar und der trockene Rotwein schmecken vorzüglich. Während ich genüsslich kaue, summt mein Handy und dreht sich dabei langsam auf der hölzernen Tischplatte im Kreis. Ich schaue mit einem Seitenblick aufs Display. „Trierer Vorwahlnummer. Es muss Ackermann sein“, geht es mir durch den Kopf, während ich ein paar Pfefferkörner auf ein Stück Fleisch schiebe. Doch ich habe keine Lust mit ihm zu reden. Ich will mir den Appetit nicht mit einem unnötigen Gespräch verderben. Er muss sich wohl oder übel damit abfinden, dass ein Privatschnüffler volle Akteneinsicht bekommen wird.

      Beim letzten Bissen schießt mir ein Gedanke durch den Kopf: „Der Hinweis!“ Von Ulf in den Sand gemalt. Ich nehme mein Handy und suche das Bild aus dem Speicher heraus. Auf dem kleinen Display ist aber fast nichts zu erkennen.

      Auf meinem Zimmer lade ich das Bild in meinen Laptop hoch. Nach ein paar kleinen Korrekturen, mit meinem neuen Bildbearbeitungsprogramm, ist es scharf. Ich lasse das Bild um die eigene Achse rotieren.

      „Was soll das sein? Was hat Ulf da mit seinen Fingern in den Sand gemalt?“, frage ich mich selbst.

      Es sind vier zusammenhängende Bögen und ein Einzelner, links von den anderen. Ich stelle das Bild auf den Kopf und wieder zurück. Doch eines weiß ich: Ulf hat auf mich gewartet und dies ist ein Hinweis. Leider kann ich nichts damit anfangen.

      Mein Handy summt erneut. Ich schaue aufs Display. Die gleiche Nummer. Ich melde mich. Und wie erwartet ist es Ackermann. Er sitzt bei der Staatsanwaltschaft und will mich sehen. Sofort!

      Ich erkläre ihm, wo ich mich eingebucht habe, und er beschreibt mir den Weg zu sich. Keine fünfhundert Meter zu Fuß. Fünf Minuten später sitze ich vor ihm.

      Der Staatsanwalt an seiner Seite sagt außer einem „Schönen guten Abend" nichts. Ackermann führt das Wort und er redet viel. Er erklärt mir, was 1985 alles los war mit den Österreichern und den Weinabfüllern in Deutschland, und versucht sich dann in Chemie. Diethylenglykol, mit Zuckertest im Wein nicht nachweisbar, bleibt nur bei mir hängen. Mich interessiert aber, was Ulf in Trier herausbekommen hat. Doch hier schweigt Ackermann beharrlich.

      „Noch mal meine Frage an dich, Jo: Was wollte Ulf Wegmeier von dir?“

      Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung. Geben Sie mir die Akten und ich sage es Ihnen vielleicht.“

      Ackermann schüttelt energisch den Kopf. „Keine Chance. Auch wenn du hundert Mal telefonierst. Von mir bekommst du nichts!"

      Die Hand, die sich auf Ackermanns Arm legt, bringt ihn etwas aus der Fassung. Die leisen Worte des Staatsanwaltes ganz und gar. Ohne einen Kommentar fliegt ein Aktenordner über den Schreibtisch hinweg und landet vor meinen Füßen.

      Nach einer halben Stunde weiß ich mehr. Sehr viel mehr. Ulf hätte sich eine neue Bleibe suchen müssen. In Trier hätte er keinen Stein mehr auf den anderen bekommen. Ich nicke Ackermann zu und werfe den Ordner zurück.

      „Viel Spaß“, sage ich nur, nehme einen Stift aus einer Schale und ein Stück Papier von einem Stapel Notizblätter. Mit schnellen Zügen zeichne ich auf das Stück Papier, was Ulf in den Sand gemalt hat. Ich schiebe den Zettel über den Schreibtisch hinweg. „Können Sie mir sagen, was das ist?“, frage ich den Staatsanwalt.

      Ackermann starrt auf den Zettel. „Was soll das?“, fragt er aggressiv. Instinktiv weiß er, dass mir etwas bekannt ist, das ihm offensichtlich entgangen ist.

      „Tatortsicherung ist eines der profanen Dinge, die Beamten an einem Tatort vornehmen sollten. Jede noch so kleine Spur kann hilfreich sein. Besonders, wenn nicht viel Zeit vergeht, bis es zu schütten beginnt. Zwei Kollegen hätten ausgereicht, um mich festzunehmen, die anderen beiden hätten sich nützlich machen sollen.“

      Der Blick des Staatsanwaltes spricht Bände.

      „Ulf hat dies mit den Fingern in den Sand gezeichnet, bevor er starb. Ich kann leider keinen Zusammenhang mit dem Inhalt seiner Recherchen herstellen. Sagt Ihnen dieses offensichtliche Symbol etwas?“

      Ackermann will auffahren, doch die linke Hand des Staatsanwaltes auf seinem Unterarm hält ihn zurück. Dann nimmt der Staatsanwalt einen Stift und verbindet den alleinstehenden Bogen mit den anderen. Danach zeichnet er zwei parallele Linien über die Bogengruppe und zwei einzelne an die Seite der fünf Bögen.

      Ackermann spricht es zuerst aus. „Die Moselbrücke?“

      Der Staatsanwalt nickt zustimmend.

      „Ich bin nicht von hier, aber ich weiß, dass die Moselbrücke sieben Bögen hat und nicht fünf“, sage ich und lehne mich in dem Stuhl zurück, auf dem ich sitze.

      Ackermann nickt. „Ja, stimmt, Jo. Aber wenn Wegmeier es mit einer einzigen Handbewegung in den Sand gemalt hat, würden zwei Bögen in den Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger noch hineinpassen. Vielleicht hatte er nur keine Gelegenheit mehr den Hinweis vollends zu ergänzen? Es gibt zwei Winzer auf der Liste, die das Symbol der Brücke in ihren Etiketten haben. Hier setze ich an.“

      Ich sage nichts. Ich kannte Ulf. Er hätte mir keine halben Sachen hinterlassen, noch nicht einmal, wenn er im Sterben gelegen hätte. Es muss eine andere Erklärung für die fünf Bögen geben. Ich verabschiede mich. Ackermann hat eine heiße Spur und offensichtlich kein Interesse mehr an mir.

      Während ich durch die dunklen Straßen Triers laufe, geht mir ständig diese Brücke im Kopf umher. „Ist es überhaupt eine Brücke?“

      Der Staatsanwalt und Ackermann haben mich vollkommen aus dem Konzept gebracht. Der Gedanke sitzt aber bombenfest in meinem Kopf verankert. Ich gehe Richtung Frankenturm und biege dann zum Pferdemarkt ab. „Comida Tapa-Bar“, steht auf einem beleuchteten Schild. „Weshalb nicht?“, sage ich. Ich muss auf andere Gedanken kommen.

      Während