Philipp Porter

Philipp Porter Kurzgeschichten


Скачать книгу

      Der Bulle greift zum Handy, nicht zu den Schlüsseln. „Teures Teil. Nicht billig, was?“

      „Auf was will dieser Mistkerl nur hinaus? Raubmord? Wer schlägt schon einen tot wegen eines Handys?“ Ich korrigiere schnell meine Gedanken.

      „Es ist bezahlt. Fünfhundertfünfundneunzig Euro mit Vertrag. Läuft auf meinen Namen. Sie können es gerne überprüfen“, sage ich gelangweilt.

      Der Kommissar klappt das Handy auf und wählt zielsicher den Anrufspeicher aus.

      „Dumm ist er nicht …“, schießt es mir durch den Kopf. „Das Handy ist gerade einmal acht Wochen auf dem Markt und dieser Hüne kennt das Menü, als ob er es mit entwickelt hat.“ Sein Daumen zuckt. Ein kurzer Blick. „Jetzt weiß er, dass ich mit Ulf kurz vor seinem Tod noch telefoniert habe. Kein Kommentar von ihm. Ist das nun gut oder schlecht für mich?“ Die Gedanken kreisen in Lichtgeschwindigkeit in meinem Schädel.

      Der Kommissar wechselt das Menü. Der Daumen zuckt mehrmals nach unten.

      „Er ist im Telefonbuch. Die eingetragenen Namen werden ihm aber kaum etwas sagen“, denke ich.

      Doch dann ein anerkennendes Nicken vom Kommissar. Er kratzt sich mit seiner linken Pranke am Hals.

      „Sie haben gute Kontakte, Jo. Ich kenne einige dieser Namen, die hier abgespeichert sind. Woher kommen Sie noch mal?“

      Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. So schnell kann es gehen. Vom „Du“ zum „Sie“ innerhalb weniger Einträge in einem Telefonspeicher.

      Ich zeige meinem neu gewonnenen Freund umständlich meine Hände, die mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt sind. Er nickt zustimmend und erlöst mich.

      „Darmstadt“, sage ich und reibe mir die schmerzenden Handgelenke. „Danke“, hänge ich freundlich hinten dran.

      „Schon gut. Ich wusste nicht, dass mir ein Kollege gegenübersitzt.“

      „Kein Kollege“, antworte ich knapp und nehme mein Handy wie auch meine Autoschlüssel wieder an mich.

      „Aber die Einträge ..., ich dachte ...“

      Ich muss wieder grinsen. „Ja! Es sind sehr gute Bekannte, sogar Freunde von mir! Aber im weitesten Sinne haben Sie wohl Recht. Irgendwie sind wir schon Kollegen. Jedenfalls stehen wir auf der gleichen Seite.“

      „Das werden wir noch sehen, Jo!“ Der Hüne greift zum Griff der Schiebetür und reißt sie auf. „Überprüf doch mal einen Jo Berghoff aus Darmstadt“, ruft er einem seiner Kollegen zu und wirft gleich darauf die Tür mit einem Ruck ins Schloss zurück. Die nette Plauderstunde ist schon wieder vorbei. „Kennst du den Wegmeier?“

      Ich schaue dem Hünen erneut fest in die Augen. Soweit ich mich erinnern kann, ist er nur kurz bei Ulf gewesen. Er hat keine Papiere von ihm entnommen und er hat auch keine Informationen von einem seiner Kollegen erhalten. Er kennt Ulf persönlich!

      „Ja, ich kenne Ulf, schon lange, wenn Sie es genau wissen wollen. Und ja, wir waren hier verabredet. Und nein, ich habe ihn nicht erschlagen.“

      Die Tür wird aufgezogen und ein uniformierter Beamter schiebt seinen triefend nassen Kopf herein. Er flüstert dem Hünen etwas ins Ohr.

      Ich verstehe kein Wort, aber ich kenne den Inhalt der Nachricht dennoch. „Es ist immer das Gleiche“, denke ich.

      Der Kommissar nickt und zieht die Tür wieder in ihr Schloss zurück. Ein eiskalter Blick trifft mich. Verachtend. Er mag keine Privatermittler. Viele mögen uns nicht.

      „Ein Schnüffler, der schon mal gesessen hat – wegen Totschlag. Nicht schlecht. Das ergibt ja ein rundes Bild. Ich frag dich noch mal: Was willst du hier?“

      „Die Frage, ob ich Ulf erschlagen habe, fehlt. Ob er sie vergessen hat? Oder ist sie vorläufig nicht mehr relevant?“, geht mir durch den Kopf.

      „Würden Sie mir bitte Ihren Namen nennen? Ich möchte wissen, mit wem ich es zu tun habe."

      Der Kommissar zuckt sichtlich zusammen. Jede Faser seiner massigen Hände spannt sich. Nach einer kleinen Ewigkeit sagt er: „Hauptkommissar Ackermann, K3, Mordkommission."

      Ich nicke dankend. „Darf ich telefonieren?“ Der Griff zu meinem Handy ist real, die Frage rhetorisch. Zweimal dringt der Rufton aus dem Lautsprecher, dann wird das Gespräch entgegengenommen.

      „Hallo, ich bin es, Jo. Ich habe hier in Trier ein kleines Problem. Ulf Wegmeier wurde erschlagen und ich sitze als Tatverdächtiger einem Hauptkommissar Ackermann vom K3 gegenüber. Könntest du das bitte regeln? Danke.“

      Die Hände des Hünen zucken. Seine Halsschlagader tritt sichtbar hervor. Auch der hochrote Kopf ist nicht mehr zu übersehen.

      Eine halbe Minute später spielt sein Handy einen leisen Klingelton ab. Er weiß ebenso gut wie ich, wer am anderen Ende der Leitung ist.

      Und es ist wohl das erste Mal im Leben des Herrn Hauptkommissar Ackermann, dass man ihn in die Schranken weist. Er antwortet nur mit knappen Jas und ebenso kurzen Neins. Keine weitere Silbe kommt über seine Lippen. Doch seine Blicke, wären sie fassbar, würden mich glatt in winzig kleine Stücke zerteilen.

      Nachdem er aufgelegt hat, sitzt Ackermann nur stumm da und fixiert mich. Ich starre ebenso stur zurück. Ich weiß, dass er mir nichts anhaben kann, und er scheint zu überlegen, wie er es dennoch anstellen könnte.

      „Und?“, frage ich, da dieses dämliche Herumsitzen in dem engen Polizeibus zu nichts führt. „Was machen wir?"

      „Wir?“, kommt es verächtlich zurück. „Wir machen überhaupt nichts. Du setzt dich in dein Auto und fährst wieder dahin zurück, von wo du auch gekommen bist. Und ich ermittle in dem Mordfall Ulf Wegmeier.“

      Ich muss leise lachen. Dieser Hauptkommissar aus Trier glaubt wirklich, dass ich meine Nase nicht in diesen Fall stecken werde. Ich tippe mir mit zwei Fingern kurz an die Stirn, um mich zu verabschieden, da kommt noch einmal die Frage, die er mir bereits zweimal gestellt hat.

      „Was wollte Wegmeier?“

      Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung. Er rief mich an und fragte, ob ich ihm helfen könnte. Ich habe momentan keinen aktuellen Fall, also bin ich losgefahren. Als ich auf dem Parkplatz ankam, stand sein Wagen bereits da. Aber keine Spur von ihm. Ich bin herumgelaufen und habe ihn gesucht. Den Rest kennen Sie.“

      „Welcher Wagen?“

      Innerlich schüttele ich den Kopf. Seine Kollegen wimmeln nur so draußen im Regen herum, aber keiner hat sich einmal die Mühe gemacht festzustellen, wie Ulf wohl hierher gekommen ist.

      „Sein Wagen, ein dunkelblauer Mercedes, E-Klasse. Er steht auf dem Besucherparkplatz, hier gleich um die Ecke.“

      „Und du hast keine Ahnung, was er von dir wollte?"

      Ich schüttele den Kopf. Diesmal sichtbar. Ich habe wirklich keine Ahnung. „Er war Journalist. Er ist immer hinter irgendetwas her gewesen. Ich habe für ihn schon das eine oder andere Mal ermittelt. Aber gefährlich war es nie.“

      Ackermann starrt verloren aus dem Fenster in die Dunkelheit hinein. Ich hingegen möchte keine Zeit verlieren.

      „Ich würde mich gerne in Ulfs Wohnung und in seinem Wagen umsehen. Auch die letzten Telefonate, die er geführt hat, würden mich interessieren.“

      Ackermann starrt noch immer aus dem Seitenfenster. Hat er nicht verstanden oder will er nicht? Ich winke mit meinem Handy. Es soll so viel heißen, dass ich jederzeit nochmals telefonieren könnte, wenn ich nur wollte. Ein kurzes Nicken von ihm. Gute Freunde werden wir wohl nie werden.

      Die Durchsuchung von Ulfs Wagen ergab nichts. Einige Akten, Artikel und Aufzeichnungen, die ohne einen konkreten Hinweis kaum zu verwerten waren.

      In Ulfs Wohnung sah es anders aus. Anscheinend war er einer mächtigen Gaunerei auf der Spur gewesen. Die schon lange zurückliegende Weinpanscherei mit Glykol in den Achtzigern