verkraften konnte, dann kommen wir in der Zusammensetzung, in der wir uns im Bergbau heute befinden, eigentlich ganz hervorragend miteinander aus. Das betrifft alle Nationalitäten. In den 50er Jahren kamen Italiener und Spanier, Anfang der 60er Jahre Jugoslawen, Türken, Marokkaner, Tunesier. Die zahlenmäßig stärkste Gruppe sind ja die Türken gewesen, die wir noch bis '72, '73 angeworben haben. Selbst die letzten, die wir angeworben haben, sind mittlerweile also schon über 20 Jahre hier. Und die Verantwortung unter Tage hat bei allen Kollegen das Zusammensein und das Zusammenhalten geprägt. Wir kommen gut miteinander aus.
- Im Bergbau gibt es also keine Ausländerfeindlichkeit?
Nein, im Untertagebereich gibt es so etwas nicht. Da gibt es natürlich Reibungspunkte, unter Deutschen und Ausländern, unter Deutschen und Deutschen, aber die gibt es auch unter den Ausländern selber. Gerade bei den türkischen Kollegen kann man hin und wieder sehr deutlich spüren, aus welchen Regionen ihres Heimatlandes sie kommen, da gibt es nämlich erhebliche Unterschiede. Aber in aller Regel bleibt alles bei verbalen Auseinandersetzungen, und großartige Drohungen wie "Warte mal bis vor dem Zechentor!" - was ich schon während meiner Ausbildung hier und da gehört habe, - hört man eigentlich selten.
Auf unserer Anlage hatten wir maximal 26 verschiedene Nationalitäten, und man muss einfach sehen, dass wir ohne die ausländischen Kollegen den Bergbau damals nicht mehr hätten weiterführen können. Wir haben heute einen Ausländeranteil, der sogar noch höher ist als vor 10, 15 Jahren; das hängt damit zusammen, dass auch die Kinder in der zweiten und teilweise schon dritten Generation ihre Ausbildung bei uns beginnen. Insgesamt beträgt der Anteil der Ausländer an der Gesamtbelegschaft knapp 30 Prozent. Ich kann mir nicht vorstellen, dass, wenn bei uns die ausländischen Kollegen nicht mehr da wären, dafür Deutsche in den Bergbau hineingingen. Die Arbeit ist nach wie vor schwer, sie verlangt jedem einzelnen viel ab. Hinzu kommen die Klimabedingungen, die sich mit jedem Meter ändern, den wir weiter in die Teufe gehen; es ist da oft nicht nur warm, es ist wirklich heiß, und auch Staub gibt es nach wie vor da unten. Kurzum: ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass diejenigen, die heute bei uns arbeitslos sind, im Zweifelsfall unter Tage arbeiten würden. Wobei wir allerdings bestimmte Symptome aus der Vergangenheit kennen: früher kam es oft vor, dass wir jeweils in den Wintermonaten sog. Saisonarbeiter hatten. So wie die Sonne höher stieg, waren diese Leute verschwunden, im Herbst waren sie wieder da. Das lief einfach unter dem Motto: auf der Zeche ist es wenigstens nicht kalt, und man hat ein Dach über dem Kopf. Sogar ein sehr dickes. Mehrere hundert Meter.
- Können Sie die Stimmung unter den ausländischen Mitarbeitern angesichts der schlechten wirtschaftlichen Situation und der zunehmenden Ausländerfeindlichkeit beurteilen?
Da muss man deutliche Unterschiede machen. Ich nehme noch einmal die stärkste Gruppe, die türkischen Kollegen. Die ersten sind ja bereits Anfang '63 gekommen. Sie sind in einem bestimmten Alter hier hingekommen und haben zumeist schon große Kinder mitgebracht. Es sind mittlerweile über 30 Jahre vergangen, dort wird jung geheiratet, so dass wir im Augenblick tatsächlich schon von der dritten Generation sprechen können. Ganz allgemein weckt das, was wir heute an Ausländerfeindlichkeit in der Bundesrepublik beobachten, Ängste bei diesen Menschen. Das verspürt man deutlich. Oft sagen sie, selbst wenn wir im Arbeitsleben und teilweise auch im Privatleben gut miteinander auskommen, dann gibt es diese Ausländerfeindlichkeit eben immer noch. Viele der türkischen Kollegen hatten anfangs gedacht, ohnehin wieder in die Türkei zu gehen; aber das wurde und wird natürlich von Jahr zu Jahr schwieriger. Bei der Anwerbung hat sicherlich niemand auch nur geahnt, dass daraus ein ganzes Arbeitsleben in Deutschland wird. Wir sitzen immer noch mit denjenigen Kollegen zusammen, die ihre letzte Schicht verfahren, und seit Mitte der 80er Jahre waren auch die ersten ausländischen Kollegen dabei. Und bei dieser Gelegenheit habe ich dann den einen oder anderen gefragt, was er denn nun machen will und ob der ursprünglich beschriebene Weg wieder nach Hause auch durchgeführt wird. Und dann haben eine ganze Reihe der Männer gesagt, ich will eigentlich immer noch nach Hause; aber die Frau geht sowieso nicht mit, weil die Kinder hier sind und hier Arbeit haben. Und damit ist eigentlich entschieden, dass ich auch hier bleiben muss. Sie nehmen sich dann meistens vor, einen Teil des Jahres hier, einen Teil in der Türkei zu verbringen. Einerseits wollen die älteren ihre Verbindungen, die sie noch zur Türkei haben, aufrecht erhalten; andererseits bleibt so der Kontakt zur Familie bestehen. Denn die Familie will in aller Regel nicht wieder zurück. Dieser Weg ist ihnen einfach durch die Entwicklung und durch die Zeit versperrt. Es gibt eine ganze Reihe türkischer Kollegen, die immer gesagt haben, wir gehen hier auf jeden Fall wieder weg. Und sie sind alle noch hier. Einige haben mir sogar gesagt: Anscheinend habe ich in meinem Leben alles falsch gemacht. Für die Zeit nach meinem Arbeitsleben habe ich mir in der Heimat ein Haus gebaut, oft ein zweites Haus gebaut, manchmal sogar in einem Urlaubsgebiet auch noch eine Ferienwohnung gekauft, und jetzt steht das alles da, und ich muss hier bleiben. Und die Kinder haben überhaupt kein Interesse daran, das alles einmal anzunehmen. Diese Menschen werden hier bleiben trotz der Angst, die sie wegen der zunehmenden Ausländerfeindlichkeit bei uns haben.
- Sie sagten, die Stimmung unter den Kollegen sei angespannt. Was überwiegt: Hoffnung oder Resignation?
Ich weiß gar nicht, ob ich hier eine richtige Beschreibung der Situation finden kann. Ich will das mal so sagen: wenn wir auch als Bergbau in den letzten Jahren sehr klein geworden sind, so haben wir doch jährlich eigentlich immer drei- bis viermal so viele Bewerbungen für Ausbildungsplätze gehabt als wir Auszubildende haben einstellen können. Und das ist nach meinem Dafürhalten doch ein Zeichen für etwas Sicherheit, die wir ganz offensichtlich immer noch vermitteln. Ich rede nicht unbedingt von Vertrauen in absolute Zukunft, wo man sagen müsste, ihr könnt hier bis zu eurer Rente arbeiten. Im Augenblick haben wir auf "Hugo" zusätzliche Probleme, weil auch unser Bergwerk nun direkt von der Krise betroffen ist, konkret durch die Entscheidung, dass wir im letzten Jahr ein Verbund-Bergwerk geworden sind. Und eine solche Entscheidung bringt halt schwierige Veränderungen für jeden mit sich. Aber trotz aller problematischer Diskussionen haben wir immer noch doppelt so viele Bewerber für Ausbildungsplätze, als wir einstellen können. Die Ausbildung auf der Zeche wird immer noch als hervorragend angesehen, und selbst diejenigen, die in den bergmännischen Bereich gehen, sehen ganz offensichtlich für die Zeit nach ihrer Ausbildung noch eine Zukunft.
Wir haben ja politisch eine Beschreibung in der Kohlerunde bis zum Jahr 2005, auch wenn die Politik zur Zeit ihr gegebenes Wort nicht unbedingt einhalten will. Wer sich mit Energiepolitik oder auch Fragen der Großindustrie befasst, der weiß, dass hier Beschreibungen für einen langen Zeitraum nach vorn getätigt werden müssen, damit Planungssicherheit gegeben ist. Kraftwerke z.B. stellt man nicht von heute auf morgen irgendwohin, sie brauchen eine Vorlaufzeit, die wegen der stetig wachsenden Beteiligung der Öffentlichkeit immer länger wird. Mittlerweile vergehen zwischen ersten Überlegungen und der Realisierung eines solchen Vorhabens zwischen 10 und 15 Jahre. Die Politik muss also Orientierungen nach vorne geben; bei der Kohle hat sie das - trotz aller augenblicklichen Diskussionen - schließlich auch getan. Und diese relativ lange Zeitspanne kann auch ein Gefühl von Sicherheit vermitteln; vor allem muss man das vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Situation sehen: In welcher Branche gibt es denn heute überhaupt noch eine verlässliche Arbeitsplatzgarantie über Jahre hinaus? Außerdem hat es die IGBE bis heute verstanden, eine Politik zu betreiben, die sich tatsächlich an den Menschen orientiert. Trotz aller Schwierigkeiten wurde bis heute noch niemand einfach entlassen, es wurden immer Ersatzarbeitsplätze im Bergbau gesucht. Bis heute ist das jedenfalls gelungen. Und natürlich gibt auch das den Bergleuten ein Stück Sicherheit und lässt vielleicht auch junge Leute denken, es lohnt sich immer noch, dort anzufangen. Und wenn nun die Beschreibungen der Politiker bis zum Jahr 2005 eingehalten werden, dann wird es hier auch über diesen Zeitpunkt hinaus noch Bergbau geben. Ich hoffe sogar, dass wir dann auch noch in der Größenordnung existieren, in der wir uns heute bewegen. Und diese Hoffnung beruht auf Zahlen und Fakten, an denen wir uns orientieren müssen. Wie lange ist bei jetzigem Verbrauch und bei heute erschlossenen Vorräten noch Gas vorhanden, Öl vorhanden, Steinkohle vorhanden? Wie lange müssen wir die Kernenergie noch sehr kritisch betrachten? Gerade in den letzten Tagen haben wir doch erlebt, dass es bezüglich der Sicherheit und der Zumutbarkeit dieser Energie erhebliche Differenzen zwischen Bundes- und Landespolitik gibt. Außerdem steht wohl fest, dass die regenerierbaren Energien den großen Sprung nach vorne nicht machen werden, den einige