besuchen, Billy."
"Heute besser nicht."
"Wieso nicht?"
"Heute paßt es schlecht."
"Vielleicht komme ich einfach mal vorbei, ja?"
"Ich weiß nicht..."
Als ich wieder zu Hause war, wurde mir klar, daß ich Loretta nicht wieder hinkriegen würde. Ich experimentierte noch etwas mit den Drähten herum, die ich an ihrem Kopf angebracht hatte. Über feine elektrische Impulse ließen sich die Augenlider und der Mund öffnen und schließen. Sie wirkte dann so lebendig, auch wenn ihre Gesichtszüge manchmal etwas maskenhaft blieben. Ich vermied daher, sie grellem Licht auszusetzen. Man muß die Dinge nicht so genau sehen. Muß man wirklich nicht. Sie war da. Loretta. Einfach da. Eine Gefährtin. Sie konnte auch den Mund halten. Habe ich das schon erwähnt? Ich weiß nicht...
Traurigkeit erfaßte mich.
"Was ist los, Billy?"
"Ich weiß es nicht."
"Warum ist da immer dieser weiße Qualm?"
Ich schluckte. "Ich krieg' das schon hin, Loretta."
Eine Lüge.
Als der weiße Qualm erneut aufstieg, schaltete ich die Apparatur ab. Schade, dachte ich. Du wirst mir fehlen.
"Was?"
"Nichts."
Der bleiche, tote Mund verstummte.
Endgültig.
Ich ging zum Kühlschrank, fragte mich, was ich verkehrt gemacht hatte und nahm mir eine Dose Budweiser. Das Bier war warm. Scheiße. Ich hatte nicht daran gedacht, daß ich den Stecker herausgezogen hatte, um die Dose für meine Apparatur nutzen zu können. Ich schlürfte die warme Brühe, machte den Fernseher an, hörte aber nicht richtig zu.
Beim nächsten Mal mache ich es besser, dachte ich. In Gedanken ging ich die gesamte Schaltung noch einmal durch.
Ich sah dabei zu Loretta hinüber.
Zu ihrem Kopf.
Irgendein Schleim tropfte unten aus der Öffnung am Hals, die ich eigentlich mit einer Polyester-Dichtung verstopft hatte.
Es war fünf Uhr nachmittags, als Dorothy kam. Sie trug ein Kleid. Ich hatte sie noch nie in einem Kleid gesehen, immer nur in karierten Hemden und Jeans.
Ich starrte sie an. Sie wurde rot. Ich wahrscheinlich auch.
"Hi!"
"Hi, Dorothy!"
"Ich dachte, ich komme mal vorbei."
"Tja..."
"Komme ich ungelegen?"
"Nein, aber..."
Ich hielt sie zurück, als sie an ihm vorbeigehen wollte.
Sie sah mich an. Ihre Augenbrauen bildeten eine Schlangenlinie. Eine Frage stand in ihrem Gesicht.
"Hast du Besuch?"
"Quatsch."
"Was ist dann los?"
"Ich muß eben was wegräumen, Dorothy. Dann kannst du reinkommen, okay?"
"Irgendwie riecht das komisch bei dir da drinnen..."
"Ich habe gebastelt. Mit Polyester... Warte hier, ja?"
"Okay", seufzte sie.
Ich wußte nicht, wo ich Lorettas Kopf so schnell hinstecken sollte. Ich packte ihn schließlich in den Mülleimer. Die Klappe ging nicht richtig zu. Ich mußte ihn ziemlich quetschen.
Die Apparatur ließ ich so stehen, wie sie aufgebaut war.
Es hätte zuviel Arbeit gemacht, alles von neuem zu verkabeln. Nur die Blutflecken wischte ich weg. Und diesen Schleim, der aus Lorettas Kopf herausgequollen war. Aber viel war davon nicht vorhanden.
Ich bin immer sehr reinlich.
Ich holte die Axt.
Der Puls schlug mir bis zum Hals.
Dorothy...
Sie hat ein schönes Gesicht, dachte ich. Und einen schlanken, langgezogenen Hals. Anders als Mrs. Cross.
"Du kannst reinkommen, Dorothy!"
UNGEBETENE GÄSTE
Alles hatte damit angefangen, daß George noch so spät in die Stadt gefahren war um einzukaufen. Es gab dort einen Supermarkt, der die ganze Nacht geöffnet hatte.
Maureen stand am Fenster und blickte hinaus in die Nacht.
Sie und ihr Mann George betrieben eine Tankstelle mit Drugstore. Sie blickte zu den erleuchteten Zapfsäulen. Dahinter war der Highway. Um diese Zeit war der meiste Betrieb vorüber. Im Hintergrund hörte Maureen das Radio. Country-Music, die dann durch eine Meldung unterbrochen wurde.
Zunächst hörte Maureen kaum hin, aber dann horchte sie plötzlich doch auf. Ein Mann namens John Bowles war aus einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung ausgebrochen. Dann folgte eine ausführliche Beschreibung.
John Bowles! Den Namen kannte Maureen nur zu gut! Der Fall war damals durch die bunten Blätter gegangen und Maureen hatte jede Wendung mitverfolgt. Schließlich kam es ja nicht allzu häufig vor, daß so etwas in der näheren Umgebung vorkam!
Bowles war für eine Serie von Frauenmorden verantwortlich gewesen. 15 Jahre war die ganze Sache jetzt schon her. Man hatte Bowles schließlich gefaßt und nur die psychiatrischen Gutachten hatten ihn schließlich vor dem elektrischen Stuhl gerettet. "Ich kenne das Irrenhaus aus dem dieser Kerl ausgebrochen ist", meldete sich der Kerl an der Theke zu Wort, dem Maureen den letzten Hamburger gemacht hatte, für den noch ausreichend Zutaten im Kühlschrank gewesen waren. "Ich fahre zweimal die Woche die Milch dorthin, wissen Sie?"
Maureen wandte sich vom Fenster ab und sah zu ihrem derzeit einzigen Gast. Aber sie sagte nichts. Der Mann schüttelte den Kopf. "Ich frage mich wirklich, wie der Kerl da herausgekommen ist! Diese Anstalt ist mindestens so gesichert wie ein Gefängnis!" Dann nahm er den letzten Bissen von seinem Hamburger, wischte sich den Mund ab und wandte sich dann zum Gehen. "Wird Zeit für mich!" meinte er. "Ist Ihr Mann nicht da?" - "Nein. Aber er kommt bald wieder." - "Das ist gut! Mit diesem Kerl ist nicht zu spaßen." - "Ich weiß." - "Im Radio hieß es, er hätte eine Narbe an der rechten Schläfe..."
"Ja, das stimmt. Die war auch damals immer auf den Photos zu sehen. Stammte angeblich aus einer Messerstecherei..."
"Ach, diese Revolverblätter! Aber passen Sie auf sich auf!"
"Das werde ich!" Und dann war Maureen allein.
Maureen ging zu einer Schublade am Tresen, öffnete sie und überprüfte den Revolver, der dort lag. Sicher ist sicher, dachte sie. Eine halbe Stunde später kam dann der Anruf.
Es war George. "Ich komme etwas später, Liebling!" sagte er.
"Was ist los?"
"Ich rufe vom Supermarkt aus an. Der Wagen streikt, aber ich bekomme das schon wieder hin. Mach dir keine Sorgen."
"Komm so schnell du kannst, ja?" - "Ja, natürlich"
*
Ungeduldig wartete Maureen. Dann kam ein Truck heran. Maureen hörte die Bremsen zischen. Sie sah einen Mann zum Drugstore kommen. Als er durch die Tür trat, wich sie etwas zurück.
Der Mann vor ihr hatte dasselbe Alter wie Bowles jetzt. Auch die Größe konnte passen. Und das Gesicht? Maureen war sich nicht hundertprozentig sicher. Es konnte hinkommen. Es war faltiger, nicht mehr so glatt wie damals auf den Zeitungsfotos. Und die Haare waren ergraut und hatten sich gelichtet.
Der Mann ging an die Theke, setzte sich auf einen der Hocker und bestellte ein Bier. Maureen brachte es ihm. Und dann sah sie das große Heftpflaster an seiner rechten Schläfe!