Heidi Oehlmann

Wenn Rache süchtig macht


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      Wie ich solche Typen hasse! Diese Art von Mann kriegt im eigenen Leben nichts gebacken und muss sich über andere Menschen das Maul zerreißen. In mir brodelt es vor Wut.

      Ich schaue zu den beiden Frauen. Caro und ihre Begleiterin scheinen nichts von dem Geläster mitzubekommen. Sie sind immer noch in ihrem Gespräch über Michael vertieft.

      Meine Ohren verlassen ihre Unterhaltung. Meine Aufmerksamkeit liegt bei den beiden Männern, die keine fünf Meter von mir entfernt an einem Tisch sitzen. Sie ziehen weiterhin über die beiden Mädels her. Dabei sollten sie erst mal bei sich selbst anfangen. Der Dünnere der beiden sieht nicht nur ungepflegt aus, er ist nicht mal in der Lage sich den Schaum seines Biers aus dem Oberlippenbart zu wischen. Ich finde ihn einfach nur ekelhaft.

      Und der andere Typ hat mit seiner Figur überhaupt kein Recht, sich über die Körper der beiden Frauen lustig zu machen. Sein Bierbauch ist so dick, dass er gegen den Tisch drückt. Er quillt sowohl über als auch unter der Tischplatte hervor. Bei der Fülle könnte er seine Wampe gleich auf dem Tisch ablegen. Das sähe vielleicht nicht ganz so schlimm aus. Oder doch! Wenn ich mir das Bild so vorstelle, ist es genauso ekelerregend. Ich versuche mich nicht auf die Äußerlichkeiten der beiden Kerle zu konzentrieren, sondern ihre Worte zu verstehen. Es gelingt mir sogar.

      Während ich den beiden Männern zuhöre, denke ich daran, wie es mir früher erging. Ich höre wieder die Worte Betty ist ein Fetti. Dieser Satz bringt mich zum Kochen. Im Gegensatz zu damals würde ich mir so etwas heute nicht mehr gefallen lassen. Mit meinem neuen Aussehen gelange ich aber nie wieder in diese Lage. Dennoch kann ich nicht dabei zuschauen, wie andere Menschen fertiggemacht werden, nur weil sie ein paar Kilo zu viel auf die Waage bringen.

      In mir wächst das Bedürfnis, den beiden Lästermäulern eine Lektion zu erteilen. Ich habe das Verlangen, mich im Namen von Caro und ihrer Freundin zu rächen.

      Einen Moment denke ich darüber nach, wie ich es anstellen könnte. Dann kommt mir die Idee. Ich habe noch einen Rest von meinen getrockneten Eisenhutblättern in der Tasche, die ich den beiden Herren gern zum Probieren servieren würde. Es ist fraglich, ob meine Spezialmischung für beide Männer reicht. Es war schließlich nicht geplant, an diesem Tag noch andere Personen, außer Marc, damit zu versorgen. Außerdem hat mein letztes Opfer mehr von den getrockneten Blättern bekommen, als es nötig gewesen wäre. Ich will es auf einen Versuch ankommen lassen. Selbst wenn es mir nicht gelingen sollte, beiden Typen den Garaus zu machen, sollen sie wenigstens ein bisschen leiden. Die Frage ist nur, wie ich sie dazu bringen könnte, die tödlichen Blätter zu sich zu nehmen. Ich kann sie den Kerlen wohl kaum ins Bier schütten und erwarten, dass sie es trinken. Eine andere Lösung muss her. Ich denke nach, wie ich mit ihnen in Kontakt kommen kann, ohne sie direkt ansprechen zu müssen. Dann habe ich die Lösung.

      Provokativ schaue ich zu ihnen rüber und fahre mir dabei mit der linken Hand durch meine braunen schulterlangen Haare. Der Dicke bemerkt mich und stupst seinen Saufkumpanen an. Beide Männer starren mich an. Ich lächele ihnen zu und halte demonstrativ mein Glas Sekt in die Luft, um ihnen zuzuprosten. Sie prosten zurück. Der Dickere winkt mir zu und deutet an, ich soll zu ihnen kommen. Diese Einladung schlage ich selbstverständlich nicht aus. Ich gehe zu ihnen an den Tisch, setze mein schönstes Lächeln auf und sage: »Na ihr beiden Hübschen!«

      »Hallo schöne Frau«, sagt der Dicke.

      Mit einem zaghaften »Hallo« begrüßt mich der andere.

      »Ich bin die Tina. Und wie heißt ihr?«

      Meinen richtigen Namen wollte ich ihnen nicht verraten. Wobei mein genannter Name nicht ganz gelogen ist. Es ist einer meiner Kosenamen. Meine Mutter gab mir zu meiner Geburt den schrecklichen Namen Bettina, der sich nur zu gut zum Hänseln eignet.

      Der mit der fetten Wampe stellt sich als Wolfram und der Ungepflegte als Dieter vor.

      Ich setze mich zwischen die Männer an die Kopfseite des Tisches. Dieter faselt etwas von wegen Nachschub holen und verschwindet in Richtung Theke. Nun bin ich mit Wolfram alleine. Ich nutze die Chance und flirte wie eine Weltmeisterin mit dem schmierigen Typen. Ich ekele mich ein wenig vor mir selbst. Gleichzeitig bin ich erstaunt über mein schauspielerisches Talent. Wolfram scheint mir das Theaterstück abzukaufen.

      Noch bevor ich mich versehe, liegt seine Hand auf meinem Knie. Irgendwie habe ich so etwas befürchtet. Solche Schluckspechte wollen doch alle nur das eine. Ich lasse mir natürlich nicht anmerken, wie sehr es mich anwidert. Glücklicherweise habe ich meine Reflexe im Griff. Die Hand, die zu einer Ohrfeige ausholen will, halte ich in Schacht.

      Ich lächele Wolfram an. Für ihn scheint mein Lächeln ein Freibrief zu sein, mit seiner Hand meinen Oberschenkel hinauf zu wandern. Ich weiß genau, worauf es hinauslaufen soll und halte Wolframs dicke Hand, die noch auf meinem Schenkel liegt, fest und sage zu ihm so naiv, wie ich nur kann: »Warte! Nicht hier.«

      »Gut. Gehen wir zu mir?«

      »Und was ist mit deinem Kumpel?«

      »Was soll mit ihm sein?«

      »Wir können ihn doch nicht einfach alleine zurücklassen.«

      »Der kommt schon klar!«

      »Vielleicht will er ja mit uns kommen.«

      »Du willst uns beide? Ist das dein Ernst?«

      »Warum nicht?«

      »Du gefällst mir!«

      Ich lächele ihn so süß an, wie ich nur kann. Innerlich bin ich total nervös. Hoffentlich geht mein Plan auf. Sonst habe ich in wenigen Minuten ein riesiges Problem, besser gesagt zwei abstoßende Probleme.

      »Ich gehe schon mal bezahlen und gebe Dieter Bescheid.«

      »Ups, ich muss meinen Sekt auch noch bezahlen.«

      »Das mache ich schon.«

      »Danke! Du bist so süß.«

      Als Wolfram mir den Rücken zukehrt, verdrehe ich die Augen und sehe zu den beiden Frauen an der Theke, die immer noch in ihrem Gespräch vertieft sind. Sie haben nicht den geringsten Schimmer davon, was ich vorhabe, nur um sie zu rächen.

      Ich stehe auf und gehe zur Theke. Wolfram hat bereits bezahlt. Die beiden würgen sich noch schnell einen Kurzen hinunter. Wahrscheinlich müssen sie sich ein wenig Mut antrinken. Sollen sie nur. Es wird ihr letzter Schnaps sein, sofern mein Plan aufgeht.

      »Von mir aus können wir gehen. Das Taxi müsste jedem Moment da sein«, sagt Wolfram.

      »Sehr gut«, höre ich mich sagen. Ich spüre, wie mein Herz immer schneller schlägt. Wie ferngesteuert gehe ich mit den beiden Typen nach draußen.

      3. Kapitel – Betty

      »Wo ist die Küche?«

      »Dort«, sagt Wolfram, während er auf die Tür zu meiner linken zeigt.

      »Gut, ich richte das Essen an. Macht ihr es euch doch schon mal bequem!«

      Ich gehe in die Küche und öffne eine Schranktür nach der anderen, bis ich die Teller finde. Mit zitternden Händen nehme ich drei Teller aus dem Schrank und drapiere darauf das asiatische Essen, welches wir unterwegs besorgten.

      Auf dem Weg zu Wolframs Wohnung bat ich die Männer darum, dass wir noch etwas zum Essen mitnehmen, da ich angeblich einen Bärenhunger hätte und die beiden Schmierlappen - so habe ich sie natürlich nicht angesprochen - sicher auch eine Stärkung vertragen könnten. Natürlich bin ich nicht hungrig. Ganz im Gegenteil, der Hunger ist mir seit dem Verlassen von Marcs Wohnung vergangen. Mir fiel auf die Schnelle nur keine andere Möglichkeit ein, um meinen Eisenhut an den Mann zu bringen. Außerdem brauchte ich dringend eine Pause von dem Gegrapsche.

      Während der Taxifahrt fingen beide Kerle an, mich zu begrapschen. Sie schienen fast zeitgleich auf die Idee gekommen zu sein. Ich war so angewidert von den beiden Kerlen. Sie vermittelten mir den Eindruck, als hätten sie schon lange keine Frau mehr von Nahem gesehen. Ich bin für sie also so etwas