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Lehr-und Wanderjahre


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      (Dr. Christine Belz-Hensoldt)

      Zum Geleit

      Das Unternehmen Hensoldt AG in Wetzlar, ein Tochterunternehmen der Zeiss Gruppe, konnte in diesem Jahr das Jubiläum ihres 150jährigen Bestehens feiern. Dies ist Anlass genug, den Blick zurück zu richten auf die Zeit der Industrialisierung und genauer, auf die Ursprünge der optisch-feinmechanischen Industrie hier in Deutschland.

      Im vorletzten Jahrhundert war es ein guter Brauch, dass junge Männer nach erfolgreichem Abschluss ihrer Lehrjahre als fahrende Gesellen übers Land zogen, um bei unterschiedlichen Firmen ihrer Branche praktische Erfahrungen zu sammeln.

      So auch unser Firmengründer Moritz Carl Hensoldt, der sich im Jahre 1841 nach Beendigung seiner Lehrzeit in Saalfeld/Thüringen auf Wanderschaft begab und unter anderem ab Mai 1842 bei F. W. Breithaupt mit Arbeiten zum Bau von geodätischen Instrumenten beschäftigt war.

      Von dieser Station seiner Wanderschaft bis zum 20. März 1843 bestand zwischen Hensoldt und seinem Vater in Sonneberg ein reger Briefwechsel. Anlässlich eines Besuches in Marigny in Burgund berichtete mir die Urenkelin des Firmengründers, Frau Dr. Belz-Hensoldt, von 17 historischen Briefen ihres Ugroßvaters an dessen Eltern, die sich in ihrem Besitz befinden.

      Begeistert war ich von der Idee, diese in Form eines Buches herauszugeben und so der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die ersten Briefe zeigen nämlich in einfacher Form, dass den jungen Hensoldt zunächst noch in hohem Maße die elementaren Dinge des Lebens, also sein leibliches Wohl und andere Primärbedürfnisse beschäftigten.

      Am Verlauf des späteren Briefwechsels zeichnet sich ganz lebensnah die Entwicklung des jungen Moritz Hensoldt vom Mechaniker-Gesellen zu einem sehr der Präzision verbundenen, auch wissenschaftlich interessierten Optik-Fachmann ab, der neben der Qualität der Arbeit, einer hohen persönlichen Arbeitsmoral auch stets den wirtschaftlichen Aspekt im Auge behielt; die Voraussetzungen zur Gründung eines eigenen erfolgreichen Unternehmens waren gegeben.

      Für alle Leser ergibt sich hier die seltene Gelegenheit, den Weg eines jungen Mannes aus dem vorletzten Jahrhundert, verfasst in dessen persönlichen Worten und geschichtlich wie wissenschaftlich detailgenau kommentiert von dessen Urenkelin Dr.Christine Belz-Hensoldt, mitzuerleben.

      Dieses spannende Werk wird eine Bereicherung für geschichtlich und technisch interessierte Leute sein. Es ist darüber hinaus ein hervorragender Beitrag zur weiteren Detaillierung unserer Firmengeschichte, nämlich das Heranwachsen eines später erfolgreichen Unternehmens.

      Frau Dr. Belz-Hensoldt gebührt an dieser Stelle unser besonderer Dank und hohe Anerkennung für dieses gelungene Kleinod historischer Darstellung.

      (Günter Modrich)

      Vorstand der Hensoldt AG Zeiss Gruppe

      Zum Geleit

      Zu den Aufgaben eines Oberbürgermeisters gehört es, von Zeit zu Zeit Geleit- und Vorworte für alle möglichen Bücher und sonstige Druckerzeugnisse zu schreiben. Das ist manchmal Lust, aber auch manchmal Last.

      Im vorliegenden Fall, nämlich bei den frühen Briefen des jungen Moritz Hensoldt an seinen Vater Heinrich Christoph Hensoldt, war es Lust deswegen, weil es Spaß machte, diese Briefe zu lesen, die Entwicklung eines jungen Menschen zu beobachten und den optischen Sachverstand zu bewundern. Übrigens – auch all das Private, das in den Briefen zum Ausdruck kommt, der freundschaftliche Umgang mit seinem Vater und die präzise Beobachtungsgabe des jungen Moritz Hensoldt – war ungemein interessant für mich.

      Es ist das große Verdienst von Frau Christine Belz-Hensoldt, dass dieses Buch im Jahr des 150-jährigen Bestehens der Firma Hensoldt erscheinen kann. Für ihre Mühe und den Mut, dieses Buch anzubieten, gebührt ihr Dank, persönlicher Dank des Oberbürgermeisters und der Dank der Stadt Wetzlar, zu deren Entwicklung die Firma Hensoldt einen wesentlichen Beitrag geleistet hat und noch leistet.

      Zum Glück gab es damals weder Telefon noch e-mail, so dass man Briefe schreiben musste, um von Ort zu Ort zu kommunizieren, und es ist fast ein Wunder, dass die hier veröffentlichten Briefe erhalten geblieben sind. Wir sehen einen jungen Mann, der zielgerichtet auf seine Firmengründung zuging, zum Glück für unsere Stadt und die gesamte Region.

      Ich bedanke mich noch einmal bei der Herausgeberin und wünsche dem Buch die Beachtung, die es, nach meiner Einschätzung, unbedingt verdient.

      (Wolfram Dette)

      Oberbürgermeister der Stadt Wetzlar

      1. Brief

      Saalfeld am 10ten Febr. 1839

      Lieber Vater!

      Deinen lieben Brief erhielt ich heute so wie das Kistchen u. danke für das mir Gesandte. Anbei erhaltet ihr meine schwarze Wäsche und verschiedene alte u. noch gute Kleider.

      Von den beiden Rippelschen Familienwappen schreibt sich das eine wie das andere, u. ist das eine Thüringisch, das andere Preußisch Geschlecht (nicht schwäbisch.)

      Ich kann heute nicht weiter schreiben, denn meine Coll. sitzen um mich herum u. karten u. machen großen Spektackel.

      Grüßend

      Moritz

      Rückseite

      Herrn

      Sekretair Hensoldt

      Wohlgeboren

      in

      Sonneberg mit

      1 Kistchen

      an der Seite, mit des Vaters Schrift:

      Saalfeld 10./2. 39

      Moritz

      Unter der Adresse, mit Bleistift (schwer leserlich):

      28/5 38 1 Pfd. Eisen à ??

      1 a 3 ?) neu

      1 a 2 ?) Guß ...

      1 Einsatz..... zu 1 f 2 h

      Anmerkungen

      Betrachtet man diesen ersten von insgesamt 17 erhaltenen Briefen, die Moritz Hensoldt in der Zeit zwischen dem 10. Februar 1839 und dem 20. März 1843 an „den lieben Vater“ bzw. die lieben Eltern schreibt, ist an ihm vielleicht das Bemerkenswerteste, dass er vom Vater aufgehoben worden ist. Es ist, sieht man einmal von seiner Mitteilung zum Rippelschen Familienwappen ab, ein Brief, wie er seinerzeit gewiss von Hunderten junger Leute in gleichen Verhältnissen an die Eltern geschrieben wurde: die Eltern haben den Sohn mit frischer Wäsche und Nahrhaftem versorgt, der Sohn bedankt sich dafür und verschickt im Gegenzug getragene Wäsche und Kleidung — die Mutter wird's schon richten!

      Wie im folgenden zu lesen sein wird, schien auch dieser erste Brief mir eines ausführlichen Kommentars würdig, denn er erzählt “zwischen den Zeilen“ unendlich viel mehr, als der Schreiber selbst uns in dürren Worten wissen lässt.

      Carl Hensoldt, Moritz Hensoldts jüngster Sohn, hat in seiner Schrift „Das Hensoldt-Werk und seine Beziehungen zur allgemeinen Fernrohrtechnik“ [2] eine Abschrift des Lehrbriefes wiedergegeben, den der in Saalfeld ansässige H.S.M., also Herzoglich Sächsisch Meiningensche Münzmechanicus und Graveur Georg Andreas Wiskemann seinem Vater Moritz Hensoldt am 22.August 1841 ausgestellt hat. Es heißt darin u.a., dass

      Bild 1: Wohn-und Verwaltungshaus der Saline Friedrichshall

      „Carl Moritz Hensoldt aus Sonneberg bey mir vom 1. May 1837 bis heute als