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Lehr-und Wanderjahre


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sich seine Lehrzeit mit nur vier Jahren und drei Monaten, war also um neun Monate verkürzt.. Es ist anzunehmen, dass ihm eine ähnliche Auszeichnung wie später Otto Fennel bei Breithaupt widerfahren ist: Fennel durfte seine Lehrzeit mit einem Erlass von vier Monaten vorzeitig beenden, weil er sich als stets fleißig und aufmerksam erwiesen hatte.[32]

      Ein ähnliches Lob findet sich auch in dem von Wiskemann ausgestellten Zeugnis, wenn dieser schreibt, dass Moritz Hensoldt sich während seiner Lehrzeit „als ein aufmerksamer und treuer Mensch betragen und keine Veranlassung zu meiner Unzufriedenheit gegeben hat“[33].

      Jetzt war noch eine wichtige Hürde zu nehmen, nämlich die des Miltärdienstes. Wie sich Moritz Hensoldt hierzu stellte, hat er nie in Worte gefasst. Immerhin schildert er dem Vater recht eingehend Uniformen und militärische Aufzüge[34]. Dies kann aber auch damit zu begründen sein, dass sich der Vater während der Freiheitskriege vom einfachen Gefreiten bis zum Lieutenant, also einem Offizier hochgedient hatte[35]. Das war in diesen Zeiten die große Ausnahme für einen Bürgerlichen. Heinrich Christoph Hensoldt muss stolz darauf gewesen sein, denn in den frühen über ihn erhaltenen Dokumenten bezeichnet er sich immer als Lieutenant. Dies alles wusste der Sohn und erfreut den Vater mehrfach mit eingehenden Beschreibungen über militärische Aufzüge, wozu er in Kassel reichlich Gelegenheit haben wird.

      Neueren Aktenfunden aus Weimar verdanke ich wichtige Informationen zum Leben des Vaters[36].Die Unterlagen berichten von Heinrich Christoph Hensoldt in der Zeit der napoleonischen und der Befreiungskriege. Da er aus dem Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach stammte, hatte sich Moritz Hensoldts Vater 1813 bei dem Geheimrat Goethe um eine Anstellung in Weimarische Dienste beworben. Der Dichter nahm zu dieser Zeit auch Verwaltungsdienste für seinen Herzog Karl August von Sachsen-Weimar wahr.

      Hensoldts Bewerbungsschreiben enthält eine anschauliche Beschreibung seines bisherigen Lebens[37]. Das Spannende: Goethe hat die Einstellung befürwortet. Warum Hensoldt dann jedoch nicht nach Weimar, sondern nach Friedrichshall gegangen ist, entzieht sich unserer Kenntnis.

      Im Stadtarchiv von Neustadt bei Coburg findet sich[38] ein einseitiges Dokument vom 17.01.1859, in dem es heißt:

      „Daß der am 11. November 1821 geborene Mechanicus Moritz Carl Hensoldt von Sonneberg bei der im Jahr 1841 stattgefundenen Musterung wegen körperlicher Untauglichkeit von der Militärpflicht freigesprochen worden ist, wird auf Grund der Conscriptionsliste hierdurch beglaubigt.

      Sonneberg, den 17. Januar 1859

      Herzogl. S.M. Verwaltungsamt“

      (Unterschrift unleserl.)

      Wann diese Musterung im Jahre 1841 stattgefunden hat, ist dem Schriftstück nicht zu entnehmen. Allerdings ist es gewiss, dass sie nach dem 22. August 1841 erfolgte, Moritz Hensoldt wird nämlich als Mechanicus bezeichnet, er hatte seine Lehre also abgeschlossen. Es besteht auch kein Zweifel darüber, dass der junge Mann erst auf die Wanderschaft gehen konnte, nachdem die Militärfrage geklärt war, und so wird es verständlich, dass zwischen der Beendigung seiner Lehre und dem Beginn der Reise noch fast ein ganzes Jahr verstrichen ist.

      Hier bereits wird, wie in den Folgejahren, eine wichtige Eigenschaft Hensoldts deutlich, die ich nur mit bedächtig umschreiben kann. Moritz Hensoldt ist all seine Lebensstationen nach gründlichster Überlegung, oft zögerlich angegangen. Man kann auch sagen: besonders entscheidungsfreudig war er zu keiner Zeit. Der Erfolg dieser Handlungsweise hat ihm jedoch, betrachtet man sein Leben von der späteren Zeitwarte aus, fast immer recht gegeben.

      Carl Hensoldt, sein jüngster Sohn, hat in seiner Schrift „Das Hensoldt-Werk“[39] vermerkt, dass sein Vater mit dem Felleisen, wie es zu jener Zeit Brauch war, durch Deutschland gewandert ist. Hierzu fand ich in einem Zeitungsartikel neuerer Zeit[40], was es heute und damals bedeutete, für drei Jahre und einen Tag auf die Walz zu gehen:

      Die Wandergesellen hatten schuldenfrei, kinderlos und unverheiratet zu sein, sie hatten zu Fuß zu gehen, durften sich allenfalls unentgeltlich mitnehmen lassen. Kürzer als drei Jahre und einen Tag auf Wanderschaft zu sein, galt als unzünftig. Das Felleisen war ein ursprünglich von der Schweizer Armee erdachter schwerer Rucksack aus geflecktem Rinderfell, heute sei nur noch der Charlottenburger erlaubt, in welchem alle Habe in Tücher gepackt, diese speziell gerollt und mit einem Lederriemen über die Schulter getragen werden. Ob es so zünftig schon bei Moritz Hensoldt zuging, wissen wir nicht. Mit sich geführt haben wird er ein ledernes Wanderbuch, in welchem die Meister die geleistete Arbeit bescheinigten und auch belobigten. Oberstes Gebot unter Wandergesellen war es, dass der nächste Geselle auch wieder zureisen konnte, dieser vom Vertrauensvorschuss des Vorhergehenden profitierte. In diesem Zusammenhang kann man vielleicht auch die späteren Bemühungen Hensoldts um Eduard sehen[41].

      Seinen Brief hat der junge Mann im Gasthof zum Halbenmond in Eisenach verfasst. Der 16. Mai war ein Montag, und die Bemerkung: „ich habe [...] mir für meine Feiertagsstrapazen eine Güte mit einem guten Abendessen getan“[42] weist auf einen Feiertagsmontag hin, also Pfingsten, das in diesem Jahr sehr früh gelegen war.

      Aufgebrochen von dem vor Eisfeld gelegenen Bachfeld ist Moritz Hensoldt gemeinsam mit Ernst am Samstag, den 14. Mai. Bei diesem Ernst handelt es sich wohl um einen Freund, der in nahezu allen folgenden Briefen gegrüßt wird und über den wir nichts Näheres wissen.

      Seine Wanderroute bis Meiningen bewegt sich zunächst fast genau nordwestlich, längs des südlichen Randes des Thüringer Waldes. Die heutige Bundesstraße 89, die dem Lauf der Werra folgt, dürfte ihr im Wesentlichen entsprechen. Ziel der ersten Tagesetappe war Themar, ein auch heute noch romantisches Fachwerkstädtchen, wo drei Jahre später (1845) Heinrich Mylius ein Tretkurbelrad erfinden sollte - ein Fortbewegungsmittel, das unseren Wanderburschen leider noch nicht dienen konnte.

      Bis Hildburghausen hat sie offenbar Herr Gehring mit seinem Fuhrwerk mitgenommen, bevor dieser „mit allem Geschirr“ nach Süden in Richtung Rodach - Coburg abbiegt. Es ist nicht auszuschließen, dass die beiden bereits Freitag, den 13.05. gemeinsam mit Herrn Gering von Sonneberg aus starteten, zunächst bis Bachfeld reisten und dort übernachteten. So ließe sich erklären, dass der Reisebericht in Bachfeld, nicht in Sonneberg beginnt.

      In Hildburghausen hat Moritz Hensoldt in väterlichem Auftrag Herrn Loubach besucht, von dem wir nichts Näheres wissen. Zu Fuß sind die beiden bis nach Themar gekommen und haben in der Goldenen Henne übernachtet, einem Wirtshaus, das den Freunden nicht gefallen hat.

      Sonntag, den 15. Mai reisen sie weiter, zunächst in nordwestlicher Richtung, immer noch längs der Werra. Nach Grimmental wenden sich Flüsschen und Weg nach Norden in Richtung der herzoglichen Residenzstadt Meiningen.

      Bild 11: Sachsen, die Staaten in Thüringen und benachbarte Länder 1849, Widergabe eines Ausschnitts.

      Das Meininger Literaturmuseum im Baumbachschen Hause birgt heute Erinnerungen an den Apotheker, Märchen- und Sagensammler Ludwig Bechstein, der von 1831 bis zu seinem Tode am 14.05.1860 hier gelebt hat. Eine Geschichte, kein Märchen Bechsteins ist es, die Moritz veranlasste, Grimmenthal mit besonderen Augen anzusehen. Vielleicht ist es ja die Entstehungsgeschichte der Wallfahrt nach Grimmenthal, die unseren Wanderer bewegte[43].

      Ein kleiner Hinweis in einem sehr viel späteren Familienbrief[44] - Moritz Hensoldt suche das Buch über den Dunkelgrafen[45], veranlasst mich anzunehmen, dass er seinerzeit von der geheimnisvollen Dunkelgräfin hörte, die von 1807 bis 1837 in Hildburghausen versteckt lebte und von deren Grab auf dem Schulersberg man den allerschönsten Ausblick auf das Werratal haben soll[46].

      Damals wie heute wird die landschaftliche Schönheit des Werratales gelobt - heute kann man dem Flüsschen über einen Radwanderweg folgen.

      Bild 12: Ludwig Bechstein (1801-1860)

      „Von Meiningen begleitete mich Ernst auf den Landsberg wo es mir außerordentlich gefallen hat und ich eine wahre Ehrfurcht vor dem berühmten Heideloff bekam“

      Nach dem Besuch Meiningens sind die beiden in nördlicher