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Lehr-und Wanderjahre


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in einem Zusammenhang mit Bemerkungen in seinen späteren Briefen stehen[76].

      Bild 23: F.W. Breithaupt, 6 bis 8 zölliger Repetitions-Theodolith

      Mit Boussolen-Nivellier- und Messtisch-Apparat

      Heger, im Übrigen unabhängig von ihm auch Riekher, vermuten, dass das von Hensoldt gefertigte Gerät einem Forstbussolentheodolithen von Butenschön ähnlich gesehen haben muss.

      „Heute Mittag brachte ich meinen Stangenzirkel fertig bis zum Poliren....Breithaupt sagte mir, daß ich ihn gut gemacht habe [...]“ „[...]wäre ich in der Werkstatt bewanderter gewesen, so hätte er wenigstens einen Tag eher fertig werden können [...]“, „[...] Jetzt geht es schon flott, und fleckt ganz anders als in Saalfeld. Ich bekam gleich 16 Feilen von allen Sorten, und in Saalfeld hatte ich kaum 3-4.“

      Beachtlich an diesen Sätzen ist weniger ihr Inhalt — dass Moritz Hensoldt um diese Zeit bereits ein tüchtiger Feinmechaniker gewesen ist, darf man annehmen, sein neuer Patron wird es ihm bald bestätigen. Bemerkenswert ist der Zeitpunkt, zu dem dies geschrieben wurde: der junge Mann befindet sich noch keine Woche in der neuen Werkstatt, hat bereits einen Stangenzirkel fertig und so gute Arbeit geleistet, dass der Meister ihm, dem Anfänger, sogleich eine sehr viel kompliziertere Arbeit anvertraut. Und, was bei diesem Arbeitgeber offensichtlich selten ist, er lobt Hensoldt bereits an dessen fünftem Arbeitstag in der Werkstatt.

      Bild 24: Forstboussolentheodolith von Butenschön

      Schon jetzt erkennt der junge Mann, dass er es hier in kurzer Zeit sehr viel weiter bringen kann, als bei Wiskemann in Saalfeld über all die Jahre. Einzig die Theorie macht ihm noch zu schaffen, aber auch das wird nicht mehr lange währen.

      „Ich bin pünktlich früh und den ganzen Tag fleißig“

      Auch wenn alles neu ist, die Stadt ob ihrer Größe, das ungewohnte Essen, die hohen Preise, auch wenn die Wohnverhältnisse unserem Wanderer missfallen — die Werkstatt und die dortigen Herausforderungen sind genau das, was dieser junge Mann gesucht hat.

      Hier wird die Bemerkung zu Beginn bestätigt, Hensoldt habe sich zwischen der Beendigung seiner Lehre und dem Beginn der Wanderschaft etwa ein Jahr bei den Eltern in Sonneberg aufgehalten, denn er schreibt:

      „[...] In der Praxis habe ich während meines Aufenthaltes in Sonneberg gar nichts verlernt.“

      Einem roten Faden gleich zieht sich durch alle seine Briefe das Ziel seiner Wanderschaften, seiner Aufenthalte: Moritz Hensoldt ist begierig, Neues aufzunehmen, sein Können an bis dahin unbekannten Objekten zu versuchen, zu sehen und zu lernen. Es scheint, als habe er in dieser Zeit seinen Lebensentwurf schon gestaltet, sich nämlich so viele theoretische und praktische Kentnisse wie nur möglich anzueignen, um bald seine eigene Werkstätte eröffnen zu können. Wir, die wir diesen Brief heute lesen, wissen, dass er sich diesen Wunsch fast genau zehn Jahre später hat erfüllen können. Er scheint diesen Plan "von Anfang an" mit sich herumgetragen zu haben. So stören ihn all die Begleiterscheinungen auch wenig, die jedem anderen jungen Menschen zu schaffen machen würden:

      „Sonstige Bekannte habe ich noch keine, und werde hier auch wenige bekommen; ich bekümmere mich um Niemand, und es kümmert sich auch Niemand um mich [...]“ und „[...] ich habe [...] nur den Sonntag frei“.

      „Mein Prinzipal läßt keine Gläser selbst schleifen, er läßt sie bei einem anderen Mechanikus oder vielmehr Optikus hier schleifen, und die besten Achromaten bezieht er aus Paris“.

      In einem späteren, seinem 17. Brief vom 20.03.1843, lesen wir, dass Breithaupt seine Achromaten, also fertig geschliffene achromatische Objektive, von Buron aus Paris bezog. Buron hatte sich gleichzeitig einen Namen als Hersteller von Kameras für Daguerrotypien gemacht[77]. Über optisches Glas damaliger Zeiten habe ich an anderer Stelle ausführlich berichtet[78]. Es gibt um diese Zeit in der Tat keinen namhaften deutschen Hersteller, der qualitätvolles Glas herstellen – und liefern - konnte, das sollte sich erst zu Zeiten eines Otto Schott in Jena ändern. Die Glashütte von Fraunhofer Nachf. in Benediktbeuren belieferte nur die eigenen optischen Werkstätten in München.

      Achromaten werden[79] als zweigliedrige, also aus zwei Linsen verschiedener Glassorten bestehende Objektivsysteme beschrieben, die sowohl die lästigen Farbränder wie die optischen Verzerrungen beseitigen. Die Farbfehler beruhen darauf, dass eine bestimmte Glassorte auf Grund ihrer Materialeigenschaften Licht verschiedener Wellenlänge verschieden bricht. Schleift man eine Linse daraus, bildet sie deshalb Farbränder, wie man sie vom Regenbogen kennt. Zusätzlich gibt es, verursacht durch die sphärische, also gebogene Form der Linse, räumliche Verzerrungen. Kombiniert man eine solche Linse jedoch mit einer Linse einer anderen ausgewählten Glassorte, ist es möglich, dass die eine Linse die Fehler der anderen nahezu aufhebt. Diese Verhältnisse sind 1842 bekannt gewesen. Ihr Erfinder war John Dollond (1706-1761)[80].

      Bild 25: Achromat aus Flint-und Kronglas

      In einem eigenen Anhang habe ich[81]alle Fachtermini und deren Erklärung zusammengestellt, die im Verlaufe dieses Buches auftauchen.

      „Herrn Menzels Instrument“ wird uns noch über mehrere Briefe verfolgen.

      „Es giebt hier sehr schöne Gebäude und öffentliche Plätze“

      Reizvoll ist es, den jungen Mann auf seinem Weg durch die Kasseler Alt- und "Neu“stadt zu begleiten: ein Stadtplan aus der Zeit um 1860 ist dabei eine wesentliche Hilfe. Zwei - spätere - Briefstellen verraten uns, wo ungefähr der junge Mann selbst gewohnt haben muss: in der Nähe des Messplatzes in der Neustadt, vermutlich direkt gegenüber der Breithauptschen Werkstatt[82].

      Moritz Hensoldt besucht einen Stadtteil Kassels, dessen Erbauung auf Landgraf Karl von Hessen-Cassel (1654-1677) zurückgeht.

      Die von ihm 1685 erlassene Freiheitskonzession ermöglichte es französischen und schweizerischen Glaubensflüchtlingen, sich hier niederzulassen – und diesen Stadtteil zu prägen.

      Bild 26: Plan von Cassel um 1860, Ausschnitt

      Damit erhielt Kassel neben der mittelalterlichen Altstadt und der jenseits, also südlich der Fulda, gelegenen Unterneustadt einen neuen barocken Stadtteil, die Oberneustadt. Er entstand als rein französischer Stadtteil [83].

      Bei seinem Spaziergang sieht Moritz das Palais der Landstände (Ständehaus), und das Museum Fridericianum (Museum), das älteste der Öffentlichkeit damals zugängliche Museum Europas[84].

      Bild 27: Cassel, Friedrichsplatz mit Fridericianum, Ausschnitt

      Rechts angeschnitten der sogenannte Zwehrenturm

      Bild 28: J.H. Tischbein: Johann Christian Breithaupt (1736-1799)

      Erwähnenswert, jedoch von Hensoldt nicht beschrieben, ist, dass der Zwehrenturm dieses Museums damals die Kasseler Sternwarte beherbergte. Diese ist die älteste Sternwarte der Neuzeit auf dem Kontinent[85]. In ihm befand sich ein großer Mauerquadrant von Johann Christian Breithaupt aus dem Jahre 1785. Johann Christian Breithaupt, der Begründer des Unternehmens, war der Vater von Hensoldts Prinzipal.

      Bild 29: Der Friedrichsplatz zu Cassel, Stahlstich von G. Serz, Nürnberg

      Die abgebildeten Gebäude sind von links: weißes und rotes Palais, Fridericianum, Hofverwaltungsgebäude, Elisabethkirche, Auetor und in der Mitte Denkmal Landgraf Friedrichs II.

      Ständehaus