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Lehr-und Wanderjahre


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hat mich nun sehr aufgehalten, und mir viel Schaden gebracht, ich könnte jetzt mit meinem Instr. fertig seyn bis zum Poliren, doch kann ich nichts dazu; der Doktor sagte mir es sey eine Art Fieber, und es lägen hier mehrere daran, aber alle schlimmer als ich.

      Unsere Werkstätten sind unter dem Dach, und da es seither sehr warm war, so war es bei uns oft eine solche Gluth, daß es kaum zum Aushalten war, und dieß mag auch dazu beigetragen haben.

      Nachmittags.

      Ob dieser Brief heute noch fort kommt, kann ich noch nicht bestimmen, doch will ich sehen. Ich scheute seither immer das Porto, das euch meine Briefe verursachen. Morgen will ich noch ruhen, und den Sonntag auch, den Montag hoffe ich aber wieder an die Arbeit gehen zu können;

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      der Doktor meinte es auch. Ich bitte euch recht sehr, besonders die Mutter, sich ja keine Sorge um mich zu machen, es geht ja jetzt wieder besser. Ich wohne bei sehr ordentlichen Leuten, und werde gut bedient; ich trinke solange ich krank bin früh ein paar Tassen Kaffeee und Mittags und Abends esse ich gewöhnlich Suppen; diese werden hier nur nicht allzu gut gemacht , und da sind sie gegen meine Mutter noch

      weit zurück.

      Ein paar Thaler wird mich meine Krankheit doch kosten, denn ich habe jetzt allerlei Ausgaben und weiß auch nicht was der Doktor verlangen wird. Mein Gold brauche ich noch nicht anzugreifen, auch habe ich die 9 Thaler noch die ich extra hatte, von diesen werden aber einige springen müssen. Morgen ist mein Logisgeld und übermorgen mein Kostgeld fällig. Doch habe ich dazu 5 rth die ich vor meiner

      Krankheit v. Br. auf Abschlag erhielt schon zurückgelegt, und es hat auch da keine Noth.

      Dein liebes Briefchen und Menzels Instrument sind gut angekommen, es hat mich recht erfreut, das Instr. habe ich an Br. hinübergeschickt, ich habe ihm aber nicht sagen laßen, daß neue Gläser hinein sollen, denn die Gläser sind so schlecht nicht, man kann es nur nicht weit genug verschieben. Br. bekommt die Gläser auch erst von München, die beßten aus Paris, und die schlechtesten läßt er hier machen.Da

      er nun auf keinen Fall Gläser hat die zu diesem dummen Fernrohr paßen, so ließ ich ihm nur sagen, daß er machen lassen möchte daß man es in der Ferne brauchen könne; er soll erst gesagt haben es würde nicht viel damit zu machen seyn, doch wolle er es zur Noth machen; ich glaube auch daß es geht, und will ihm zur Noth selbst abhelfen. Wenn ich selbst hinüber komme dann will ich schon treiben, daß es gemacht wird.

      Ich habe hier schon viele Daguerrotypen gesehen, es ist hier ein Mechanikus und Optikus Landauer (ein Jude; der macht sie und recht

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      schön; es waren meistens Portraits, die recht gut ausgedrückt waren.

      Br. hat mir am Sonntag vor 8 Tagen einen Theodolithen gezeigt der daguerrotypirt war und recht hübsch. Ich glaube es kostet 2 bis 3 Thaler wenn man sich porträtiren läßt; das ganze Bildchen ist ohngefähr 4” hoch und 3” breit. Doch muß man es von einer gewissen Seite ansehen .

      Sage H.Lindner gef. seinen Brief wollte ich, sobald ich wieder anginge, besorgen. In den ersten Tagen hätte ich den Arch. Dourte nicht ausfindig machen können, weil er ganz draußen vor der Stadt wohne, dann wäre ich einmal bei ihm gewesen, hätte ihn aber nicht zu Hause getroffen, und dann wäre ich 14 Tage krank geworden.

      Nun ich schließe diesen Brief für dießmal, bitte auch nochmals euch ja keine Sorge wegen mir zu machen, wenn es schlimmer werden sollte, so schreibe ich euchs schon. Mit Menz. Instrument werde ich wahrscheinlich auch ein paar Zeilen schicken.

      Ich grüße Euch alle recht herzlich, die Mutter, Caroline, Lindner, Klug, Ernst pp und hoffe daß ihr euch alle wohl befinden werdet.

      Euer Moritz

      Deinen l. Brief werde ich ein andermal beantworten

      D.O.

      Addressire meine Briefe nur an Br. ich bekomme sie da gleich in der Werkstatt.

      Umschlagseite

      Herrn

      Verwaltungsamtssekretair Hensoldt Wohlgeboren

      In Sonneberg

      b. Coburg Sonneberg o.D.

      (bzw. nicht lesbar)

      abgestempelt mit: Cassel 17 6 1842

      Bild 32: Große Parade vor der Orangerie in Kassel

      Die Parade hat am 5. Juni 1850 stattgefunden „vor ihren königlichen Hoheiten, dem Kurfürsten von Hessen und dem Großherzog von Hessen und bei Rhein“.

      Anmerkungen

      Wie bereits im Kommentar zum 2. Brief vermerkt, schickt der Sohn, um Briefporto zu sparen, „ich scheute seither immer das Porto, das euch meine Briefe verursachen“ eine Art tagebuchartiger Aufzeichnungen an seine Eltern, die bisher, nämlich seit Beginn seiner Wanderschaft am 14. Mai, recht lückenlos über die Erlebnisse und Tätigkeiten des Briefschreibers informiert worden sind. Hatte Hensoldt seinen vorhergehenden Brief zwischen dem 23. und dem 27. Mai abgefasst, ist jetzt mit dem Datum des 17. Juni eine Lücke von drei Wochen entstanden.

      Wir erfahren ja auch sogleich, woran das lag: Der junge Mann ist ernsthaft krank gewesen, eine fieberhafte Magen-Darmerkrankung ist die Ursache. Hier fällt eine Neigung Hensoldts auf, die er auch in späteren Briefen mit Akribie betreibt: Krankheitssymptome werden mit großer Detailtreue, dem Leser keine Einzelheit ersparend, beschrieben. Und auch die Eltern müssen wissen, haargenau erfahren, wie malade der Sohn gewesen ist, sollen sich aber JA keine Sorgen machen! Der Tatsache, dass der Vater am Tage des Briefempfangs, dem 20. Juni, sogleich, nämlich „ad sofort“ geantwortet hat, auch Moritz nächstem Schreiben, können wir entnehmen, wie wenig die Eltern den Empfehlungen folgen, vielmehr, wie sehr sie sich um die Gesundheit des fernen Sohnes sorgen und dessen Erwartungen entsprochen haben.

      Nebenbei erfahren wir auch, wie derlei Erkrankungen in jenen Zeiten therapiert worden sind, Leiden, die damals wie heute gerne im Sommer auftreten: Abführmittel und Baldrian haben es am Ende gerichtet — wir vermuten, ein gesundes Immunsystem ist vorneweg behilflich gewesen.

      „Ich wohne bei sehr ordentlichen Leuten und werde gut bedient [...] Morgen ist mein Logisgeld und übermorgen mein Kostgeld fällig.“

      Man bekommt eine Vorstellung, wie ein junger Mann, der sich als Geselle in einem handwerklichen Betrieb verdingte, sich über sein Logis hinaus täglich versorgte. Neben dem Logisgeld war noch ein Kostgeld zu entrichten, d.h., die Vermieter haben ihren Untermieter auch verköstigt. Wie man allerdings von Kaffee zum Frühstück und Suppe mittags und abends wieder zu Kräften kommen kann, verrät uns der genügsame Gehülfe nicht.

      Immerhin hat er sich noch eine ganze Woche in die Werkstatt geschleppt und weiter gearbeitet, also bisher insgesamt eine Woche gefehlt („seit gestern vor 8 Tagen“). Da heute Freitag der 17. Juni ist, acht Tage bei Moritz Hensoldt immer eine Woche bedeuten, ist er seit Donnerstag dem 9.Juni nicht mehr bei Breithaupt gewesen. Nun will er sich noch übers Wochenende auskurieren und ab Montag, dem 20. Juni wieder zur Arbeit erscheinen.

      Eine ernste Erkrankung eines Angestellten, wie die hier beschriebene, interessierte aber seinen Chef, wie wir dem folgenden Brief vom 23.06. entnehmen werden, herzlich wenig: Abwesenheit über mehr als eine Woche, krankheitsbedingt oder nicht, war ein Grund zur fristlosen Kündigung.

      Die Arbeit, die Hensoldt bedauert, nun immer noch nicht zu Ende gebracht zu haben, wird der auf eine Boussole zu schraubende Theodolithen-Aufsatz sein, von dem schon die Rede war im letzten Brief. Da hoffte er, für diese Arbeit von Breithaupt einen preußischen Thaler zu erhalten. Rechnen wir diesen wieder auf die Ochsenfleischbasis um, vgl. Anhang, käme man auf einen heutigen Wert von 58,30 Euro.

      Etwas mehr als drei Wochen, hat er in seinem vierten Brief geschätzt, wäre er ohne Erkrankung mit diesem Aufsatz beschäftigt gewesen, was einem Wochenentgelt von etwa