Thomas Hölscher

Privatsache


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      Thomas Hölscher

      Privatsache

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       1

       2

       3

       4

       5

       6

       7

       8

       9

       10

       11

       12

       13

       14

       15

       16

       17

       18

       19

       20

       21

       22

       23

       24

       25

       26

       27

       28

       29

       30

       31

       32

       33

       34

       35

       36

       37

       38

       39

       40

       Impressum neobooks

      1

      Der Kussweg läuft vom Musiktheater am Rande der Innenstadt zielstrebig auf das Gelände der Zeche Consol in Schalke zu. Wegen dieser Zeche soll der Weg im Volksmund auch oft als Rußweg bezeichnet worden sein. Fest steht nur, dass er nach dem Willen der Stadtverordneten ursprünglich schlicht Fußweg genannt worden war. Über die Umbenennung in den 20er Jahren wissen ältere Bürger eine ganze Reihe von Anekdoten und Dönekes zu erzählen.

      Biegt man heutzutage in Höhe der Lessing-Realschule von der Grenzstraße in diesen Weg, liegen auf der linken Seite ein paar Schrebergärten, auf der rechten Seite grenzt die Rückfront des Seniorenzentrums der Arbeiter-Wohlfahrt an den Kussweg. Dem flachen Verwaltungstrakt folgt ein Appartementhaus für betuchtere Alte, ein Restaurant mit Kegelbahnen, ein Saal für verschiedenste Veranstaltungen, am Ende das dreigeschossige Gebäude des Pflegeheims, im Zynikerjargon Zwischenlager genannt.

      Die Architekten des 1984 fertiggestellten Komplexes haben sich allerdings alle Mühe gegeben, eine solche Vorstellung von Altenheim gar nicht erst aufkommen zu lassen. Selbst im Pflegeheim gibt es keine Patienten, es gibt nur Bewohner. Sie bewohnen jeweils zu zweit ein Krankenzimmer, und im Rahmen des Möglichen ist es gestattet, persönliche Dinge mitzubringen: ein Bild, einen Stuhl, einen Tisch. Manchmal sogar einen ganzen Wohnzimmerschrank. Die Krankenhausbetten sind mit Rücksicht auf die Arbeit des Personals allerdings obligatorisch.

      Selbst für Ehepaare, bei denen der Mann es einmal schaffen sollte, genauso alt und pflegebedürftig zu werden wie seine Frau. Solche Ehepaare können sich hier weiter treu bleiben, bis dass der Tod sie endlich scheidet. Eigentlich kann jeder Bewohner sich hier sogar einbilden, privilegiert zu sein; denn in städtischen Heimen – so wird in den Fluren und Aufenthaltsräumen gemunkelt - wird die Belegung des Hauses meist schon am Nachmittag für die Nacht zurecht gemacht. Es gibt zu wenig Personal, und wer von den alten Menschen nach 18 Uhr noch ein menschliches Bedürfnis verspürt, der kann nur hoffen, dass man ihn am nächsten Morgen als ersten aus der Scheiße zieht.

      Auch das Personal des AWO-Seniorenzentrums am Kussweg gibt sich alle Mühe.

      Die sogenannte späte Spätschicht ist die schlimmste Mühe. Man arbeitet von 15 bis 22 Uhr, in der letzten Stunde oft alleine, weil dann ja angeblich nichts mehr zu tun ist. Aber auch nur angeblich nicht. Denn nun mussten die alten Leute davon überzeugt werden, dass das abendliche Fernsehprogramm blödsinnig und ausgiebiges Waschen am Abend generell völliger Unsinn war. Alle Leute mussten plötzlich noch mal aufs Klo. Dann waren die Urinbeutel der Leute zu leeren, die nicht mehr aufs Klo mussten, und schließlich wurden noch die Bettgitter bei den unruhigen Bewohnern hochgezogen. Es kann für das Pflegepersonal nämlich sehr unangenehme