Comran (Pseudonym)

Das Versprechen


Скачать книгу

Sein Herz schlug bis zum Hals und er hatte ständig die Tür im Blick. Nach zwei Minuten ging diese auf. Cindy Marnow kam heraus und trug eine Tasche – wie immer. Sie trug heute an diesem Sommertag einen schräg geschnittenen Faltenrock, keinen Mini, auch wenn die kürzere Seite beim Gehen durchaus den Blick auf ihren Oberschenkel freigab. Elegante High Heels in schwarz passten zum weißen Rock und zum schwarzen engen Top wunderbar und der Kontrast wurde durch ihre blonde Mähne perfektioniert. Heute trug sie keinen BH, was Stefan an den wippenden Brüsten erkannte, die sich fest und wohlgeformt unter dem Stretch-Top abzeichneten. In seine Aufregung mischte sich eine kribbelnde Erregung angesichts dieser traumhaften Frau.

      Sie öffnete die Tür und ließ sich auf den Rücksitz fallen. Wieder schwangen ihre blonden Haare über die Kopfstützen.

      »Wagnerstraße, zur SBBL-Filiale bitte!«

      »Wagen 23, fahre zur Wagnerstraße.«, sprach Stefan in den Funk. Dann lenkte er den Wagen in Richtung Innenstadt. Während er Botnang verließ, musterte er immer wieder Cindy im Spiegel. Nein, sie hatte ihn wirklich nicht erkannt und ließ ihre Augen beiläufig auf die Umgebung gerichtet. Spangen hielten ihre Haare zurück, so dass sie nur über den Rücken fielen und ihre Brüste vorne freiließen. So kamen sie unter dem gespannten Stoff wahnsinnig geil zur Wirkung, auch wenn die unbemerkt verstärkten Zonen des Tops ihre Nippel kaum preisgaben. Wieder ein Understatement, welches von Stil zeugte. Ein sichtlich teurer und edler Armreif war der einzige Schmuck, den sie trug. Stefan versuchte, ein Gespräch anzuknüpfen:

      »Auslandsgeschäfte?«

      »Wie bitte?« – Cindy schaute ihn mit großen Augen und einer Mischung aus Neugierde und Unverständnis an.

      »Na, ich dachte, sie machen in Auslandsgeschäften? Wegen der SBBL. Da fährt man ja nicht gerade hin, um Geld vom Konto abzuheben. Luxemburgische Privatbank, spezialisiert auf weltweite Transfers in andere Privatbanknetze ... Entschuldigung, ich wollte nicht neugierig sein. Geht mich ja nichts an.«

      Stefan biss sich auf die Zunge. Natürlich hatte er sich in den vergangenen drei Jahren eindringlich mit anonymen Konten, Offshore und Banktricksereien auseinandergesetzt und wusste mittlerweile ganz genau, welche Spiele wie funktionieren. Schließlich war sein ganzes Vermögen in solchen Kanälen verschwunden. Und die 'Stella' hatte er nie wieder gesehen. Aber welchen Eindruck musste es auf Cindy machen, wenn ein Taxifahrer mit solchem Wissen rausplatzt? Er musste vorsichtiger sein. Aber stattdessen huschte ein leises Lächeln über Cindys Gesicht. Sie fixierte ihn im Rückspiegel fest in die Augen und meinte: »Wow ...« – und nach einer kurzen Pause ergänzte sie: »Sie lesen offenbar Zeitung?«

      »Ja, sicher ...«, antwortete Stefan, um keinen Verdacht zu erregen. »Können Sie sich noch an die Börsenblase Ende der 90er erinnern? Ich war damals voll dabei, hab so ziemlich alles gelesen, vom Manager-Magazin bis zur Börsenzeitung.«, log er. »Naja, sie sehen ja, was dann herausgekommen ist. Schließlich fahre ich noch Taxi.«, ergänzte er lachend, und zumindest sein finanzieller Absturz war nicht ganz gelogen.

      Cindy schaute ihn mit einem leichten Anflug von gespieltem Mitleid, aber dennoch interessiert und neugierig lächelnd an.

      »Mein Mann ist als Makler europaweit tätig. Sowas läuft nicht über die Sparkasse. Aber wem erzähle ich das ...?«, ergänzte sie plötzlich unerwartet freimütig und sie musterte ihn wieder mit einem neugierigen und beinahe flirtendem Blick. Stefan fragte sich, wie lange sich sie und Jung schon Beruf und Bett teilten und beschloss, diesen zufällig entdeckten Köder weiter aufzublasen:

      »Ach, wenn es nur Europa ist, empfehle ich die EWB auf Guernsey. Ernsey & Williams.«

      »Waaaas?«, antworte Cindy langsam und mit gespielt tiefer Stimme, als hätte sie ein kleines Kind beim Bonbon-Klauen erwischt. Stefan überspielte es mit einem sympathischen Lachen und versuchte, bescheiden zu wirken, und dennoch ihre Neugierde weiter zu wecken. Sie schaute ihn gebannt an und schenkte ihm ein Lächeln einer Angelina Jolie. Dabei spielte ihre Zungenspitze leicht mit der Unterlippe.

      »Naja, ihr Mann könnte Steuern sparen. Die SBBL hat recht hohe Provisionssätze, und außerdem ist Luxemburg mittlerweile eng mit dem deutschen Fiskus verknüpft. Für die EWB interessiert sich kein Mensch, sie nimmt dank Guernsey an keinen europäischen Abkommen teil und ihre Kontakte sind in Europa genauso gut wie die der SBBL. Aber ... WEM ERZÄHLE ICH DAS ... ?«

      Als Stefan im letzten Satz ihren Spruch aufgriff, zwinkerte er ihr im Rückspiegel noch zusätzlich zu. Cindy schwieg und behielt dieses Lächeln bei und ihn noch eine Weile fest im Blick. Dann schaute sie zum Fenster hinaus. Irgendwann drehte sie sich wieder um:

      »Ich möchte nicht unhöflich sein. Es ist nur so ... ich hätte im Taxi jetzt keine Bankberatung erwartet. Aber was Sie sagen, klingt nicht uninteressant. Ich werde meinen Mann mal darauf ansprechen. Wissen Sie was, sie können vor der Bank gleich warten. Es dauert vermutlich nur 15 Minuten, ich zahle die Zeit. Dann fahren Sie mich noch weiter in die Innenstadt und lassen mich an der Fußgängerzone raus. Und dann ... dann möchte ich Sie zum Dank auf einen Kaffee oder Drink einladen. Wann haben Sie Feierabend?«

      Damit hatte Stefan nicht gerechnet und er war kurz sprachlos.

      »Wow ... wofür bedanken? Also, ich – jetzt ... ich habe um 13 Uhr Feierabend.«

      »Gut – Sie haben dann sicher noch nichts gegessen. Wissen Sie was? Ich leg noch ein Essen obendrauf. Treffen wir uns doch in der Trattoria Rossini. Einverstanden?«

      6: Ein Stammgast

      Stefan hatte gegen 12:30 den letzten Fahrgast abgeliefert und nahm keine neuen Fahrten mehr auf. Er gab den Wagen zurück und hatte schon überpünktlich 10 Minuten an der Trattoria gewartet, als Cindy endlich eintraf. Sie war offenbar shoppen gewesen, denn sie trug drei verschiedene Tüten. Eine war unschwer als eine Schuhtüte zu erkennen, die anderen beiden schienen Bekleidungsgeschäfte zu sein. Je sparsamer der Aufdruck, umso teurer der Laden. Stefan hatte von keinem der Läden je etwas gehört. Cindy ging wortlos an ihm vorbei, zwinkerte auffordernd anstelle einer Begrüßung, und Stefan folgte in ihrem Windschatten, als sie sich einen Tisch aussuchte.

      »Macht Ihr Mann in Immobilien?«, eröffnete Stefan nach einigen Minuten Plauderei scheinheilig ein neues Thema.

      »Nein, Boote. Er vermittelt Boote in der Mittelmeer-Region und in den südlichen Atlantik-Anreinern.«

      »Oh, sicher interessant!?«

      Cindy beugte sich über die Tischmitte und legte ihr Kinn auf ihren Handrücken und mimte einen gelangweilten Gesichtsausdruck.

      »Oh, kommen Sie. Sie spucken in Nebensätzen Insider-Tipps zu Bankenverbindungen raus. Was soll daran interessant für Sie sein? Ich möchte wetten, zu handfesten Anlageformen haben Sie auch schon alles gelesen. Außerdem wollte ich mich nicht für den Tipp bedanken, indem wir jetzt über ein ebenso trockenes Thema reden. Lassen Sie uns das Essen genießen und über das Leben plaudern.« – das Wort Leben betonte sie extra stark, als würde sie keine Widerrede dulden.

      »Hmmm, gut, ich fühle mich jetzt ein wenig überrannt. Ich probier's. Haben Sie was Schönes gefunden?«, fragte Stefan und zeigte auf die Einkaufstüten. Cindy entgegnete ein breites Grinsen und legte den Kopf schief.

      »OK ... «, antwortete sie und grinste noch mehr, als sie zur Schuhtüte griff. »Das hier ist ein traumhaftes Modell, welches nicht nur eine Frau glücklich machen kann.« Als sie es sagte, öffnete sie den Karton und hob sündhafte und leuchtend gelbe Stilettos mit Leopardenmuster am Schaft heraus. Stefan hätte sich ohrfeigen können, das Thema ausgerechnet auf die Einkäufe zu bringen, denn die unvermittelte Direktheit brachte ihn in Verlegenheit und damit aus dem Konzept. Er spürte, wie seine Backen leicht heiß wurden.

      »Uff ... darin kann man laufen?«

      »Wer spricht denn von Laufen, Dummerchen ...«, entgegnete Cindy mit frivolem Blick. »Apropos Dummerchen, ich weiß Deinen Namen gar nicht.«

      »Stefan. Stefan Schneider.« – Stefan biss sich auf die Zunge, weil ihm – so überrumpelt – in Gedankenlosigkeit sein echter Name herausgerutscht war. Ob sie vielleicht mit dem Namen