Erwin Leonhardi

Macht statt Seelenheil


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sondern ideologisch passend gemachte Formulierungen bis hin zu Nacherzählungen. Auch die Konkordanzbibel ist nicht ungefährlich. Sie setzt eine semantische Stabilität von Begriffen über Zeiträume von mehreren Jahrhunderten voraus. Als typisches Beispiel kann man die Wertänderung des Begriffes "Weib" zu Luthers Zeiten und heute ansehen. Während es früher die normale Bezeichnung für die Ehefrau war, ist daraus zwischenzeitlich ein Schimpfwort entstanden.

      Prämisse

      Folgende Prämisse gilt für alle folgenden Textdiskussionen: Der Text der Bibel ist so gemeint, wie er da steht. Hätten die Autoren etwas anderes aussagen wollen, hätten sie etwas anderes geschrieben. Hätten sie aus Wissen heraus etwas anderes sagen können, hätten sie auch etwas anderes geschrieben. Der Text ist daher logischerweise nur im Kontext der damaligen Wissenslage und auch nur für die damalige Zeit und den damals bekannten geografischen Raum gültig.

      Die Texte sind, im Gegensatz zur zweckdienlich verbreiteten Meinung des Klerus, weitgehend leicht zu verstehen, wenn man das Wissen und den Zeitgeist der Autoren in deren Denkwelten halbwegs nachvollzieht. Künstlich erschwert wird die Sache erst dann, wenn Exegeten aus harmlosen Erzählungen religiös-fundamentalistische Erkenntnisse und Regeln ableiten wollen, die eine bestimmte ideologische Indoktrination stützen sollen. Allein die Tatsache, dass es überhaupt Exegeten gibt, die Inhalte herleiten, die jenseits des gedruckten Textes liegen, sollte bereits zu denken geben.

      Zu Zeiten, als die Bibel nur in lateinischer Sprache vorlag, war Exegese im Sinne Erklärung notwendig. In den ersten Jahrhunderten der Existenz der Lutherbibel ebenfalls, weil kaum jemand lesen konnte. Spätestens seit der fortgeschrittenen Alphabetisierung der Bevölkerung wird Exegese nicht mehr gebraucht, aber immer noch ausgeübt. Warum? Hält man die Bibelleser für zu dumm, die Texte zu verstehen? Oder will man die Deutungshoheit sicherstellen, damit die ideologische Doktrin nicht gefährdet wird?

      Hier in diesem Buch ist der Leser von dieser Art Manipulationen befreit, auch von der beliebig interpretierbaren auszugsweisen Deutung, von der die Kirche gerne Gebrauch macht.

      Eine Besonderheit bilden die häufig vorkommenden Textverdoppelungen. Die werden jeweils als solche kenntlich gemacht. Die Ursachen dafür liegen darin, dass beim handschriftlichen Vervielfältigen und Zusammenkleben der Schriftrollen, genannt Bücher, Textteile versehentlich mehrfach eingeordnet wurden. Besonders auffällig sind die vielen Doppeldarstellungen an den Stellen, an denen die Redaktoren beim Zusammenfügen der Urtexte sich zwar für einen entschieden haben, die Kopisten aber beim Abschreiben beide Versionen an verschiedenen Stellen beibehalten und eingeordnet haben. Insofern handelt es sich bei den Mosesbüchern um ein Textkonglomerat, das es hier auch zu entwirren gilt.

      Die Vorgehensweise

      Die Texte werden lückenlos und vollständig betrachtet. Ausnahmen bilden wort- oder inhaltsgleiche Verse, die aus Platzgründen nicht vollständig wiederholt werden. Die Kennzeichnung der Auslassungen erfolgt durch die Zeichenfolge […].

      Zwischen den Versen gibt es klarstellende und wissenschaftliche Erläuterungen, die zum Verständnis beitragen sollen.

      Am Ende soll sich der Leser selbst ein Bild vom Wahrheitsgehalt der Originaltexte machen. Wie er dann entscheidet, bleibt seine Sache.

      Der Name des Buches beschränkt sich nur auf das Hauptthema, den Auszug (lat. exodus) aus Ägypten. Davor beginnt die Geschichte des Moses, der später die erfolgreiche Flucht aus Ägypten organisiert und sein Volk von Raemses in Ägypten durch den Sinai und die arabische Halbinsel an die Grenze von Kanaan führt. Raemses ist eine Speicherstadt, die bis heute nicht eindeutig identifiziert ist. Ob der Name der Stadt mit dem Namen des Pharao Ramses in Verbindung steht, ist umstritten.

      Die moderne Archäologie bezweifelt den Auszug und sowieso die Flucht. Bisher sind trotz aufwendiger Suche weder Sach- noch Textfunde irgendwelcher Art bekannt, die diese Geschichte belegen könnten.

      Weitere Hauptthemen sind die detailreiche Beschreibung des Zugs durch die Wüste, mehrere Gesetzeserlasse und der Bau, die Einweihung und der Betrieb der Stiftshütte.

      Die Figur des Moses wirkt als Religionsstifter. Er prägt mit Worten, den ersten Gesetzen und dem Bau der Stiftshütte, dem mobilen Tempel, die jüdische Glaubenslehre und schafft mit der Einrichtung des Priestertums den israelitischen Gottesstaat.

      Insgesamt ist in diesem Buch die Harmonisierung der Urtexte bei der Zusammenführung stellenweise nicht gut gelungen. Es gibt Sprünge in den Handlungen, unmotivierte Einstreuungen von Stammbäumen und fatale Zeitfehler. Einer der größten Fehler liegt in den Bevölkerungszahlen. Die Zahlenangaben sind mit den Handlungsbeschreibungen in keiner Weise kompatibel. Viele beschriebene Handlungen wären bei der genannten Anzahl von Menschen nicht durchführbar. An mehreren Textstellen wird auf Ereignisse abgestellt, die gemäß den anderen Texten noch gar nicht möglich sein können. Ein krasses Beispiel ist die Inbetriebnahme der Stiftshütte, bevor diese überhaupt gebaut wird. Diese Tatsache lässt stark vermuten, dass es sich um Reihenfolgefehler beim späteren Vervielfältigen der Texte durch die Kopisten und die Rollenmacher handelt.

      Zu Beginn des Buches wird daran erinnert, wer die ursprünglichen 70 Einwanderer waren, und dass Joseph bereits vor ihnen in Ägypten beheimatet war.

      2. Mose 1:1 Dies sind die Namen der Kinder Israels, die mit Jakob nach Ägypten kamen; ein jeglicher kam mit seinem Hause hinein: 2. Mose 1:2 Ruben, Simeon, Levi, Juda, 2. Mose 1:3 Isaschar, Sebulon, Benjamin, 2. Mose 1:4 Dan, Naphthali, Gad, Asser. 2. Mose 1:5 Und aller Seelen, die aus den Lenden Jakobs kommen waren, der waren siebenzig. Joseph aber war zuvor in Ägypten.

      Die Kinder Jakobs, alias Israels, wuchsen zu einem stattlichen Volk an, das nach wenigen Generationen größer war als das ägyptische. Der neue Pharao befürchtet, die Israeliten könnten sich im Falle eines Krieges mit einem Feind verbünden.

      2. Mose 1:6 Da nun Joseph gestorben war und alle seine Brüder und alle, die zu der Zeit gelebt hatten, 2. Mose 1:7 wuchsen die Kinder Israel und zeugeten Kinder und mehreten sich; und wurden ihrer sehr viel, daß ihrer das Land voll ward. 2. Mose 1:8 Da kam ein neuer König auf in Ägypten, der wußte nichts von Joseph; 2. Mose 1:9 und sprach zu seinem Volk: Siehe, des Volks der Kinder Israel ist viel und mehr denn wir. 2. Mose 1:10 Wohlan, wir wollen sie mit Listen dämpfen, daß ihrer nicht so viel werden. Denn wo sich ein Krieg erhübe, möchten sie sich auch zu unsern Feinden schlagen und wider uns streiten und zum Lande ausziehen.

      Zur besseren Kontrolle werden die Israeliten Fronvögten unterstellt, die sie unbarmherzig zur Herstellung von Tonziegeln für den Ausbau der Städte Pithon und Raemses und zu Arbeiten auf den Feldern zwingen.

      2. Mose 1:11 Und man setzte Fronvögte über sie, die sie mit schweren Diensten drücken sollten; denn man bauete dem Pharao die Städte Pithon und Raemses zu Schatzhäusern. 2. Mose 1:12 Aber je mehr sie das Volk drückten, je mehr sich es mehrete und ausbreitete. Und sie hielten die Kinder Israel wie einen Greuel. 2. Mose 1:13 Und die Ägypter zwangen die Kinder Israel zu Dienst mit Unbarmherzigkeit 2. Mose 1:14 und machten ihnen ihr Leben sauer mit schwerer Arbeit im Ton und Ziegeln und mit allerlei Frönen auf dem Felde und mit allerlei Arbeit, die sie ihnen auflegten mit Unbarmherzigkeit.

      Weil das israelitische Volk dennoch ständig weiterwächst, wird den hebräischen Hebammen (Wehmüttern) Siphra und Pua befohlen, die Knaben nach ihrer Geburt zu töten. Töchter dürfen weiterleben.

      2. Mose 1:15 Und der König in Ägypten sprach zu den ebräischen Wehmüttern, deren eine hieß Siphra und die andere Pua: 2. Mose 1:16 Wenn ihr den ebräischen Weibern helfet und auf dem Stuhl sehet, daß es ein Sohn ist, so tötet ihn; ist's aber eine Tochter, so lasset sie leben.

      Was erstaunt, ist die Tatsache, dass es für das gesamte Volk der Israeliten offensichtlich nur zwei Hebammen gibt. Bei der damaligen