Erwin Leonhardi

Macht statt Seelenheil


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zu gehen. Die Ägypter, die ihm damals wegen des Mordes nach dem Leben trachteten, sind mittlerweile alle gestorben. Moses nimmt seine Familie mit und den Stab Gottes. In Ägypten soll er dann die gezeigten Wunder demonstrieren.

      2. Mose 4:19 Auch sprach der HErr zu ihm in Midian: Gehe hin und zeuch wieder nach Ägypten; denn die Leute sind tot, die nach deinem Leben stunden. 2. Mose 4:20 Also nahm Mose sein Weib und seine Söhne und führete sie auf einem Esel und zog wieder nach Ägyptenland; und nahm den Stab GOttes in seine Hand! 2. Mose 4:21 Und der HErr sprach zu Mose: Siehe zu, wenn du wieder nach Ägypten kommst, daß du alle die Wunder tust vor Pharao, die ich dir in deine Hand gegeben habe; ich aber will sein Herz verstocken, daß er das Volk nicht lassen wird.

      Unerklärlich ist, dass Gott das Herz des Pharao verstockt. Warum? Das Ziel ist doch das Gegenteil! Legt es Gott darauf an, mit den dann folgenden Plagen seine Macht zu demonstrieren? Ist das zu vergleichen mit dem Feuerwehrmann, der sich als Brandstifter betätigt, weil er gerne löscht?

      Es gibt dafür keinen ethisch vertretbaren Grund. Ein halbwegs plausibler Grund könnte sein, die Ägypter zum Judentum zu konvertieren. Aber das wird nirgends auch nur ansatzweise genannt. Gott hat sichtlich nicht vor, für andere Völker als die Israeliten zuständig zu sein. Das sollte jedem zu denken geben, der nicht Israelit ist: Gott fühlt sich gemäß vielfachen Beweisen für andere nicht zuständig! Für Nicht-Israeliten ist der Glaube an ihn nutzlos.

      Moses soll auch den Pharao bedrohen. Das Volk Israel sei der erstgeborene Sohn Gottes. Falls der Pharao den Auszug verweigern sollte, wird Gott im Gegenzug den erstgeborenen Sohn des Pharao erwürgen. Hier liegt die Begründung für das grausame Schauspiel, das sich später ereignen wird. Es zeigt sich hier, dass die Eskalation der Plagen bis hin zum Kindermord schon fest vorausgeplant ist.

       2. Mose 4:22 Und sollst zu ihm sagen: So saget der HErr: Israel ist mein erstgeborner Sohn; 2. Mose 4:23 und ich gebiete dir, daß du meinen Sohn ziehen lassest, daß er mir diene. Wirst du dich des weigern, so will ich deinen erstgebornen Sohn erwürgen.

      Mit dem Ausdruck in Vers 22, dass Israel sein erstgeborener Sohn ist, drängt sich der Gedanke auf, dass Gott in seiner Rolle Novize ist, und bisher für kein Volk zuständig war.

      Eine unerklärliche Begebenheit

      Es folgen drei unerklärliche Verse, die selbst nach alten kultischen Texten außerhalb des AT keine zwingende Auslegung gestatten. Aus den hebräischen Texten geht auch keine Erklärung hervor. Deren direkte griechische Übersetzung in der Septuaginta erhellt den Inhalt ebenfalls nicht. Die Spekulation, dass in der Septuaginta möglicherweise an der entsprechenden Stelle noch mittlerweile verschollene Verse vorhanden sind, hat sich nicht bewahrheitet.

      Es ist nicht eindeutig, wer mit "er" gemeint ist. Gott kommt "ihm" unterwegs in einer Herberge entgegen und will "ihn" töten. Abgesehen von der erneuten Vermenschlichung Gottes, ist hier kein klares Motiv erkennbar. Wer soll getötet werden und warum?

      Es gibt nur zwei mögliche Ziele: Moses oder einer seiner Söhne.

      2. Mose 4:24 Und als er unterwegen in der Herberge war, kam ihm der HErr entgegen und wollte ihn töten. 2. Mose 4:25 Da nahm Zipora einen Stein und beschnitt ihrem Sohn die Vorhaut; und rührete ihm seine Füße an und sprach: Du bist mir ein Blutbräutigam. 2. Mose 4:26 Da ließ er von ihm ab. Sie sprach aber Blutbräutigam um der Beschneidung willen.

      Ob Moses beschnitten wurde, ist nicht belegt. Da er bei seinen Eltern aufwuchs, ist aber davon auszugehen. Dem Allwissenden muss die Beschneidungssituation von Moses bekannt sein. Es gibt nicht den geringsten Grund dafür, dass Gott jetzt plötzlich seinen Botschafter töten will, den er vorher in langem Dialog erst überreden musste. Wäre Moses gemeint, hätte ein wirklich Allwissender ihn nicht auf die Reise geschickt. Die Variante Moses ergibt also wenig Sinn.

      Demnach handelt es sich um einen Sohn. Beide Söhne sind offenbar noch nicht beschnitten, sollen aber jetzt mit Moses zu den Israeliten in Ägypten reisen und bei diesem Volk leben. Dass dies ein ausreichender Grund für eine Tötung ist, zeigt Vers 14 aus Kapitel 17: Und wo ein Knäblein nicht wird beschnitten an der Vorhaut seines Fleisches, des Seele soll ausgerottet werden aus seinem Volk, darum daß es meinen Bund unterlassen hat.

      Zipora löst das Problem auf praktische Weise, indem sie mit einem Stein den Sohn beschneidet. Beschneidung war Männersache. Insofern ist die Vorgehensweise Ziporas höchst ungewöhnlich. Das Ritual, das sie benutzt, besteht darin, die Füße der Zielperson anzufassen und diese als Blutbräutigam zu bezeichnen. Unklar bleibt, wer die Zielperson ist, wer beschnitten wurde, und wessen Füße sie berührt.

      Was bedeutet der rätselhafte Ausdruck "Blutbräutigam"? Und wer ist der Blutbräutigam? In der Literatur gibt es viele und große Diskussionen über diese Szene, zum Teil mit romanhaft blühender Fantasie. Keine Version überzeugt.

      Aus dem Hebräischen übersetzen die Bibelforscher Buber und Rosenzweig den Ausdruck mit "im Geblüte Hochzeiter" und Zunz gibt ihn als "Blut-Sohn" wieder. Beide Ausdrücke erhellen den Sachverhalt nicht.

      Es scheint, dass diese Verse unvollständig sind, es also in früheren Versionen weitere Verse gab, die bei späteren Abschriften verloren gingen. Oder es gab damals allgemein bekannte Rituale, die im Laufe der Zeit völlig in Vergessenheit geraten sind.

      Moses wieder in Ägypten

      Aaron wird von Gott über seine Pflichtrolle informiert. Als sie sich treffen, erklärt Moses Aaron den Plan Gottes. Sie treten gemeinsam vor die Ältesten. Aaron, der angeblich bessere Redner, informiert sie, und Moses praktiziert die Zeichen vor dem Volk. Das Volk glaubt daraufhin an den göttlichen Beistand.

      2. Mose 4:27 Und der HErr sprach zu Aaron: Gehe hin Mose entgegen in die Wüste. Und er ging hin und begegnete ihm am Berge GOttes und küssete ihn. 2. Mose 4:28 Und Mose sagte Aaron alle Worte des HErrn, der ihn gesandt hatte, und alle Zeichen, die er ihm befohlen hatte. 2. Mose 4:29 Und sie gingen hin und versammelten alle Ältesten von den Kindern Israel. 2. Mose 4:30 Und Aaron redete alle Worte, die der HErr mit Mose geredet hatte, und tat die Zeichen vor dem Volk. 2. Mose 4:31 Und das Volk glaubete. Und da sie höreten, daß der HErr die Kinder Israel heimgesucht und ihr Elend angesehen hätte, neigeten sie sich und beteten an.

      Die Allmachtsfrage

      Der Stab wird zur Schlange, die Hand wird weiß, Wasser wird zu Blut. Offenbar sollen Zaubertricks eine Allmacht beweisen. Genau betrachtet sind diese Vorführungen eher Beweise einer Ohnmacht. Ein wirklich Allmächtiger hätte solche Vorführungen nicht nötig. Auf die damalige Welt mögen die Texte gewirkt haben, denn zu dieser Zeit wurde alles Unerklärliche als göttlich empfunden, und man glaubte an Zauberei. Eine solche märchenähnliche Geschichte konnte sicher einfache Gemüter überzeugen. Heute wirkt es eher lächerlich und eines allmächtigen Gottes nicht würdig.

      Warum wendet Gott seine Allmacht nie wirklich an? Warum verwendet er stattdessen hier eine Völkerwanderung, die letztlich auf Kosten derer geht, die bereits dort wohnen, wo die Israeliten hinziehen sollen? Die Allmachtsfrage wiederholt sich mehrfach. Bei strengem Hinsehen findet man in den Mosesbüchern keinen einzigen wirklichen Beweis für die Allmacht. Die Sintflut ist ein Beispiel für Ohnmacht. Ein allmächtiger Schöpfer hätte das Problem mit einem einzigen Wort erledigen können, aber er brauchte die Flut. In Sodom und Gomorrha wird die Vernichtung der Städte äußerst umständlich durchgeführt. Auch hier hätte ein Wort genügt. Das Gleiche gilt für die Rettung der Israeliten aus der ägyptischen Unterdrückung. Ohne Zaubertricks mit einem Hirtenstab und ohne Plagen muss für einen Allmächtigen logischerweise eine sofortige Problemlösung möglich sein.

      Diese Episoden - und viele mehr - beweisen, dass dieser Gott nicht allmächtig ist. Er gebraucht umständliche Methoden, um seinen Willen durchzusetzen. Ein schwächliches Gottesbild. Wie konnte es der Kirche gelingen, trotz solcher zahllosen Ohnmachtsbeweise eine göttliche Allmachtsfigur zu konstruieren und bis heute aufrecht zu erhalten?

      Aus