Marcello Dallapiccola

Malleus Proletarum - Der Proletenhammer


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auszukommen, aufgesucht und auf seine eigene Art daran erinnert hatte, Schutzgeld zu zahlen wäre doch eine vernünftige Alternative dazu, so einen wie ihn jede Woche im Haus zu haben.

      Vor etlichen Jahren war dann so etwas wie ein kleiner Privatkrieg zwischen einigen rivalisierenden „Organisationen“, wie sich die Gauneria der Stadt selbstbewusst nannte, ausgebrochen. Frasther war damals abwechselnd von den verschiedenen Kampfparteien engagiert worden, um jeweils irgendwelche Typen von der anderen Clique weichzuklopfen. Dummerweise hatten die verschiedenen, kriegführenden Clans samt und sonders nur Typen aus der Umgebung angeheuert, die sich untereinander gut kannten und kein besonderes Interesse daran hegten, sich gegenseitig fertigzumachen.

      Weiters hatten sich die einzelnen Möchtegern-Bosse untereinander niemals wirklich einigen können, wer denn nun mit wem zusammen Krieg gegen wen führte und wer überhaupt bei den diversen, eilig geschmiedeten Allianzen das Oberkommando hatte; so war recht schnell ein ziemliches Durcheinander entstanden. Das führte soweit, dass zum Beispiel Schlawinski, der Zocker, Frasther und noch zwei Typen anheuerte, um „mal die Truppe vom Joe so richtig aufzumischen, dass von dort ja kein Quah-Ruf mehr kommt”.

      Die Truppe vom Nadelstreif-Joe bestand zu der Zeit gerade aus Frasthers bestem Kumpel Garstmuth und zwei weiteren Jungs, ebenfalls alle miteinander vertraut, teilweise aus Schulhof- und teilweise aus Jugendknastzeiten. So hatte man sich auf neutralem Boden getroffen, anstatt sich jedoch gegenseitig in die Schnauze zu hauen, hatte man miteinander zwei Tage und Nächte lang durchgefeiert und einen Großteil des Soldes versoffen. Daraufhin war die Gangster-Fehde mehr oder weniger im Sande verlaufen, was jedoch nicht bedeutete, dass es nicht gelegentliche Scharmützel gegeben hätte.

      Und so hatte Frasther seitdem ein geruhsames Säuferleben geführt, mal hier und mal da ein bisschen Kohle rangeschafft und in den Tag – oder besser in die Nacht – hineingelebt. Tagsüber pflegte er zu schlafen, nachts war in den Spelunken der Stadt unterwegs, wie sich das für einen ordentlichen Mann gehörte.

      Aktuell war er jedoch wieder mal vollkommen abgebrannt – nur deshalb quälte er sich mit seinem Jeep durch den Verkehr, immer noch schwer gezeichnet von den Ausschweifungen der vergangenen Nacht. Seine rotgeäderten Augen starrten habichtsgleich auf das Verkehrschaos vor ihm. Konnte denn nicht ein verdammtes einziges Mal eine Straße frei sein, wenn er es mal eilig hatte? Als dann kurz vor 'Charley’s Kneipe' auch noch eine Gruppe Schüler vor ihm auf einen Zebrastreifen trat und ihn so zu einer Notbremsung nötigte, war es mit seiner Geduld eh schon fast vorbei: Laut hupend und gestikulierend scheuchte er die Schüler weiter – und es war deren Glück, dass sie sich gleich tummelten, anstatt ihn noch weiter zu provozieren, denn in Gedanken hatte er sich bereits mit dem Wagenheber auf diese Teppichratten eindreschen gesehen.

      Autofahren war eigentlich etwas, das er liebte – aber nicht so! Die Straße hatte frei zu sein, so dass ein Mann mit seinem Jeep selbigen auch in Ruhe ausfahren konnte und sich nicht um lästige Fußgänger, Radfahrer, bedacht tuckernde Rentner oder planlos durch die Gegend kurvende Weiber zu kümmern brauchte.

      Frasthers Jeep ging ihm über alles; er hatte ihn vor einigen Jahren erstanden, nach der Geschichte mit dem Bandenkrieg, als er gerade Geld im Überfluss gehabt hatte. Der Motor war anständig hochgetunt und so konnte es das monströse Gerät problemlos auch mit einem Sportflitzer aufnehmen – die waren zwar meistens in der Beschleunigung etwas besser, doch in der Endgeschwindigkeit konnte er immer noch einem Großteil von denen den Finger zeigen. Da musste schon eine ganz anständig getunte Karre daherkommen, um ihn versägen zu können.

      Der Jeep war auch das Einzige, dem Frasther mit endloser Geduld große Aufmerksamkeit und liebevolle Pflege angedeihen ließ. Oft fuhr er damit durch die Waschstraße und ließ nachpolieren; innen schaute es dann schon mehr nach dem Besitzer aus, die Sitze waren voller eingetockneter Essens-, Bier- und Spermaflecken, der Aschenbecher quoll über und Unmengen von Hardrock-Kassetten lagen herum. Weiters lagen überall verstreut Kleidungsstücke, ein Paar Ersatzschuhe und jede Menge zerknautschter, leerer Tschickschachteln* herum. Äußerlich jedoch glänzte und funkelte der Jeep, dass es eine wahre Freude war.

      Schließlich hatte er, nachdem er die letzten Meter vor Zorn kochend hinter sich gebracht hatte, seinen Jeep geparkt, den Hardrock-Sound abgestellt und polternden Schrittes 'Charley’s Kneipe' betreten. Ärgerlich trat Frasther an den Tresen und grunzte den Barkeeper an, der etwa drei Schritte entfernt gerade zwei andere Gäste bediente. Es stand wieder diese trübe Tasse von Aushilfe hinter dem Tresen – leider nicht Charley selber, der ja ein fähiger Barkeeper war.

      Würde er sich halt ein Bier zwischen die Kiemen jagen, während er auf den Bertl warten musste. Immer dasselbe Theater, wenn man mal ein bisschen Geld braucht, dachte er missmutig bei sich. Und dieser elende Barkeeper hatte es auch noch nicht fertiggebracht, seinen Arsch herzubewegen und ihm ein Bier hinzustellen – Frasther spürte, wie ihm heiß wurde vor Zorn. Doch eben als er sich zu seiner gut eintrainierten Bedrohungs-Pose aufplustern wollte, bequemte sich der Barmann endlich dazu, den Zapfhahn zu bedienen und ihn unsicher anzulächeln. Frasther beließ es deswegen bei einem warnenden Blick.

      Die Kneipe war wie üblich mit den immergleichen Leuten gefüllt, die sich in Kneipen, die 'Charley’s Kneipe' oder so ähnlich hießen, herumtrieben – Handwerker, die sich nach der Arbeit ein Bier oder deren mehrere hinter die Binde gossen, einige pensionierte Schwerarbeiter, die sich mit Kartenspiel und Alkohol die Zeit vertrieben, die paar nicht wegzudenkenden Langzeitarbeitslosen, die dem Staat immerhin noch nützlich waren, indem sie einen Großteil der Sozialhilfe, die sie empfangen hatten, in Form von Getränkesteuer wieder sogleich in den Staatshaushalt rücküberführten und die paar üblichen billigen Dorfschlampen, die in solch’ „edlen“ Etablissements nach potentiellen Kunden Ausschau zu halten pflegten.

      Nur Bertl, diese Ratte, schien nicht anwesend zu sein. Frasther besah sich das Publikum nochmals, konnte jedoch nirgends die verschlagene Frettchen-Visage dieses Kerls erblicken.

      Der Barmann war schon ziemlich weit mit dem Bier, fast fertig sozusagen, nur schien er sich mit dem Schaum diesmal wirklich außerordentliche Mühe geben zu wollen – und ein guter Schaum dauert nun mal seine Zeit. Missmutig grunzte Frasther vor sich hin. Da legte sich ihm von hinten patschend eine Hand auf seine Schulter.

      Das konnte zweierlei bedeuten: Entweder die Klaue eines Feindes, die sich von hinten in seine Schulter krallt, um ihm den Garaus zu machen – Wahrscheinlichkeit hier vor diesem Publikum, in dieser Lokalität, sehr gering. Oder ein etwas plumper Annäherungsversuch von jemandem, der ihn offenbar nicht besonders gut kannte – Wahrscheinlichkeit eher hoch. Es gab noch die winzige Chance einer dritten Variante – aber, nein, der Bertl war nicht groß und schwer genug, als dass diese Pratze ihm hätte gehören können. Diese drei Wahrscheinlichkeiten rechnete Frasthers Großhirn blitzartig durch, entschied sich für Variante zwei und leitete bei seinem Körper die entsprechende Reaktion ein.

      Mit einer schnellen Drehung fuhr er den Ellbogen aus und donnerte ihn dorthin, wo er das Kinn des potentiellen Angreifers vermutete. Der Ellbogen landete genau im Ziel. Heftig polterte es, als der große, schwere Proletenkörper, niedergestreckt von Frasthers Hieb, rückwärts zu Boden taumelte. Da eben wurde Frasther bewusst, daß er den Typen kannte, schon mal mit ihm zusammen irgendwo etwas geschluckt hatte oder so. Aber jetzt war er schon dran, deshalb trat er dem Kerl gleich noch ein paarmal heftig in die Rippen.

      „Mir klopft keiner von hinten auf die Schulter, dass das klar ist!“, brüllte er den sich unter heftigen Schmerzen windenden Proleten an. Dann drehte er sich zur Theke um und bemerkte dort den Barista, der vor Schreck wie angewurzelt mit seinem Bier in der Hand dastand. Wortlos tippte Frasther energisch mit dem Zeigefinger auf die Bar, woraufhin sich der Heini hinter der Schank beeilte, ihm das Bier hinzustellen.

      Aus Richtung der Toiletten waren einige spitze Schreie zu hören, draußen fuhr laut jaulend ein Einsatzfahrzeug vorbei. Das Gemurmel, das durch den dumpfen Aufprall des eben niedergestreckten Riesenochsen kurz erstorben war, schwoll langsam wieder an. Eine der jüngeren Dorfschlampen strahlte Frasther bewundernd an, drei alte Bsuff*, die an ihrem Tisch schon seit den Morgenstunden ihre Bier zuzelten*, begannen sich laut lachend darüber zu unterhalten, wie lächerlich der große Klops doch ausgesehen habe, als er zu Boden ging.

      Frasther ergiff