Marcello Dallapiccola

Malleus Proletarum - Der Proletenhammer


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hatte bereits darauf gewartet, endlich seine Geschichte anbringen zu können. „Also, Frasther, wie ich schon sagte, da machen sich ein paar Typen breit, die mir die Geschäfte vermiesen…”, fiel er gleich wieder jammernd über Frasther her.

      „Luis, mit dem geschäftlichen Blabla kannst du deine Alte daheim langweilen, sag mir nur, was, verdammt nochmal, du von mir willst!”, stellte Frasther dem Prag-Luis die Ansprache ein.

      „Ich brauch’ einen Bodyguard, Frasther! Und ich bin bereit, mir deine Dienste einiges kosten zu lassen!”, trompetete der Prag-Luis.

      Nach einigen zähen Minuten des Verhandelns war man sich einig: 500 Eier pro Tag für Frasther, 1000 extra je nachdem wieviele Widrigkeiten der Auftrag mit sich bringen würde. Und kulanterweise erklärte sich der Prag-Luis auch noch bereit, mit Bertl und Frasther ein wenig auf Tour zu gehen; er musste sowieso seine Katzen auf der Straße kontrollieren, dabei würde sich garantiert auch noch ein Würschtlstand* finden, wo man sich ja schnell was in die Figur hauen konnte.

      Dass er eigentlich einen Kohldampf hatte wie ein ausgehungerter, sibirischer Wolf, wurde Frasther erst bewusst, nachdem der Luis das Wort “Würschtlstand” ausgesprochen hatte.

      Wenige Minuten später lungerten Frasther und Bertl im Fond von Prag-Luis’ weißem Benz. Die Karre war ein Oldtimer, ein alter 530 SL aus den 70er Jahren, der zwar schon bessere Zeiten erlebt hatte, aber trotzdem optisch immer noch ganz ordentlich was hermachte. Auf Frasthers Anraten hin gab der Luis kräftig Gas und steuerte die Karre mit Höchstgeschwindigkeit zum nächsten Schnellimbiss. Es war inzwischen Nacht geworden, die Dunkelheit hatte die Abenddämmerung schon beinahe komplett verschluckt. Wie jede Nacht, begannen Jugendbanden die Straßen zu bevölkern und marodierten, mit Wodkaflaschen bewaffnet, laut grölend durch die Gegend, traten Mülleimer um und hauten alles mögliche kaputt. Der abendliche Berufsverkehr kam langsam zum Erliegen. Für die echten Nachtschwärmer war es jedoch noch zu früh, also waren auch noch nicht so viele Bullen auf der Straße; diesen Umstand nutzten die „Gangs“ – wie sich die Rotznasen nannten – um sich für zwei, drei Stunden aufzuführen wie eine Barbarenhorde. Endlich parkte der Luis seinen Benz an einer Imbissbude.

      „Ein Bier, Pommes und eine anständige Rote mit radikal viel Senf drauf!”, bestellte Frasther vollmundig über die Köpfe der Menschenmenge hinweg, die in der Schlange warteten.

      Ganze Scharen von Jugendlichen hatten hier einen Zwischenstopp eingelegt, um sich ein paar ordentliche Kalorien in die Figur zu massieren; auch von den obligaten Würschtlstand-Süffeln standen zwei herum, ließen sich volllaufen und glotzten gelangweilt durch die Gegend. Einige Köpfe drehten sich erschrocken um; eben als die Mutigeren der Wartenden sich gefasst hatten um aufzubegehren, wurden sie auch schon von Frasthers Ellbogen zur Seite gerempelt. Bertl bestellte sich das Gleiche, nur der Prag-Luis verzichtete auf das Bier zugunsten von drei Kaffees mit Milch und doppelt Zucker, statt der Wurscht bestellte er sich einen Mega-XL-Burger mit extra Mayo.

      Einen der Jugendlichen, der versuchte sich seinen Platz zurück zu errempeln, packte Frasther am Schlafittl, schüttelte ihn ordentlich durch und beförderte ihn dann mit einem kräftigen Schubser meterweit fort. Der Kerl in der Imbissbude beeilte sich, ihnen ihre Wünsche zu erfüllen; der Prag-Luis wedelte mit dicken Scheinen herum und Frasther und Bertl hielten die empörte Menge von überrumpelten Kunden mit aggressiver Körpersprache und blutrünstigen Blicken in Schach.

      So fanden sie sich schon kurze Zeit später schlingend an einem der Stehtischchen wieder. Bertl biss in seine Wurscht, Frasther schaufelte mit beiden Händen die Pommes in sich hinein und spülte sie mit großen Schlucken Bier hinunter und der Prag-Luis hielt nach dem halben Mega-XL-Hamburger inne, um einen Kaffee aus dem Pappbecher zu trinken.

      „Jetzt weiß ich schon, warum du so fett bist, Luis – bei dem vielen Zucker, den du dir in den Kaffee schüttest, da könntst' mich auch schon rollen. Zum Glück trink' ich soviel Bier, dass ich praktisch nie Lust auf süßen Dreck hab'!” Herzhaft biss Frasther in seine senfgetunkte Wurscht, das Fett spritze nur so nach allen Seiten davon. Einige schwer zu übersehende Spritzer landeten auf Prag-Luis' weißem Seidenhemd, genau unterhalb der goldenen Halskettchen.

      Der Luis nahm einen Schluck von seinem Kaffee, Bertl nickte zustimmend und meinte: „Du bist schon eine brutal fette Sau, Luis. Solltest mal abnehmen. Ist ja klar bei deinem Gewicht, dass dir jeder dahergelaufene Ost-Strizzi den Arsch versohlen möchte, die nehmen so einen Schwabbel wie dich einfach nicht ernst.”

      „Weißt', Bertl, eigentlich kann es dir scheißegal sein, und wenn ich eine halbe Tonne wiege…”

      Weiter kam der Luis nicht, denn Bertl fiel ihm stürmisch ins Wort: „Jetzt sei doch nicht gleich angepisst, verdammt! Ich geb' ja nur zu bedenken, dass dein Wanst vielleicht der Grund dafür sein könnt', warum die Typen es ausgerechnet auf deine Mädels abgesehen ham'! Aber du jammerst und nörgelst hier rum, nur weil es zufälligerweise was damit zu tun hat, dass du fett bist! Statt dass du froh wärst, dass dir jemand das Problem auf den Punkt bringt!” Beleidigt stopfte Bertl sich eine Handvoll Fritten in den Mund.

      Frasther nickte kauend und murmelte: „Da könnt' er Recht haben.”

      Bevor der Luis, dessen Gesicht bereits wieder rot anlief, etwas entgegnen konnte, wurden sie jedoch unterbrochen; die Jugendlichen schienen eine Revolte anzetteln zu wollen. „Fresst euch nur an, ihr ekligen Verbrechertypen, ich hoff', euch bleibt allen der Bissen im Hals stecken!”, fauchte eine etwa sechzehnjährige Grunge-Göre sie an. Sie warf ihnen allen dreien einen giftigen Blick zu, schnappte sich ihren Burger und verschwand. Im Hintergrund begannen die abgetakelten Süffel, erwartungsvoll zu grinsen – die erhofften sich wohl eine Show.

      Ein paar Pommes kamen von irgendwoher geflogen und hinterließen weitere Flecken auf Prag-Luis' Seidenhemd, genau neben den Flecken, welche die Spritzer von Frasthers Wurst dort hinterlassen hatten. Frasther blickte auf. Etwa sieben, acht blutjunge Gesichter, Mädels und Burschen, blickten sie wachsam und zornerfüllt an. Den Pommeswerfer konnte er nicht ausmachen.

      „Wenn ihr nicht sofort Ruhe gebt, zieh' ich euch die Ohren lang!“, drohte der Bertl den Rotzaffen.

      Frasther war froh, dass Bertl das Reden übernahm; er hatte den Mund voll, so ließ es sich nicht gerade besonders effektiv drohen. Einige Kaubewegungen lang blieb alles friedlich, dann landete ein Pappbecher mit klebrig aussehendem, gelblich gefärbtem Zuckerwasser mitten auf dem Tisch. Der Inhalt schwappte über und spritzte auf die Umstehenden, wobei der Bertl am meisten abbekam.

      Diesmal war der Prag-Luis, der seinen Mega-XL-Hamburger in bestaunenswertem Tempo verdrückt hatte, schneller als der noch wiederkäuende Frasther und der noch immer an seinen Fritten zuzelnde Bertl. Mit drei schnellen Schritten war er bei den Kindern und zog dem Ersten von ihnen einen glänzenden Gegenstand über den Kopf. Es folgte das vernehmliche Krachen der Schädeldecke, als besagter Gegenstand auf dem Kopf des Jungen auftraf. Die anderen Jugendlichen jagten in alle Himmelsrichtungen hinfort, doch der Luis bekam noch eines der Mädchen zu fassen. Er hielt die Göre an ihrer übergroßen Wolljacke fest und zog ihr denselben Gegenstand – welcher sich jetzt, als Frasther und Bertl genauer hinsahen, als Puffn* entpuppte – mit ordentlicher Wucht quer über ihr Gesicht. Das Mädchen sackte zusammen, der Prag-Luis riss sie am Ärmel mit hinter die Würstelbude und verstaute dabei seine Puffn wieder im Jackett.

      „Gar nicht mal so schlecht für so 'ne fette Sau wie mich, was?”, schnaufte er. „Ja, da schaut ihr blöd, was der gute Luis noch draufhat, was?” Er lachte laut auf und warf das Mädchen wie einen nassen Sack irgendwo hinter der Imbissbude auf den Boden.

      Frasther hob kurz die Augenbrauen, spülte den letzten Schluck der Mahlzeit mit einem ordentlichen Schluck Bier hinunter, zündete sich einen Tschick an und sog den Rauch tief in sich hinein, während er den Prag-Luis dabei beobachtete, wie dieser sich mit eifrigen Bewegungen die Hose aufknüpfte. „Der scheißt sich nicht grad viel, der Luis, was?”, sagte er zu Bertl, der nun auch den letzten Bissen hinunterschluckte. „Schnupft sich diese Rotzgöre einfach da hinter dieser Siffbude, wo nachts immer die Besoffenen hinkotzen und -pissen”, kommentierte er den Vorgang amüsiert.

      „Kann uns wurscht sein, Frasther. Aber der Luis, der sieht halt nicht