Marcello Dallapiccola

Malleus Proletarum - Der Proletenhammer


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im Zuge seiner erlittenen Verletzung ersetzen; vorausgesetzt natürlich, der Bertl würde ihn – den Luis – und Frasther bei eventuellen Nachfragen von Ärzten, Bullen et cetera vergessen, zu erwähnen.

      Die befremdeten Blicke des Taxi-Chauffeurs wurden ebenfalls mit einem saftigen Trinkgeld aus Luis' Geldbörse in desinteressierte Blicke verwandelt. Da kam auch schon das zweite Taxi herangebraust. Der Fahrer zuckte ob der Szenerie mit den beiden ineinander verkeilten Schrotthaufen mit keiner Wimper, sondern hielt gleich die Hand auf. „Wo soll's denn hingehen?”

      Der Prag-Luis packte dem Kerl einige Scheine in die gierige Klaue und nannte seine Adresse. Gerade als sie wegfuhren, schepperte es gewaltig, als einer der Schrotthaufen hochging.

      „Was waren das für Typen, zum Geier? Die haben's ja richtig ernst gemeint…?”, begann Frasther den Prag-Luis zu löchern, nun, da sie endlich in Ruhe Gelegenheit hatten, um zu reden.

      „Irgendwelche Albaner oder Armenier oder sowas, Russen vielleicht…”

      „Was? Du legst dich mit der Ost-Mafia an?”, fuhr Frasther auf.

      „Tu’ ich gar nicht, aber diese Schweine erschrecken mir die Mädels und vergraulen die Kundschaft, das kann ich nicht zulassen.”

      „Aber du hättest mir verdammt nochmal sagen können, mit wem du dich da eingelassen hast!Ich dachte, es handelt sich wieder um eines der üblichen Geplänkel mit Don Renato oder einem der anderen Schwachköpfe!”, schnaubte Frasther.

      „Du hast klipp und klar gesagt, ich soll dich nicht mit den Details langweilen, dich interessiert nur, was dabei herausspringt! Ich wollt’s dir ja noch erklären, aber du hast mich einfach unterbrochen!”, verteidigte sich der Luis.

      Frasther fiel ein, dass das stimmte und so ließ er den Luis in Ruhe mit dem Thema. „Wo fahren wir denn hin?”

      „Ich fahr' jetzt erstmal nach Hause und erhol’ mich von der ganzen Scheiße. Muss noch ein paar Telefonate erledigen, wegen den Schrotthaufen da hinten und ich brauch auch ‘ne neue Karre. Hab' ich eh in der Garage stehen, aber ich muss sie halt holen gehen. Du kommst mit – ich hab' eine Menge Gästezimmer, kannst in einem davon schlafen… ”

      „Nicht dein Ernst, Luis. Das läuft nicht, ich hab' noch 'ne Menge Zeugs zu erledigen. Du wirst diese Nacht schon noch ohne mich zurechtkommen müssen. Ich mach dir ‘n Vorschlag: Ich spür' dich morgen Abend irgendwo auf und ab da kann ich dir dann den Gorilla machen. Bis dahin könntest du für die Aktion grad vorhin allerdings schon mal etwas rüberwachsen lassen.”

      Der Prag-Luis dachte kurz nach, wischte sich mit einem weißen Tuch den Schweiß von der Stirn und zückte dann sein Portemonnaie. „Ich geb' dir zwei große Scheine, einen für die Aktion vorhin und einen so als Anzahlung. Aber was soll das heißen, du spürst mich morgen Abend wo auf?”

      „Erstens weiß ich, wo du deine Weiber rumstehen hast und zweitens ist deine Ersatzkarre sicher auch so’n auffälliges weißes Teil. Also find' ich dich locker – dass du mir halt nicht gleich rumzuballern anfängst, wenn dir irgendwo 'n großer aufgemotzter Jeep über'n Weg fährt.”

      Der Prag-Luis machte große Augen und hielt Frasther die Kohle hin.

      Nachdem sie den Prag-Luis an der Einfahrt zu seiner Villa abgeliefert hatten, ließ sich Frasther vom Taxler erst noch zu einer Tanke chauffieren, um sich mit einem Sechserträger und zwei Schachteln Tschick auszustatten, bevor er sich nach Hause bringen ließ.

      3 – Delongiert

      Frasther wohnte in einer heruntergekommenen Industriegegend, das Stadtbild wurde von stillgelegten Fabriken und aufgelassenen Nahversorgern geprägt. Seine Bude befand sich in einem ehemaligen Arbeiterwohnheim, das sich ein Immobilienriese einverleibt und das ganze Gebäude dann in winzige Appartements unterteilt hatte. Eigentlich waren Studenten, Künstler und ähnliche Leute als Mieter angedacht gewesen, doch da mit den Fabriken auch die ganze Infrastruktur der Umgebung vor die Hunde gegangen war, hatte sich in der Gegend nur zwielichtiges Gesindel angemietet. Die einst schicken Yuppie-Appartements waren schnell heruntergewohnt worden und schon nach wenigen Jahren wurde das ganze Viertel von allen Leuten, die nicht direkt dort wohnten, gemieden, so gut es ging.

      Frasther hatte sich damals zu einem günstigen Zeitpunkt eine der Wohnungen gekauft; bezahlt hatte er mit seinem Sold, den er für ein groß angelegtes Schmuggelgeschäft mit Baumaschinen bekommen hatte. Inzwischen wohnte er schon seit fast zehn Jahren auf den knapp vierzig heruntergekommenen Quadratmetern – wobei er ohnehin meist nur daheim war, um seinen Rausch auszuschlafen.

      Eigentlich war es ja noch viel zu früh für ihn, um nach Hause zu gehen – sogar noch vor Mitternacht – doch Aufregung hatte er für heute bereits genug gehabt, abgesehen davon brauchte er etwas Ruhe um die ganze Sache mit dem Prag-Luis ein wenig zu behirnen. Das war nicht ganz ohne, worauf sich dieser Spinner da eingelassen hatte. Frasther musste nachdenken, welche Kontakte er da wohl spielen lassen könnte, um an die Hintermänner dieser beiden Typen von heute Abend heranzukommen. Und Denken ging nun mal am einfachsten mit einem Sechserträger vor dem Fernseher.

      Als er zum Eingang seines Blocks hineinstolperte, kam ihm sein Briefkasten in den Sinn. Dort schaute er nur alle paar Wochen mal sporadisch rein, es kam eh nix außer Werbung. Er öffnete das Fach – und wurde beinahe von einer Papierlawine erschlagen. Er fluchte, bückte sich und hob das ganze Zettelzeugs auf. In buntesten Farben schillerten ihn irgendwelche Reklameflugblätter an: Kauf hier, probier davon, geh dort hin. Ihm fiel ein Prospekt von einer neuen Autowaschanlage in die Hände, ein zusammenklappbares Kuvert, das sich schwer anfühlte. Vermutlich Gratis-Tankmünzen drin, dachte er. Schnaubend machte er sich daran, das ganze Zeugs auf Stapel zu sortieren.

      Der Haufen mit dem überflüssigem Werbemist war schnell höher als alles, was er je in seinen Leben gelesen hatte zusammen, als endlich mal etwas kam, das nicht nach Werbung aussah: Ein Brief vom Amt, auf dem groß „Dritte Mahnung!” drauf stand.

      Frasther schaute auf das Absendedatum, aber da er sich nicht sicher war, welcher Tag genau war, brachte ihm die Information nicht viel. Er sortierte also weiter, und nach zwei Minuten Werbemist stieß er auf die zweite Mahnung. Genau vierzehn Tage älter, das Ding. Dann fand er eine Karte, die an ihn persönlich adressiert war. Eine etwas ungewöhnliche Karte, denn es war kein Bild drauf, sondern groß der Spruch: „Befreie deinen Geist! Du kannst ALLES erreichen!”

      Drunter war noch etwas Kleingedrucktes, ein esoterisches Blabla von wegen Chakren, Naturgeistern und interstellarer Intelligenz, schließlich eine Einladung zu einem „Liebevollen Zusammentreffen der aufrechten Seelen”. Das machte ihn immerhin neugierig genug, um die Karte mehrmals herumzudrehen und nach dem Absender zu suchen. Schließlich fand er, ganz klein an den Rand gedruckt, die Adresse und Telefonnummer eines „Tempels der allumfassenden Liebe”.

      Sofort blitzten vor seinem geistigen Auge Bilder von sich in wilder Lust räkelnden Weibern auf, mit ihm rammelnd wie ein Karnickel mittendrin. Er musste grinsen; das würde es wohl nicht spielen bei so einem Spinnerverein, also legte er die Einladung zum Werbedreck. Verrückte gab es…

      Und wieder kam was Interessantes zum Vorschein: Ein Flugblatt, das von einem neuen Lokal kündete, einem Irish Pub mit Dartscheiben drin und original irischen Getränkespezialitäten. Das legte Frasther auch gleich zu den Dingen, die er in der Wohnung noch genauer in Augenschein nehmen wollte.

      Schließlich fand er die erste Mahnung, wiederum vierzehn Tage älter. Jetzt war nicht mehr viel übrig, das er auseinander sortieren konnte. Hier noch ein paar Prospekte, da noch ein paar wahrscheinlich schon lang abgelaufene Sonderaktionen in irgendwelchen Kaufhäusern, die er sowieso nie besuchte.

      Schließlich beförderte er einen großen, blauen Umschlag ans Tageslicht, ebenfalls an ihn persönlich adressiert – als Absender trug das Kuvert einen Stempel der Justizvollzugsanstalt. Öha, stutzte Frasther, da schreibt mir wohl einer aus dem Knast. Noch ein paar zur Seite geschlichtete* Werbeprospekte später lag dann endlich ein weißes Kuvert vor ihm, auf dem das liebliche Wort „Anonymverfügung” stand. Frasther wettete mit sich selber und tippte auf eine Geschwindigkeitsübertretung. Zu guter Letzt schließlich