Samantha Prentiss

Eiskalte Wut


Скачать книгу

zu überhäufen. Und dann wollte er sie fragen, ob sie seine Frau werden wollte, einfach über alle Schranken der menschlichen Gesellschaft hinweg. Das arme Mädchen und der reiche Playboy, der sich die Hörner bereits abgestoßen hatte. Er ersehnte sich nichts so sehr wie ihre Zustimmung. Alles andere konnte er sich für sein Geld kaufen.

      Sie saßen in einem weißen Rolls Royce. Das war einer der neunzehn Wagen, die Buchanan sein Eigen nannte. Lance Ironside, ein ehemaliger Catcher, steuerte den Schlitten. Clarence Gilyard, ein ehemaliger Boxer, saß neben ihm, während sich Buchanan im Fond des Wagens befand. »Halten Sie dort vorne an, Lance!«, verlangte Buchanan vom Fahrer.

      »Im Halteverbot, Sir?«

      »Ich bin sicher, die Polizei wird uns diese kleine Sünde verzeihen.« Zachary Buchanan grinste, und Ironside trat auf die Bremse. Er wollte aus dem Wagen springen und seinem Arbeitgeber den Verschlag öffnen – doch da war Buchanan bereits draußen.

      »Bemühen Sie sich nicht«, sagte der blonde Millionär schmunzelnd. »Ich werde erst im Greisenalter auf Ihre Hilfsbereitschaft zurückkommen.«

      Ironside grinste schief. »Ich wette, dann sind Sie immer noch schneller als ich, Sir.«

      Buchanan betrat das Haus, vor dem der Rolls Royce hielt.

      Ironside blickte auf seine Armbanduhr. »Wir hätten ihn fragen müssen, ob wir ihn begleiten sollten.«

      Gilyard zuckte die Achseln. »Er hätte uns gesagt, dass wir mitkommen sollen, wenn es nötig gewesen wäre.«

      »Und wenn ihm nun was zustößt? Dann bleibt es an uns hängen.«

      Gilyard winkte ab. »Findest du nicht, dass du deinen Job ein bisschen zu ernst nimmst, Lance?«

      »Verflucht, ich lebe von diesem Job. Und nicht mal so schlecht. Vielleicht denke ich ein bisschen weiter als du, Junge. Überleg' doch mal, was geschieht, wenn es ihn durch irgendeinen dummen Zufall plötzlich nicht mehr gibt. Dann sind wir diesen Job los, stimmt's?«

      »Sicher.«

      *

      Buchanan erreichte den zweiten Stock. Er dachte daran, dass er Blumen hätte mitbringen sollen, nahm sich vor, später welche für Ye-Jin zu besorgen, oder noch besser, sie selbst welche aussuchen zu lassen. Er legte den Daumen auf den Klingelknopf.

      Drinnen schellte es.

      Buchanan setzte ein erwartungsvolles Lächeln auf, richtete die ohnehin korrekt sitzende Krawatte ungeduldig und nahm sich vor, Ye-Jin blitzschnell mit seinen Armen zu umschlingen, sie hochzureißen, sie an sich zu drücken und sie so lange zu küssen, bis ihr die Luft wegblieb. Enttäuschung färbte sein Lächeln, als Ye-Jin nach dem zweiten Klingeln immer noch nicht öffnete. Das gibt es nicht, dachte Buchanan. Wir sind doch verabredet. Es ist neun. Wir wollten auf's Land fahren. Sie kann das nicht vergessen haben. Ye-Jin hat bisher alle Termine eingehalten.

      Er legte die flache Hand an die Tür, und da er nicht damit gerechnet hatte, dass sie aufgehen würde, erschrak er leicht. Beunruhigt lauschte Buchanan. Etwas lähmte ihn. Er vermochte den ersten Schritt nicht sofort zu tun. Die Sorge um das Mädchen, das er mehr als sich selbst und mit einem alles verzehrenden Feuer liebte, begann beängstigend schnell in seinem Innern aufzusteigen. »Ye-Jin!«, rief er in die Wohnung. Seine Stimme klang heiser. Der Ruf war nicht viel lauter als ein verlegenes Flüstern. »Ye-Jin, bist du da?«

      Niemand antwortete.

      Buchanan holte tief Luft und betrat dann die Wohnung. »Ye-Jin? Wo steckst du, Sweety?«

      Doch da war nur Stille – eine dumpfe, irgendwie unheilschwangere, fühlbare und unangenehme Stille!

      Ein kaltes Prickeln lief Buchanan über den Nacken und die Wirbelsäule hinunter. Dass hier irgendetwas nicht in Ordnung war, ahnte er mit erschreckender Deutlichkeit. Sein Herz schlug rasend schnell. »Ye-Jin? So sag' doch was! Bitte!« Er machte einige rasche Schritte durch die Diele und erreichte die halb offenstehende Tür zum Wohnzimmer. Sein Blick irrlichterte durch den Raum und blieb schließlich starr an dem nackten toten Mädchen hängen. »Ye-Jin!« Sein Schrei barg Grauen, Entsetzen und namenlose Verzweiflung in sich. »Mein Gott, Ye-Jin!«, murmelte er verstört. Sein Gesicht war mit einem Schlag teigig geworden. Seine Lider flatterten, der Mund stand weit offen. Unbeschreibliche Panik verzerrte seine Züge. Heulend fiel er neben dem Mädchen auf die Knie und fasste nach ihrem hübschen, bleichen Gesicht. Mit beiden Händen hielt er es, hob es zitternd hoch, starrte es ungläubig an, wollte nicht begreifen, dass seine Ye-Jin nicht mehr lebte. »Oh, mein Gott! … Oh, Gott! Oh, Gott … Gott!«, jammerte Buchanan verzweifelt. Er hatte geglaubt, nicht weinen zu können, doch nun, angesichts dieser Toten, füllten sich seine Augen plötzlich mit glitzernden Tränen. Erschüttert starrte er auf die hässlichen Würgemale am Hals der hübschen Asiatin. »Wer hat das nur getan?«, fragte er keuchend vor Schmerz. Sein Herz drohte zu zerbrechen. »Wer hat dir das angetan, meine süße Ye-Jin?«

      Plötzlich war da Etwas. Ein vages Geräusch, kaum zu vernehmen.

      Buchanan registrierte es zwar, aber er reagierte nicht schnell genug darauf. Als ihn der Schreck dann aber doch hochriss und herumwirbeln ließ, war es für jede Art von Verteidigung zu spät.

      Etwas – oder Jemand – flog auf ihn zu.

      Instinktiv nahm er die Arme hoch, um sich zu schützen.

      Der Angreifer war jedoch um vieles flinker. Ein dunkel schimmernder Gegenstand in seiner rechten Hand fegte von oben auf Buchanans Kopf herab.

      Der bestürzte Mann steppte zur Seite, doch der Totschläger traf ihn trotzdem und warf ihn brutal in eine Welt, die nur aus schwarzen Schatten und sonst nichts bestand.

      *

      »Einmal im Monat lasse ich die Puppen tanzen«, sagte Lance Ironside grinsend. »Da achte ich nicht darauf, was die Welt kostet. Einmal im Monat möchte ich mir all das gönnen, was sich unser Boss jeden Tag leisten kann.«

      Clarence Gilyard schob die Unterlippe vor und blickte auf seine fleischigen Finger. »Blödsinn! Was sich Buchanan leisten könnte, wenn er wollte, kriegst du doch für deine paar lausigen Pfund nicht.«

      »Mir reicht es.«

      »Es macht dir Spaß, das Geld mit vollen Händen zum Fenster rauszuschmeißen, wie?«

      Ironside grinste. »Ich genieße es richtig.«

      »Und wenn du mal alt und schäbig bist, gehörst du zu jenen Typen, die irgendwo an einer Ecke herumlungern, den Hut zwischen den Knien, und darauf warten, dass ihnen jemand ein paar Pence hineinwirft.«

      »Was willst du damit sagen?«

      »Dass du auch an die Zukunft denken solltest, statt die Moneten sinnlos zu verjubeln.«

      Ironside zog die Mundwinkel nach unten. »Das musst ausgerechnet du mir sagen?«

      Die Unterhaltung der beiden unterbrach sich von selbst, als das Haustor aufging und ein ganz in Schwarz gekleideter Mann mit einem auffälligen Hut herauskam.

      Ironside grinste. »Nun sieh dir diesen Asiaten an, Clarence. Sieht der nicht aus, als wäre er zu seiner eigenen Beerdigung unterwegs?«

      Gilyard nickte. »Scheint ein ganz besonders komischer Vogel zu sein.«

      Der Mann mit der Kopfbedeckung sah sich kurz um, schlenderte dann die Straße entlang und verschwand kurz darauf aus dem Blickfeld der Leibwächter.

      Ironside musterte seinen Kollegen. »Wovon haben wir vorhin gesprochen?«

      Gilyard winkte ab. »Ach, lass' gut sein, Lance. Die Unterhaltung führt sowieso zu nichts.«

      Ironside zuckte mit den Achseln, steckte sich eine Zigarette an, blies den Rauch zum Seitenfenster hinaus, schob die Manschette hoch und schaute ungeduldig auf seine Uhr. »Schon eine Viertelstunde um«, brummte er. »Was macht der Boss denn so lange da oben!«

      »Vielleicht war sie noch nicht fertig.«

      »Sie ist doch sonst immer pünktlich wie