Ally Park

Das Geständnis


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Weiblichkeit. Nein, er erzählt von seinem neuen Stern. Einem Projekt, es geht um Immobilien direkt am Strand im Norden von Italien. Er ist als Investor Teilhaber an einem Komplex, der derzeit an der nördlichen Adria in der Nähe von Triest errichtet wird. Erinnerungen an Triest, den Helikopter und Venedig kommen in mir auf. „Ihr Champagner“, durchbricht meine Faszination, die Gläser werden edel serviert.

      Ron ergreift sein Glas, hebt es an und spricht mit dieser erbarmungslos tiefen Stimme: „Auf unser Wiedersehen!“

      Nüchtern, finde ich diesen Klang, unsere Gläser klirren nur leise, „Ron, warum bist du wirklich hier?“, reagiert der Mann in mir. Ron senkt seinen Kopf und schmunzelt in sich: „Du bist knallhart, gefällt mir, ich kann’s nicht leugnen!“

      Ron erzählt weiter und bietet mir einen Job an seiner Seite an. Nein, nicht wie ihn Nicole gemacht hat, stellt er von vorne herein klar. Auch keine Anstellung. Ron hat gehört, dass ich in der Zwischenzeit nicht geschlafen habe. Er weiß, dass ich dieses EU-Zertifikat im Bereich Investmentförderungen erhalten habe. Eben auf dem Gelernten, meinen Erfahrungen aufgebaut habe. Jetzt hoffe ich als Beraterin für Großprojekte auf Aufträge. Nun sitze ich in einem gehobenen Lokal und bekomme ein vielversprechendes Angebot? Oder was soll ich davon halten? „Angie, wir wären ein gutes Team, du siehst dir die Immobilien im Detail an, lukrierst EU-Gelder und ich vertraue dir da, ich könnte mich auf das Investment verlassen und mich um weitere Sponsoren kümmern. Überleg‘ dir das Angebot!“, endet Ron.

      Mehr nicht? Enttäuscht ist die Frau in mir, dennoch es ist verlockend. „Ich überleg’s mir, Ron. Wie sieht das Zeitfenster aus?“, entgegne ich pflichtbewusst.

      „Wir können gleich losstarten, nehmen eine Maschine nach Triest, meine Location dort?“ Rons Augen spielen, seine Zunge tänzelt. „Du kennst sie doch?“, grinst Ron breit. Ich lächle nur.

      „Nein, Spaß bei Seite, ich weiß, du lebst immer noch mit deiner Familie und hast dich nicht getrennt. Warum nicht? Was hält dich bei diesem John? Ich kenne ihn nicht, aber er steht dir nicht. Dir sollte ein Mann viel mehr bieten. Du bist keine Lady für einen Looser!“, erklärt mir dieser Mann mein Leben.

      „Ron, du solltest nicht über Dinge reden, die du nicht kennst und schon gar nicht darüber urteilen, wovon du keine Ahnung hast“, verschaffe ich mir Raum.

      „Angie, du klingst verstimmt oder ist das frustriert? Klär mich auf!“ Shit, er hat das geplant! „Nennen wir es ernüchtert“, kontert mein Verstand und klärt diesem Mann jetzt sicher keine Fronten.

      „Überleg‘s dir einfach, dann bin ich vorerst zufrieden. Und ich werde dir beweisen, dass du keine Lady für einen Looser bist!“

      Zielsicher wechselt Ron das Thema und schwelgt in seinem neuesten Wunschtraum, er hat in Monte Carlo nun auch ein Boot stehen, so seine Worte. Ein Bootsrennen erwartet ihn am Wochenende. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen, das Erlebnis in Kuba war aufregend und zerstörend, ich kann nicht sagen, was heute überwiegt.

      Meine finstere Erinnerung wird wie durch einen Blitz durchbrochen. „Das hat mich für deinen Geburtstag angelacht, ich war in der Hafengegend und hab daran gedacht, wie schön es wäre, dich in Monte Carlo dabei zu haben!“, mit diesen Worten schiebt mir Ron ein kleines Kästchen unter meine staunende Nase. Shit, was wird das jetzt wieder? Meine Hände hasten und öffnen es. Ein schillerndes Herz an einer edlen Kette, glamourös. Verschwommen hauche ich: „Oh, wow! Das ist nett, Dankeschön!“ Ein üppiger Anhänger mit vielen Steinen, wenn ich davon ausgehe, dass sie echt sind, denke ich jetzt besser mal nicht weiter.

      „Angie, ich habe viel nachgedacht und hab mich tatsächlich entschieden. Deine letzten Worte, sie führten mich. Meine Entscheidung mit mir selbst, sie ist getroffen.“ Ron schmunzelt, seine Zunge hält er versteckt und er erzählt gerne weiter, sieht mir tief in die Augen: „Ich kann weiterhin in den Spiegel schauen. All das jemals dir gesagte, werde ich einhalten, kompromisslos, wenn du es zulässt. Ich, anwaltslos, will dich an meiner Seite haben. Und mehr: Angie, ich liebe dich so sehr, dass ich es dir mein Leben lang beweisen will!“ Fest, ganz fest halten sich meine Hände an dem Päckchen mit dem Herzen, als ob es mich vor meiner Erschütterung schützen könnte. Shit, das Gefühl in mir, erweckt pures Begehren, der Verstand in mir, er drängt, er fordert, er befehligt meine Abweisung.

      Meine Augen verschwimmen tatsächlich, sie betrachten schillernde Steine in einem Päckchen. Mein Blick, ich erhebe ihn und nehme mich zusammen. „Ron, ich überlege. Ich melde mich.“ Widerstrebend meinem Vorhaben will mein Becken bleiben, doch meine Beine folgen meinem Verstand, ich erhebe mich und will gehen. Wie aus dem nichts erreichen Lippen, betörende Lippen, mich. Ungewollt und doch leidenschaftlich verfalle ich für einen Moment, um im nächsten weiterzugehen, mich nicht umzudrehen, um endlich wieder vor meinem Wagen in der Tiefgarage zu stehen.

       (Ein wenig später)

      Wirklich kurz und bedauerlicherweise so unvergesslich war mein Wiedersehen mit Ron, das ist mein Resümee auf der Rückfahrt nach Hause. Verfallen? Ich bin ihm verfallen – oder? Da ist sie wieder meine Vergangenheit, wieder diese Fragen und keine Antwort. Ich drehe mich im Kreis!

      Zurück in Garat kleide ich mich rasch wieder als Mutter, verstecke meinen Schatz, verdränge meine Vergangenheit und sprinte zur Schule, um meine Kids zu holen. Shit, tut das Feeling gut!

      ZWEI

      Eine gefühlte Ewigkeit brauche ich, um beide Jungs von den Schulen zu holen, aber Düsseldorf ist einfach viel größer als München, gestehe ich und falle mit den Kindern in die Wohnung. „Sid, lass meine Schultasche, das ist kein Fußball“, ärgert sich Aaron, weil Sid beide Ranzen mit dem Fuß in ihre Zimmer verteilt. „Sidney!“, mahnt meine strenge Stimme – mehr nicht. „Ich geh‘ eh schon“, verlässt Sid das Spielfeld, rennt ins Bad und wäscht seine Hände.

      Der Haussegen hinkt, heute lief auch alles schief in der Schule. Sidneys bester Freund war krank und die anderen Jungs sind alle doof, erklärt mir mein jüngster seinen schwarzen Tag beim Mittagessen. Aaron ist gelangweilt und abwesend, wenn ich ihn frage, was los war, bekomme ich ein „Geht so!“ zur Antwort. Noch versuche ich es zu akzeptieren, aber meine Sinne treffen mich, ob er sich verschließt? Ob es ihm schlecht geht? Ich meine nicht die Noten, die sind noch erstaunlich gut, ich meine ihn als jungen Menschen.

      Nun erschlagen uns Hausaufgaben! Nein, sie erzürnen eine Mutter, die eigentlich für vier Tage Sommer in Geburtstagslaune alles packen möchte.

      Kein Ende in Sicht, Lehrer sind grauenhafte Bestien, wenn es um Fenstertage geht. Warum eigentlich sind Lehrer dem Irrtum verfallen, dass man in dieser kurzen Aus-Zeit als Schüler mehr lernen und üben soll?

      Die Lösung meines Rätsels muss warten, Vergleiche von Bananenplantagen in Mittelamerika und dem Outback in Australien erfordern auch meine Konzentration. Will doch eine Geographieprofessorin Aaron wirklich ein Leben in Costa Rica mit dem in Australien vergleichen lassen.

      Nachdem ja – abgesehen von morgen – dann ganze vier Tage schulfrei sind, wäre das rasch zu lernen, für eine kurze GWK–Wiederholung am kommenden Montag. „Warum muss ich wissen, was ein Vlies ist? Ich bin allergisch gegen Tierhaare und mich interessieren Schafe nicht die Bohne, ich will in die Technik!“ Die klare Aussage eines elfjährigen. „Aaron, ich verstehe dich zu gut, aber manche Dinge im Leben, sie sind ungerecht. Es geht nicht immer darum, dass man diese Dinge erlernt, viel mehr geht es darum, zu lernen, mit Ungerechtigkeiten umzugehen. Also versuch dein Wissen in zwei Bereiche zu teilen, einen, wo du dein Wissen auch tatsächlich verstehen willst und einen anderen, wo du dein Wissen abspeicherst, aber es nicht notwendig ist, alles zu verstehen. Und Aaron, es gibt keinen dritten Bereich, mit dem Titel, muss ich nicht wissen. Verstanden?“, regle ich, und mache mir jetzt noch mehr Lehrer zum Feind.

      Sid malt unterdessen brav sein Blatt „Jahreszeiten“ aus, komisch finde ich diese Aufgabe, als ob Kinder das nicht im Kindergarten schon viel zu oft erledigt hätten. Leise nehme ich den Flur zum Wandschrank und glaube tatsächlich,